Dermatosen mit dem richtigen Druck begegnen

Dr. Vera Seifert

Die Kompressionstherapie bietet Vorteile bei vielen Erkrankungen. Die Kompressionstherapie bietet Vorteile bei vielen Erkrankungen. © petiast – stock.adobe.com

Die Kompressionstherapie ist wohl nicht nur bei venösen oder lymphatischen Erkrankungen sinnvoll. Es mehren sich Hinweise, dass auch Patienten mit entzündlichen Hauterkrankungen an den Beinen von ihr profitieren. Bei vorhandenen Ödemen ist sie nicht einmal ein Off-Label-Use.

Die Kompressionstherapie wird regelmäßig dazu eingesetzt, Ödeme zu reduzieren und den venösen und lymphatischen Abfluss zu verbessern. Möglicherweise wirkt sie sich auch günstig auf Entzündungsprozesse aus, weil vermehrt antiinflammatorische Zytokine freigesetzt und proinflammatorische reduziert werden. Grund genug, dass z.B. die AWMF-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie sie auch zur Therapie entzündlicher Dermatosen empfiehlt. Auch in das ein oder andere Lehrbuch haben komprimierende Verbände oder Strümpfe als Therapie diverser Hauterkrankungen Einzug gehalten. Prof. Dr. Joachim Dissemond, Dermatologe am Univklinikum Essen, und seine Kollegen wollten genau wissen, wie es um die Evidenz zu dieser Frage bestellt ist. Dazu nahmen sie verschiedene Dermatosen unter die Lupe.

Erysipel

Hauptsächlich an den Unterschenkeln macht sich die durch b-hämolysierende Streptokokken hervorgerufene Erkrankung breit. Die scharf begrenzten Hautrötungen sind überwärmt und schmerzhaft. Lange galt: Hände weg von der Kompression beim Erysipel! Man befürchtete, dass die Bakterien dadurch in die Blutbahn gelangen könnten. Diese Angst hat sich nie bestätigt. Heute findet die Kompression immer mehr Anhänger. Man setzt darauf, dass durch den Druck das Antibiotikum besser in das entzündete Gewebe penetriert und es zu einer schnelleren Abheilung kommt. In einer Studie in die 84 Patienten mit chronischen Ödemen eingingen, die mehrfache Erysipele hinter sich hatten, ließ sich durch eine dreijährige Kompressionstherapie die Anzahl der Rezidive reduzieren.

Pyoderma gangraenosum

Schmerzhafte, schlecht heilende Wunden und Ulzerationen zeichnen das Pyoderma gangraenosum aus (Abb. 2). Bei 70 % der Patienten sind die Unterschenkel betroffen. Mehrere Kasuistiken zu erfolgreich behandelten Pyodermapatienten beschreiben eine unterstützende Kompressionstherapie. Bei zwei Patienten hatte die Therapie Schmerzen und andere Komplikationen zumindest nicht verschlimmert. In der Literatur findet man sowohl Berichte zum Einsatz in der inflammatorischen als auch in der nicht-inflammatorischen Phase der neutrophilen Dermatose.

Kutane Vaskulitis

Bei der Vaskulitis entzünden sich im Rahmen von Autoimmunprozessen die Gefäßwände. Eine kutane Vaskulitis äußert sich durch Juckreiz, Schmerzen, Nekrosen und Ulzera. Eine besondere Form ist die sogenannte Golfer- oder Wanderer-Urtikaria-Vaskulitis. Hierbei bildet sich nach körperlicher Anstrengung, insbesondere bei heißem Wetter, an den distalen Unterschenkeln eine meist schmerzlose Purpura. In einer Fallserie trugen 17 von 99 betroffenen Patienten präventiv Kompressionsware. Bei 10 von ihnen ließen sich dadurch erneute Vaskulitiden verhindern. In einer anderen kleinen Studie mit 31 Vaskulitis-Patienten verbesserte die Kompression das therapeutische Ansprechen und führte dazu, dass systemische Immunsuppressiva eingespart werden konnten.

Livedovaskulopathie

Thrombotische Verschlüsse von Hautgefäßen führen bei diesem Krankheitsbild zu schmerzhaften Wunden, vor allem im Bereich der Knöchel. Typisch sind Livedo racemosa, Atrophie blanche und Ulzera. Zahlreiche Kasuistiken beschreiben die begleitende Kompressionstherapie neben der systemischen rheologischen Behandlung als Basismaßnahme. Die aktuelle AWMF-Leitlinie führt sie auch als Maßnahme für die Rezidivprophylaxe auf.

Necrobiosis lipoidica

Die entzündliche granulomatöse Hauterkrankung zeigt eine Vorliebe für Diabetespatienten und Frauen. Prädilektionsstellen sind die unteren Extremitäten. Man vermutet dahinter eine Immunreaktion mit nachfolgender Entzündung und Gewebszerstörung, die zu Lipidansammlungen und Mikroangiopathien in der Dermis führt. An der Haut zeigen sich bäunlich-rote Papeln, später gelbliche Plaques und Ulzera. Auch bei der Necrobiosis lipoidica bestätigen Fallberichte den Nutzen einer Kompressionstherapie. In einer kleinen retrospektiven Studie hatte man sie bei 53 von 98 Patienten durchgeführt, bei 75 % besserten sich die Symptome deutlich.

Psoriasis

Paitenten mit Psoriasis können von einer Kompressionstherapie leicht profitieren: Schmerzen und Hautbefund verbesserten sich bei 30 Kranken unter vierwöchiger Kompression geringgradig. In keinem Fall kam es durch die Kompressionstherapie zu einem Köbnerphänomen. Sie ist also nicht kontraindiziert, stellen die Autoren fest.

Welche Materialien man für die Kompression wählt, sollte individuell entschieden werden. Zu bevorzugen ist der niedrigste wirksame Kompressionsdruck, der zu einer Linderung der Beschwerden führt. Weil die Patienten mit dermatologischen Indikationen oft ausgeprägte Schmerzen haben, beginnt man am besten mit niedrigen Ruhedruckwerten um 20 mmHg, empfehlen die Autoren und beziehen sich damit u.a. auf die AWMF-Leitlinien zum Pyoderma gangreanosum und der Livedovaskulopathie. Die wissenschaftliche Evidenz zur Kompressionstherapie bei entzündlichen Dermatosen ist zwar bislang klein, räumen sie ein. Dennoch sollte sie „nach Ausschluss von Kontraindikationen in die Therapiekonzepte miteinbezogen werden“, so das Fazit. 

Quelle:  Dissemond J, Eder S, Läuchli S, Protz K, Traber J, Stücker M. „Kompressionstherapie bei entzündlichen Dermatosen der Beine“, Dtsch Med Wochenschr 2024; 149: 106-112; DOI: 10.1055/a-2197-6197 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York

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