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Die optimale Atemnot-Therapie in der Palliativmedizin
Mit einer Prävalenz von über 50 % ist Atemnot bei Tumorpatienten mit infauster Prognose ein sehr häufiges Symptom. Ob es sich um eine kontinuierliche Dyspnoe – meist mit stark schwankender Intensität – handelt oder um rezidivierende Erstickungsattacken: Kein anderes Symptom belastet und ängstigt den Patienten in vergleichbarem Maß.
Beim Erfassen der Atemnot beurteilen Sie drei Dimensionen:
- Intensität/Schweregrad,
- emotionale Belastung und
- Einschränkung im Alltag.
Immer müssen Sie nach möglichen behandelbaren Ursachen forschen, etwa Anämie, Infektion, Herzinsuffizienz oder Einflussstauung (s. Tabelle). Da der Effekt kausaler Maßnahmen aber meist auf sich warten lässt, ist in der Regel bereits parallel mit der symptomatischen Therapie zu beginnen.
Sorge um Atemdepression wird oft übertrieben
Bei Patienten mit nicht heilbarer Krebserkrankung und Atemnot sollten gemäß S3-Leitlinie Palliativmedizin1 orale oder parenterale Opioide zur symptomatischen Linderung der Atemnot eingesetzt werden.
Es gibt keinen Hinweis dafür, dass eine lege artis durchgeführte Therapie der Atemnot mit Opioiden zu einer klinisch relevanten Atemdepression führt, betonen die Experten. Und es liegt keine Evidenz dafür vor, bestimmte Opioide zu bevorzugen. Für Morphin, Dihydrocodein und Diamorphin verfügt man über Wirksamkeitsnachweise sowohl für die orale als auch parenterale Applikation, heißt es, nicht jedoch für die inhalative Darreichungsform.
Bezüglich weiterer Opioide (Fentanyl, Hydromorphon, Oxycodon) und anderer Verabreichungsformen (intranasal, transmukosal) stützt man sich nur auf Beobachtungsstudien, Pilot-RCT oder klinische Erfahrungen, die aber auf gute Effektivität schließen lassen.
Übelkeit und Wahn wegen Kumulation von Metaboliten
Sterbephase: Auf die Familie hören |
In der Sterbephase eines unheilbar krebskranken Patienten, der sich nicht mehr adäquat äußern kann, soll die Beurteilung, ob und in welcher Intensität eine Atemnot vorliegt, durch Fremdeinschätzung erfolgen, z.B. professionelle Begleiter bzw. Angehörige. Klinische Zeichen wie Schwitzen, Zyanose, schnelle, flache Atemzüge, körperliche Unruhe und der Gesichtsausdruck (Unwohlsein und Anstrengung) lassen entsprechende Rückschlüsse zu.
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Zur Linderung von Atemnot bedarf es in der Regel einer niedrigeren Dosis als bei analgetischer Intention. Meist sprechen opioidnaive Patienten z.B. auf eine Tagesdosis von 10–30 mg oralem Morphin an.
Leidet Ihr Patient unter einer Niereninsuffizienz, müssen Sie mit Opioiden vorsichtig sein. Substanzen, die nierenpflichtige, aktive Metaboliten bilden (v. a. Morphin, Oxycodon, Dihydrocodein) können kumulieren. Dies macht sich durch verstärkte Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel, Benommenheit und Halluzinationen bemerkbar. „Eine bestehende Niereninsuffizienz darf aber nicht zu verzögerter Anwendung von Opioiden zur Linderung von Atemnot führen,“ mahnen die Leitlinienautoren.
Beträgt bei Ihrem Patienten die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) 30–89 ml/min, kann eine Reduktion der Dosis bzw. der Einnahmefrequenz nötig werden. Zeigen engmaschige Kontrollen der Nierenfunktion rasche Verschlechterung, raten die Kollegen zum vorzeitigen Opioid-Wechsel. Bei schwerer Niereninsuffizienz (GFR < 30 ml/min) stellt der Wechsel zu schnell freisetzendem Hydromorphon oder Fentanyl/Buprenorphin eine Option dar.
Handventilator mindert subjektiv empfundene Atemnot
Auf jeden Fall muss man die niereninsuffizienten Patienten engmaschig kontrollieren, um zu es erkennen, wenn eine rasche Dosisanpassung nottut. Mit transdermalen Applikationen und langsam freisetzenden Präparaten kann eine schnelle Dosisanpassung nicht erfolgen, erinnern die Autoren.
In einigen Fällen benötigt die Opioidtherapie Schützenhilfe durch Begleitmedikationen.
- Benzodiazepine können einen zusätzlichen Beitrag zur Atemnot-Linderung leisten, insbesondere im fortgeschrittenen Krankheitsstadium oder in der Sterbephase.
- Von Phenothiazinen und Antidepressiva raten die Experten unter Dyspnoe-Indikation ab.
- Steroide nützen nur in bestimmten Fällen, wenn etwa eine Lymphangiosis carcinomatosa oder eine Tumorobstruktion der Atemwege vorliegt.
- Sauerstoff sollte – außer bei hypoxämischen Patienten – nicht zum Einsatz kommen.
Auch nicht medikamentöse Maßnahmen können den Leidensdruck mindern, heißt es im Expertenkonsens. Die Kollegen empfehlen Methoden zur Beruhigung und Entspannung, Atemübungen sowie die Kühlung des Gesichtes. Sogar evidenzbasiert ist die Anwendung eines Handventilators: Der aufs Gesicht gerichtete kühle Luftzug mindert die subjektiv empfundene Luftnot. Auch Rollatoren und Gehhilfen können nützlich sein, indem sie die körperliche Anstrengung herabsetzen.
Quelle: 1. Leitlinienprogramm Onkologie, S3-Leitlinie 2015 „Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung“, AWMF-Registernummer: 128/001OL
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