Dicke Beine: Lymphödem, Lipödem, Thrombose, Erysipel oder Organerkrankung?

Dr. Dorothea Ranft

Bei einem Lymphödem sammelt sich eiweißreiche interstitielle Flüssigkeit an. Bei einem Lymphödem sammelt sich eiweißreiche interstitielle Flüssigkeit an. © wikimedia/Abdullah Sarhan (CC BY-SA 4.0)

Bei Patienten mit einseitiger Beinschwellung drängt die Zeit. Aber auch ein bilaterales Geschehen erfordert ein schnelles Eingreifen, wenn ein akutes Herz- oder Nierenversagen dahinter steckt. Mit den richtigen Fragen, Scores und Untersuchungen lässt sich die Ursache rasch identifizieren.

Beinschwellungen können das Leitsymptom vieler Erkrankungen sein. Dazu zählt ein venöser Stau ebenso wie Lymphödeme und Entzündungen von Haut und Weichteilgewebe. Auch eine Dekompensation von Herz- oder Niereninsuffizienz sowie Leberleiden und chronische Darmerkrankungen (Eiweißverlust) kommen als Ursache in Betracht. Dringlich ist die Abklärung einseitiger Beinschwellungen wegen des akuten Thromboseverdachts. Bei beidseitigen Ödemen hat man mit Ausnahme einer akuten kardialen oder renalen Dekompensation wenige Tage bis Wochen Zeit. Als chronisch gilt eine Schwellung, wenn sie sich über mehr als 72 Stunden entwickelt hat.

Anamnestisch steht die Frage nach Krankheitsdauer und Ausdehnung des Befunds an erster Stelle. Außerdem gilt es nach kurz zurückliegenden Infektionen und Traumata sowie Immobilisation (Schonung, Gipsbehandlung) und Tropenreisen zu fragen, schreibt der Mainzer Allgemeinarzt und Diabetologe Dr. Dieter Burchert. Ebenfalls wichtig sind ggf. aufgetretene Erschöpfungszustände, Komorbiditäten, eingenommene Medikamente, Alkohol und Drogenabusus. Die häufigste Ursache chronischer Beinödeme ist die venöse Insuffizienz. An zweiter Stelle folgen die kardialen Bein­ödeme (beidseitige Schwellung).

Schnelltests auf D-Dimere und CRP durchführen

Als Erstes sollte bei einseitigen Ödemen die Möglichkeit einer (tiefen) Beinvenenthrombose abgeklärt werden. Als Leitsymptome gelten Wadendruck- und Plantarsehnenschmerz. Zur klinischen Untersuchung gehört die Umfangsmessung ebenso wie das Abtasten der Beine (Lymphknoten, Phlebitis). Nimmt der Beinumfang um mehr als 1 cm zu, geht man von einem pathologischen Zustand aus. Als obligat stuft Dr. Burchert auch den Wells-Score zur Abschätzung der Thrombose-Wahrscheinlichkeit ein (s. Tabelle).

Wells-Score für tiefe Beinvenenthrombose
Klinische Charakteristik
Punkte
Aktive Tumorerkrankung1
Lähmung oder kürzliche Immobilisation der Beine1
Bettruhe (> 3 Tage); große Chirurgie (< 12 Wochen)1
Schmerz/Verhärtung entlang der tiefen Venen1
Schwellung ganzes Bein1
Unterschenkelschwellung > 3 cm gegenüber Gegenseite1
Eindrückbares Ödem am symptomatischen Bein1
Kollateralvenen1
Frühere, dokumentierte TVT1
Alternative Diagnose mindestens ebenso wahrscheinlich wie Venenthrombose-2

Score ≥ 2,0: Wahrscheinlichkeit für TVT hoch; Score < 2,0: Wahrscheinlichkeit für TVT nicht hoch

aus S2-Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und der Lungenembolie; www.awmf.org

Eindrückbarkeit des Gewebes sowie Schmerzcharakter bei lokalem Druck und Hautveränderungen (Erysipel, Lymphangitis) geben wichtige Anhaltspunkte. Auch Neuropathiezeichen und Fußpulse sollten bei der Untersuchung nicht vergessen werden. Labordiagnostisch stehen Schnelltests auf C-reaktives Protein und D-Dimere an erster Stelle, gefolgt von einem Routinelabor (siehe Kasten). Vervollständigt wird das diagnostische Programm mit EKG, Pulsoxymetrie und Abdomensonographie (Neoplasie, Lymphknoten).

