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Der Wundrose ein bisschen Druck machen

Die durch Streptokokken ausgelöste Wundrose breitet sich entlang der kutanen Lymphspalten rasch in proximaler Richtung aus. Als Eintrittspforten dienen kleine Verletzungen (z.B. Tinea pedis), aber auch ausgedehnte chronische Wunden (Ulkus cruris etc.). Initial berichten die Patienten oft über Fieber und Schüttelfrost. Die typische schmerzhafte scharf begrenzte Hautrötung bildet sich oft erst später, schreiben Professor Dr. Knut Kröger von der Helios Klinik Krefeld und Kollegen. Blasen, Nekrosen und Hämorrhagien können das Bild verkomplizieren, aber auch zu Verwechslungen Anlass geben (s. Tabelle). Im befallenen Areal bildet sich häufig ein ausgeprägtes Ödem. Die Diagnose gelingt in der Regel anhand von Klinik und Entzündungsparametern (Leukozytose, BSG, CRP). Ein direkter Streptokokkennachweis ist nicht nötig.
Wichtige Differenzialdiagnosen | |
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Kontaktekzem | Juckreiz, Schuppung, weder Fieber noch Lymphödem |
Erythema nodosum | oft beidseitig, schmerzhafte Knoten und Plaques, selten flächige Rötung |
Erysipeloid (Schweinerotlauf) | blande Infektion an den Händen von Metzgern und Schlachtern |
Akute Lymphangitis | lineare Rötung über einer Lymphbahn |
Phlegmone | meist flächige Rötung, Schmerz, Fieber, Lymphangitis, evtl. Eiter an der Eintrittspforte |
Stauungsdermatitis | CVI-Zeichen, Juckreiz, Schuppung, häufig beidseitig, kein Fieber |
Ischämie | kühle Extremität, wechselnde Verfärbung |
Herpes zoster | segmentale Ausbreitung, Bläschen oder Blasen |
Unkompliziertes Erysipel mit Penicillin behandeln
Die systemische Antibiotikaapplikation ist nach wie vor die Basis der Therapie. Patienten mit unkompliziertem Erysipel an den Extremitäten können ambulant behandelt werden, vorzugsweise mit oralem Penicillin, heißt es in der S2k-Leitlinie*. Bei einer Manifestation an Gesicht und Körperstamm oder kompliziertem Verlauf (Hämorrhagien, Nekrosen, Blasen) ist eine parenterale Therapie unter stationärer Beobachtung indiziert.
Für die nach wie vor verbreitete Anwendung antiseptischer Umschläge konnte bisher keine Wirkung belegt werden. Diese ist auch nicht zu erwarten, da sich die Bakterien in den Lymphspalten aufhalten – bei intakter Haut unerreichbar für eine Lokaltherapie, schreiben die Experten. Kühlung hingegen kann z.B. bei einem Befall im Gesicht oder am Genital die Beschwerden lindern.
Besonders häufig entwickelt sich das Erysipel bei Patienten mit geschädigtem Lymphsystem. Daher sollte nach der Erysipeldiagnose ein Lymphschaden abgeklärt werden. Das resultierende Ödem ist nicht die Folge der bakteriellen Infektion, sondern wird durch diese nur verstärkt.
Der Stellenwert einer Kompressionstherapie wurde bisher jedoch kontrovers diskutiert. Man befürchtete, sie könnte eine Ausbreitung der Keime begünstigen. Nach Einschätzung der Autoren gibt es dafür jedoch keinen Beleg. Auch die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie stuft die Wundrose nicht mehr als Kontraindikation ein.
20 mmHg für die Ödemreduktion ausreichend
Die Autoren gehen daher davon aus, dass Patienten mit unkompliziertem Erysipel der Extremitäten nach Beginn der Antibiotikagabe mit einem entstauenden Kompressionsverband versorgt werden können. Zur Ödemreduktion genügt ein Druck von 20 mmHg. Bei Hämorrhagien, Nekrosen und Blasen sollte initial auf eine Kompression verzichtet werden.
Eine weitere Möglichkeit, das Ödem zu reduzieren, bietet die manuelle Lymphdrainage. Sie fördert den Abfluss der interstitiellen Flüssigkeit durch einen Dehnungsreiz auf Kutis und Subkutis. Die Stimulation beginnt am Körperstamm und folgt den Lymphwegen bis in die Peripherie. Dabei können die entzündeten Areale zunächst ausgespart werden.
Die Anwendung gilt beim Erysipel gemeinhin als kontraindiziert, die Autoren haben jedoch in der Literatur keine Hinweise auf ernste Schäden gefunden. Sie glauben deshalb, dass die manuelle Drainage zusätzlich zur Kompressionstherapie Patienten mit unkompliziertem Erysipel der Extremitäten frühzeitig angeboten werden kann. Da das Lymphödem als Wegbereiter für die Wundrose nicht heilbar ist, muss man jederzeit mit Rezidiven rechnen. Das Risiko ist umso geringer, je effektiver die Entstauung gelingt.
Wichtig ist auch die Sanierung der Eintrittspforten (Hautpflege, Wundtherapie). Neu aufgetretene Läsionen sollten bis zur Abheilung antiseptisch versorgt werden. In Einzelfällen gibt es die Option einer antibiotischen Rückfallprophylaxe mittels Langzeit- oder Intervallanwendung. Eine Penicillin-Stand-by-Therapie falls Prodromi (Schmerz, Fieber) auftreten, kann Rezidive zwar nicht verhindern, aber die Symptome minimieren.
* S2k-Leitlinie „Medizinische Kompressionstherapie der Extremitäten mit Medizinischem Kompressionsstrumpf (MKS), Phlebologischem Kompressionsverband (PKV) und Medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK), AWMF-Registernummer 037/005, www.awmf.org“
Quelle: Kröger K, Schwarzkopf A, Eder S, Protz K, Münter C, Dissemond J. „Diagnostik und Therapie des Erysipels: Ein Positionspapier der Initiative Chronische Wunden (ICW) e. V.“, Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 822-830; DOI: 10.1055/a-1392-8128 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York
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