Die Ketten sprengen

Dr. Nils Bröckelmann

Amyloidablagerungen lassen sich in den Geweben besonders gut mit einer Kongorotfärbung nachweisen. Amyloidablagerungen lassen sich in den Geweben besonders gut mit einer Kongorotfärbung nachweisen. © wikimedia/Ed Uthmann MD

Wird eine Leichtkettenamyloidose rechtzeitig erkannt, lassen sich durch eine kombinierte Chemotherapie schwere Organschäden verhindern. Bei entsprechender hämatologisch-onkologischer Prädisposition sollte man deshalb früh die Herz- und Nierenfunktion screenen.

Ursächlich für die Leichtkettenamyloidose (AL-Amyloidose)ist eine Erkrankung der klonalen Plasma- oder B-Zellen im Knochenmark.

In der Folge kommt es zur vermehrten Bildung von Amyloiden, die sich – abgesehen vom ZNS – in sämtlichen Organen ablagern können, insbesondere in Herz und Nieren. Insgesamt ist die AL-Amyloidose mit jährlich 8–12 Neuerkrankungen pro eine Million Menschen eher selten. Allerdings tritt die Überproduktion der Amy­loidproteine zumeist im Rahmen einer hämatologischen Grunderkrankung (z.B. multiples Myelom, Non-Hodgkin-Lymphom) auf. Wegen der höheren Inzidenz besteht gerade in diesem Kollektiv die Chance für eine frühe Diagnose, schreiben Prof. Dr. ­Ute ­Hegenbart vom Amyloidose-Zentrum am Universitätsklinikum Heidelberg und Kollegen.

Die Symptome einer AL-Amyloidose sind vor allem anfangs eher unspezifisch, sodass die Erkrankung häufig erst bei fortgeschrittenen Organmanifestationen auffällt. Etwa 30 % der Erkrankten zeigen jedoch die typischen periorbitalen Einblutungen und eine Makroglossie. Bei Verdacht auf eine AL-Amyloidose rät Prof. Hegenbart zu einer umfangreichen zytologischen und histologischen Diagnostik, um ggf. auch die Grunderkrankung zu identifizieren.

Histologisch lässt sich das Amyloid durch die Färbung von subkutanem Bauchfett oder anderem Gewebe mit Kongorot nachweisen. Zur Bestimmung der verantwortlichen B- oder Plasmazellen gehört neben einer Knochenmarksdiagnostik inklusive Durchflusszytometrie auch eine Immunfixationselektropho­rese in Serum und Urin sowie die quantitative Leichtkettenbestimmung.

Um vergrößerte Lymphknoten oder Osteolysen nachzuweisen, benötigt man zudem eine Schnittbild­gebung. Bei Patienten, die z.B. durch ein bekanntes Myelom prädisponiert für die AL-Amyloidose erscheinen, sollten alle 6–12 Monate NT-pro-BNP und Albuminurie bestimmt werden, um die Erkrankung möglichst frühzeitig zu erkennen. Ergibt sich der Verdacht von kardiologischer Seite her, rät Prof. Hegenbart zur Messung der freien Leichtketten im Serum. 

Das Ausmaß der kardialen Beteiligung hat großen Einfluss auf die Prognose. Verschiedene Scores helfen beim Staging und berücksichtigen u.a. natriuretische Peptide (z.B. NT-proBNP) und Troponine. Ist trotz nachgewiesener Erkrankung keiner der Parameter erhöht, liegt ein Stadium I vor. Bei nur einem pathologischen Wert handelt es sich um ein Stadium II, sind beide Werte auffällig, um ein Stadium III. Eines der Scoringsysteme fügt bei zusätzlich erhöhten freien Leichtketten im Serum noch ein Stadium IV hinzu. NT-proBNP-Werte > 8.500 ng/l sind mit einer geringen Lebenserwartung verbunden, über die Hälfte der Betroffenen stirbt innerhalb eines Jahres.

