Die dunkle Seite der Nacht: Aktuelle Leitlinie schlägt gegen Schlafapnoe zurück

Dr. Dorothea Ranft

Für die meisten Patienen mit obstruktiver Schlafapnoe ist die CPAP eine wirksame Therapieoption. Für die meisten Patienen mit obstruktiver Schlafapnoe ist die CPAP eine wirksame Therapieoption. © iStock/JodiJacobson

Im Management der obstruktiven Schlafapnoe hat sich einiges geändert: So kann man in der Diagnostik häufig auf eine Polysomnographie verzichten und eine Unterkiefer-Protrusionsschiene ersetzt nicht selten die CPAP-Beatmung. Die frisch überarbeitete Leitlinie der DGSM* fasst die wichtigsten Punkte zusammen.

Zu jeder klinischen Anamnese gehören Fragen, die auf das obstruktive Schlafapnoesyndrom und kardiovaskulären Begleiterkrankungen wie Hypertonus und Arrhythmien zielen, betonen die Leitlinienautoren. Ergibt sich dann der Verdacht, dass eine solche schlafbezogene Atemstörung vorliegen könnte, folgen die spezifische schlafmedizinische Anamnese auch über Fragebogen zur Selbstbeurteilung und die klinische Untersuchung. So liefert oft schon die In­spektion von Nase, Mundhöhle und Rachen wichtige Hinweise. Liegt z.B. eine Tonsillenhyperplasie vor? Ist der Zahnstatus so, dass für den Patienten therapeutisch ggf. eine Unterkiefer-Protrusionsschiene in Betracht kommt?

Wichtig ist auch, die skelettale Morphologie des Gesichtsschädels orientierend zu beurteilen. Um u.a. den Zungengrund-Rachenhinterwand-Abstand abzuschätzen, hilft die seitliche Fernröntgenaufnahme weiter.

Zu Hause mit dem Modell aus der Klinik ins Bett

Leidet der Patient sowohl unter Tagesschläfrigkeit als auch unter nächtlichen Atempausen und Schnarchen, liegt die Prätestwahrscheinlichkeit für ein obstruktives Schlafapnoesyndrom (OSAS) hoch. Deshalb genügt es in diesem Fall, eine Polygraphie zur Diagnose und Einschätzung des Schweregrades durchzuführen. Anders bei niedrigerer Vortestwahrscheinlichkeit, einem Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) ≤ 15/h und Verdacht auf andere schlafmedizinische Erkrankungen. Bei diesen Konstellationen führt an der Polysomnographie kein Weg vorbei.

Charakteristische Symptome

  • Vermehrte Tagesschläfrigkeit
  • Nächtliche Atempausen (Beobachtung Bettpartner)
  • Lautes, unregelmäßiges Schnarchen
  • Unruhiger Schlaf
  • Morgendliche Abgeschlagenheit, diffuse dumpfe Kopfschmerzen, Mundtrockenheit
  • Unspezifische psychische Symptome (Abgeschlagenheit, Leistungsknick, Wesensänderung, intellektueller Leistungsverfall)
  • Adipositas
  • Hypertonie, Arrhythmien
  • Libido- und Potenzstörungen
Hauptbefund ist neben der Tagesschläfrigkeit der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI). Er gibt die Anzahl der Apnoen und Hypopnoen je Stunde Schlafzeit an:
leichte OSA: AHI ≤15/h
mittelgradige OSA: AHI 15 bis 30/h
schwere OSA: AHI > 30/h

Zur Therapie der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) stehen im Wesentlichen zwei Strategien zur Verfügung: die nächtliche Überdruckbeatmung – zumeist als CPAP – und die Versorgung mit einer Unterkiefer-Protrusionsschiene. Nächtliche Überdruckbeatmung: Die Beatmungstherapie mit „continious positive airway pressure“ (CPAP) kann im Prinzip bei allen Schweregraden der OSA eingesetzt werden:
  • Eine klare Indikation für die CPAP besteht bei mittelschwerer bis schwerer OSA (AHI > 15/h).
  • Bei einem AHI zwischen 5 und 15/h kann sie erwogen werden, wenn bei dem Patienten eine exzessive Tagesschläfrigkeit vorliegt, er in monotonen Situationen einschläft, kognitive Defizite oder depressive Sympotme infolge der schlafbezogenen Atemstörung entwickelt oder kardiovaskuläre Komorbiditäten vorliegen.
  • Beträgt der AHI < 5/h, ist die CPAP die Ausnahme und nur angezeigt, wenn trotz Diagnostik und Therapie anderen Erkrankungen die OSA-Symptomatik bestehen bleibt.
Die Einstellung auf die CPAP erfolgt am besten unter polysomnographischer Kontrolle in einem Schlaflabor. Für die Therapie zu Hause erhalten die Patienten möglichst das gleichen Gerät und den gleichen Maskentyp, auf den sie eingestellt wurden, und zwar nicht erst Wochen später, sondern gleich.