Routinelabor bei Beinödemen

  • kleines Blutbild
  • Elektrolyte
  • Kreatinin, Harnsäure, Harnstoff
  • sensitiver CRP-Test, GGT, GPT
  • Gesamteiweiß
  • Gerinnung (INR)
  • Blutzucker oder HbA1c
  • TSH (Schnelltest am selben Tag)

Was die Ätiologie betrifft, sind venöse Ödeme meist gut sichtbar und lassen sich leicht eindrücken. Sie entstehen durch eine vermehrte Filtration von intravasal nach interstitiell, die das Lymphsystem nicht mehr ausgleichen kann. Bei Lymphödemen ist dagegen der Abtransport gestört, dadurch sammelt sich eiweißreiche interstitielle Flüssigkeit an, oft infolge von Operationen (Lymphknotenentfernung) oder Infektionen. Beim Lipödem vermehrt sich das Unterhautfettgewebe hormonell bedingt, meist in einer symmetrischen Ausprägung. Typisch für diese Fettverteilungsstörung ist eine Vergrößerung von Gesäß, Oberschenkeln und Oberarmen, während Handgelenke, Knöchel, Fußrücken und Zehen ausgespart bleiben. Auch ein Albuminmangel unter 2 g/dl kann Ödeme auslösen. Neben Malnutrition und Malabsorption können auch verschiedene Formen der exsudativen Enteropathie wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und Zöliakie dafür verantwortlich sein. Ein exzessiver Eiweißverlust führt nicht selten zu nephrotischem Syndrom oder zur Leberinsuffizienz nach chronischer Hepatitis (ethyltoxisch, viral, autoimmun etc.). Die Therapie richtet sich nach der Ursache der Beinschwellung. Patienten mit Erysipel erhalten ein hoch dosiertes Antibiotikum, vorzugsweise Amoxicillin. Die Behandlung der akuten Beinvenenthrombose fußt auf Antikoagulation (vzgw. NOAK) und Kompression. Wässrige, eiweißarme Ödeme lassen sich gut mit Salzrestriktion und Diuretika angehen, während Lymphödeme kaum darauf ansprechen und Lipödeme gar nicht. Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz können differenzialtherapeutisch Sacubitril plus Valsartan erhalten und unter Berücksichtigung der Kontraindikationen eine physikalische Entstauungstherapie. Letztere empfehlen die Autoren zusätzlich zur intensivierten Hochdrucktherapie kombiniert mit (Schleifen-)Diuretika (z.B. Furosemid, Torasemid, Indapamid) auch bei Niereninsuffizienz. Unter Kontrolle von eGFR, Elektrolyten und Blutdruck ist bei diesen Patienten eine Salzrestriktion ratsam. Hepatisch bedingte Schwellungen lassen sich mit Schleifendiuretika und Aldosteronantagonisten (Spironolacton, Eplerenon) behandeln.

Schwache Venen erfordern Dauer-Kompressionstherapie

Entstand die Schwellung aus einer chronisch venösen Insuffizienz heraus, wird langfristig eine dauerhafte Kompressionstherapie gebraucht. Bei Varizen kann eine OP für Abhilfe sorgen. Für Patienten mit nicht spontan reversiblen Lymph­ödemen empfehlen die Spezialisten eine regelmäßige Entstauungstherapie kombiniert mit Kompressionsstrümpfen bzw. -strumpfhosen nach Maß.

Quelle: Burchert D et al. Internist 2020; 61: 36-43; DOI: 10.1007/s00108-019-00708-9

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Bei einem Lymphödem sammelt sich eiweißreiche interstitielle Flüssigkeit an. Bei einem Lymphödem sammelt sich eiweißreiche interstitielle Flüssigkeit an. © wikimedia/Abdullah Sarhan (CC BY-SA 4.0)