Scores, mit deren Hilfe sich die  Schwere der Nierenfunktionseinschränkung abschätzen lässt, basieren auf einem ähnlichen Prinzip. Als Kriterien ziehen sie die GFR und die Proteinurie heran (Cut-off < 50 ml/min bzw. > 5 g/d). Sind beide normwertig, liegt ein ­Stadium I vor, bei einem oder zwei auffälligen Werten entsprechend ein Stadium II oder III.

Mit neuer kombinierter Chemotherapie zur Remission

Aktueller Therapiestandard für ­Patienten mit neu diagnostizierter AL-Amyloidose ist die Kombination aus Daratumumab plus Cyclophosphamid, Bortezomib und Dexamethason. Prof. Hegenbart bezeichnet diese noch relativ neue Entwicklung als bahnbrechend. Denn der vormals zentrale Bestandteil der Behandlung – Hochdosischemo­therapie und autologe Stammzelltransplantation – kam nur für etwa 20 % der Patienten infrage, die jung und fit genug dafür waren. Allerdings hat auch die kombinierte Chemotherapie ihre Grenzen und ist z.B. für rund 20 % der Patienten mit fortgeschrittener Herzbetei­ligung nicht geeignet. In diesen Fällen müssen individuelle Konzepte gefunden werden. Ziel der kombinierten Chemotherapie ist die Remission, also die Normalisierung der freien Leichtketten im Serum (s. Tabelle). 

Kriterien für die hämatologische und kardiale Remission

hämatologisches Therapieansprechen (anhand der freien Leichtketten):

komplette Remission

negative Immunfixation in Serum und Urin; unauffälliger Freie-Leichtketten-Quotient

sehr gute Teilremission

Differenz zwischen beteiligten und nicht beteiligten Leichtketten (dFLC) unter 40 mg/l

Teilremission

Abnahme der dFLC um 50 %

keine Remission

obige Kriterien nicht erfüllt

kardiales Therapieansprechen (Bestimmung über NT-proBNP):

komplette Remission

NT-proBNP < 350 ng/l

sehr gute Teilremission

Abnahme des NT-proBNP-Wertes um 60 %

Teilremission

Abnahme um 31–60 %

keine Remission

Abnahme weniger als 30 %

Flüssigkeitsrestriktion und Diuretika sind entscheidend

Durch die Chemotherapie bessern sich nach einiger Zeit teilweise auch die Organfunktionen. Bis es so weit ist, benötigen die Patienten eine symptomatische Therapie in Bezug auf Ödeme, Diarrhö, Polyneuropathie oder Herzinsuffi­zienz. Zur Behandlung der Herzinsuffizienz sind insbesondere Flüssigkeitsrestrik­tion und Diuretika von Bedeutung. Meist werden Schleifendiuretika eingesetzt.

Einige Kollegen nutzen auch SGLT-2-Inhibitoren und Aldosteronantagonisten, für die allerdings keine Daten aus randomisierten Studien vorliegen. 

Ein neues Therapiekonzept zielt darauf ab, nicht nur die Neubildung von Amyloiden zu verhindern, sondern mithilfe spezifischer Antikörper und weiterer Substanzen (u.a. Doxycyclin) bereits vorhandenes Amyloid abzubauen. Bisherige Studien blieben ohne überzeugende Ergebnisse, doch sollen die Substanzen künftig als Add-on zur Chemotherapie getes­tet werden. Insgesamt blicken die Autoren positiv auf die Entwicklungen der letzten Jahre und sehen weiteres Potenzial. Sie setzen dabei v.a. auf eine möglichst frühe Diagnose, da dies eine effektive Therapie ermöglicht und ein Fortschreiten bis hin zum schweren Organversagen verhindern kann.

Quelle: Hegenbart et al. Inn Med (Heidelb.) 2023; 64: 842-847; DOI: 10.1007/s00108-023-01568-0

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Amyloidablagerungen lassen sich in den Geweben besonders gut mit einer Kongorotfärbung nachweisen. Amyloidablagerungen lassen sich in den Geweben besonders gut mit einer Kongorotfärbung nachweisen. © wikimedia/Ed Uthmann MD