Erste Reevaluation binnen sechs Wochen

Eine strukturierte Schulung erleichtert den Behandlungsstart. Von großer Bedeutung ist es, die Patienten regelmäßig zu kontrollieren. Die erste Wiederuntersuchung erfolgt innerhalb der ersten sechs Wochen, alle weiteren mindestens einmal jährlich.

Unterkieferprotrusionsschiene: Die Unterkieferprotrusionsschienen (UPS) erweitern und stabilisieren die oberen Atemwege, indem sie den Unterkiefer vorverlagern. Sie sind indiziert bei Patienten mit leichter bis mittelgradiger OSA (AHI ≤ 30/h) alternativ zur nächtlichen Überdruckbeatmung. Vor allem Personen mit einem BMI < 30 kg/m2 und lageabhängiger Schlafapnoe profitieren. Auch bei einem höheren BMI bzw. AHI kann die UPS erwogen werden, falls die CPAP nicht möglich ist. Für die Anpassung der Schiene ist selbstredend zahn- und schlafmedizinische Expertise nötig. Die Wirkung der Schiene sollte regelmäßig (z.B. jährlich) kontrolliert werden.

Lagetherapie: Von einer lageabhängigen OSA wird häufig dann ausgegangen, wenn der AHI in Rückenlage mehr als doppelt so hoch ist wie etwa in Seitenlage. Bei leicht bis mittelgradig ausgeprägter, lageabhängiger OSA kann eine Therapie erwogen werden, die die „vulnerable“ Rückenlage verhindert, z.B. via in die Kleidung eingenähter Tennisbälle oder einem auf den Rücken geschnallten Kunststoffblock. Allerdings sollen derartige Maßnahmen nur dann erfolgen, wenn andere in der Leitlinie empfohlene Maßnahmen nicht möglich sind oder nicht toleriert werden.

Weitere konservative Therapien: Die intraorale elektrische Stimulation zur Stärkung des Muskeltonus der oberen Atemwege lehnen die Leitlinienautoren ab, da diese allenfalls das Schnarchen, nicht aber den AHI reduziere. Myofasziale Übungen oder Didgeridoo-Spielen könnten dagegen als Ergänzung sinnvoll sein.

Eine wirksame medikamentöse Behandlung gibt es nicht. Besteht trotz CPAP eine residuale Tagesschläfrigkeit fort, kann die Off-Label-Therapie mit Modafinil erwogen werden, sofern andere Ursachen ausgeschlossen wurden. Die alleinige Gabe von Sauerstoff über die Nacht ist nicht sinnvoll.

Gewichtsreduktion: Wer es schafft, sein Körpergewicht um 10–15% zu reduzieren, kann damit seinen AHI um 50 % senken. Zumindest für moderat übergewichtige Männer konnte dies nachgewiesen werden. Nach bariatrischen Eingriffen kann eine reduzierte Intensität der Atmungsstörung beobachtet werden, in den meisten Fällen bliebt die OSA jedoch behandlungs- und kontrollbedürftig.

Chirurgische Verfahren: Einen hohen Stellenwert haben die operativen Möglichkeiten, z.B. die Uvulopalatopharyngoplastik und/oder Tonsillektomie bei hyperplastisch bedingter Obstruktion. Eine Korrektur der behinderten Nasenatmung bessert zwar meist nicht die Atemstörung, aber Tagesschläfrigkeit und Schnarchen. Außerdem senkt sie den erforderlichen CPAP-Druck und erleichtert so die Akzeptanz der Überdruckbeatmung.

Patienten mit kleinem Unterkiefer und engem Gesichtsschädel können von einer Vorverlagerung des Ober- und/oder Unterkiefers profitieren, v.a. wenn CPAP und UPS nicht möglich oder tolerabel sind. Muskelresezierende Verfahren am Weichgaumen werden bei OSA nicht empfohlen.

Hypoglossus-Stimulation, wenn CPAP scheitert

Eine Stimulation des N. hypoglossus kann Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Schlafapnoe (AHI 15–50/h) und ab Adipositas-Schweregrad I angeboten werden. Voraussetzung ist eine CPAP-Unverträglichkeit bzw. Ineffektivität, außerdem darf keine konzentrische Atemwegs­obstruktion vorliegen. Die Stimulation aktiviert den M. genioglossus, den wichtigsten Atemwegsöffner. Für die atmungssynchrone Stimulation konnte eine über zwölf Monate anhaltende Wirkung gezeigt werden.

* Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin
Quelle: S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörung – Schlafbezogene Atmungsstörungen bei Erwachsenen“, AWMF-Register-Nr. 063/001, www.awmf.org 

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Für die meisten Patienen mit obstruktiver Schlafapnoe ist die CPAP eine wirksame Therapieoption. Für die meisten Patienen mit obstruktiver Schlafapnoe ist die CPAP eine wirksame Therapieoption. © iStock/JodiJacobson