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Ist es eine kardiale Amyloidose?

Bis zur Diagnose einer kardialen Amyloidose vergehen oft drei bis vier Jahre. Denn die entsprechenden Algorithmen folgen einem zeitlichen Muster. Sie beginnen meist mit einem klinischen Verdacht oder mit einer auffälligen kardialen Bildgebung. Es folgt eine Reihe an Untersuchungsterminen. Zunächst wird nach einer monoklonalen Gammopathie gefahndet und anschließend je nach Ergebnis eine Szintigrafie oder eine Gewebsbiopsie durchgeführt. Amyloid-Experten sind mit derartigen Algorithmen vertraut, doch andere Ärzte fühlen sich davon eher erschlagen, schreiben Dr. Martha Grogan und Dr. R. Scott Wright vom Department of Cardiovascular Medicine der Mayo Clinic in Rochester. Ihrer Erfahrung nach bergen die stufenweisen Tests das Risiko, dass die Diagnostik auf halber Strecke abgebrochen wird.
Tests an einem Tag, Ergebnisse nach einer Woche
Es braucht also ein fokussiertes, beschleunigtes Screening bei klinischem Verdacht auf eine kardiale Amyloidose. Einen Schritt in diese Richtung ging kürzlich das Team um Melanie Bézard vom Französischen Nationalen Referenzzentrum für kardiale Amyloidose am Henri Mondor Universitätskrankenhaus in Créteil. In einer retrospektiven Kohortenstudie überprüfte es die Alltagstauglichkeit eines „One-Stop-Shop“-Ansatzes, bei dem vier Untersuchungen an einem einzigen Tag – quasi mit einem Einkauf – erledigt werden. 1.222 Patienten, die dem Zentrum wegen eines Amyloidose-Verdachts zugewiesen worden waren, eigneten sich für dieses Vorgehen. Sie unterzogen sie sich folgenden Tests:
- Knochenszintigrafie
- Test auf monoklonale Gammopathie (monoklonales Protein im Serum oder Urin)
- Speicheldrüsenbiopsie
- Test auf Mutationen im Transthyretin(TTR)-Gen
So geht es nach dem ersten „One-Stop-Shop“ weiter*
- Szintigrafie negativ, monoklonales Protein (MCP); negativ: kardiale Amyloidose unwahrscheinlich (bei starkem klinischem Verdacht Myokardbiopsie durchführen)
- Szintigrafie positiv, MCP; negativ: Gentest auf TTR-Mutation
- Szintigrafie negativ, MCP positiv: bei Verdacht auf AL-Amyloidose Überweisung zum Hämatologen und Gewebebiopsie
- Szintigrafie positiv, MCP; positiv: Myokardbiopsie bevorzugt, Überweisung zum Hämatologen
* gemäß Algorithmusvorschlag für nicht auf Amyloidose spezialisierte Zentren
Nach einer Woche lagen die Labor- und Biopsieergebnisse vor. Mit diesem Ansatz gelang es, bei 73 % der Teilnehmer ohne weitere Tests eine definitive Diagnose zu stellen. Bei 27 % waren weitere Untersuchungen wie eine Massenspektrometrie und/oder eine kardiale Biopsie erforderlich. Diese erfolgten ebenfalls an einem Tag, sodass die Diagnose spätestens 16 Tage nach Vorstellung feststand. Insgesamt verzeichnete man mit 68 % eine hohe Amyloidose-Prävalenz. Von den Patienten, bei denen eine kardiale Amyoloidose festgestellt worden war, hatten
- 50 % eine Wildtyp-Transthyretin-Amyloidose (ATTRwt),
- 26 % eine Leichtketten-Amyloidose (AL) und
- 20 % eine hereditäre ATTR-Amyloidose (hATTR).
Bei 71 % der ATTRwt-Patienten führte das vereinfachte eintägige Protokoll bereits zum Ziel. Die Autoren errechneten für die Knochenszintigrafie bei Transthyretin-Amyloidosen eine Sensitivität und Spezifität von 99 % bzw. 96 %. Bei einer AL lagen diese Gütekriterien für den Gammopathie-Test bei 100 % bzw. 76 % und für die Speicheldrüsenbiopsie bei 54 % bzw. 100 %. DNA-Mutationen wurden bei 17 % aller durchgeführten Tests gefunden.
Laut Dr. Grogan und Dr. Wright belegt diese Arbeit aus Frankreich, dass die Diagnostik bei den meisten Patienten mit Amyloidose-Verdacht innerhalb eines Tages durchgeführt werden kann. Dies gelte insbesondere für diejenigen mit der häufigsten kardialen Form, der ATTRwt.
Da die „echte Welt“ aber nicht nur aus spezialisierten Zentren besteht, schlagen die beiden Experten ihrerseits eine vereinfachte Version des „One-Stop-Shop“-Algorithmus vor, die außerhalb von solchen Einrichtungen genutzt werden kann. Ihr Ansatz fokussiert sich auf die Gruppe mit der größten ATTRwt-Wahrscheinlichkeit und ist für Männer über 60 Jahre und Frauen über 70 Jahre gedacht, bei denen Echokardiografie oder kardiales MRT amyloidoseverdächtige Befunde ergaben.
Bei Jüngeren meist keine Szintigrafie erforderlich
Diese Patienten sollen zusätzlich zu einer Szintigrafie mit 99mTc-Pyrophosphat einen Test auf monoklonales Protein im Serum und Urin erhalten. Je nach Befundkonstellation folgen weitere Schritte. Ziel ist es auch hier, binnen einer Woche nach dem initialen Verdacht Klarheit zu haben. Obwohl Bézard et al. die Speicheldrüsenbiopsie als einfach, schnell und weniger invasiv als die Myokardbiopsie bezeichnen, gehört die Untersuchung für die beiden US-amerikanischen Kollegen nicht ins Portfolio. Sie sei abseits der Zentren zu wenig verbreitet.
Dr. Grogan und Dr. Wright merken außerdem an, dass eine 99mTc-PYP-Szintigrafie bei jüngeren Patienten sowie bei AL-typischen Befunden (nephrotisches Syndrom, Hepatomegalie, Makroglossie, periorbitale Purpura) meist nicht erforderlich oder indiziert ist. Unverzichtbar dagegen sei die adäquate Suche nach einer monoklonalen Gammopathie, um lebensbedrohliche Therapieverzögerungen und ineffektive Behandlungen zu vermeiden. Denn eine auffällige nuklearmedizinische Untersuchung alleine sichert noch nicht die Diagnose einer ATTR-Amyloidose.
Quellen:
1. Grogan M, Wright RS. Mayo Clin Proc 2023; 98: 7-10; DOI: 10.1016/j.mayocp.2022.11.011
2. Bézard M et al. Mayo Clin Proc 2023; 98: 48-59; DOI: 10.1016/j.mayocp.2022.08.016
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