Die S3-Querschnittsleitlinie Supportivtherapie in der Onkologie

Friederike Klein

Eine für alle: Die S3-Querschnittsleitlinie Supportivtherapie in der Onkologie. Eine für alle: Die S3-Querschnittsleitlinie Supportivtherapie in der Onkologie. © MT/Tomaschoff/FK

Die supportive Therapie kann die onkologische Behandlung wirksam unterstützen. Seit wenigen Monaten gibt es eine eigene S3-Leitlinie mit fach- und erkrankungsübergreifenden Empfehlungen dazu.

Das potenzielle Symptomspektrum im Rahmen einer onkologischen Therapie, auf das die Supportivtherapie abzielt, ist breit. „Alles aufzunehmen war nicht möglich“, erläuterte Professor Dr. Petra Feyer, Präsidentin der ASORS* und als Radioonkologin am Vivantes Klinikum Neukölln in Berlin tätig. In zehn Kapiteln wurden in der S3-Leitlinie aber wesentliche Themen der supportiven Therapie in der Onkologie aufgearbeitet.1

Antiemese: Carboplatin neu bewertet

Als hochemetogen gelten die intravenös verabreichten Substanzen Cisplatin, Streptozocin, Carmustin, Dacarbazin und anthrazyklin-/ cyclophosphamidbasierte Regime sowie bei oralen Therapeutika Hexamethylmelamin und Procarbazin. Hier ist laut der Leitlinienkoordinatorin Professor Dr. Karin Jordan vom Universitätsklinikum Heidelberg immer eine antiemetische Dreifachprophylaxe mit 5-HT3-Rezeptorantagonist (RA), NK1-RA und Dexamethason indiziert.

„Welchen NK1-RA Sie wählen, ist Ihre Entscheidung“, erläuterte Prof. Jordan. Dabei ist zu beachten, dass Aprepitant nach der ersten Gabe noch an zwei weiteren Tagen gegeben werden muss, Fosaprepitant oder Netupitant/Palonosetron nur an Tag 1 der Tumortherapie.

Bei moderat emetogenen Therapien (30 bis 90 % der behandelten Patienten entwickeln Nausea und Emesis) ist 5-HT3-RA plus Dexamethason Standard. Für Chemotherapien mit Carboplatin wird aber ebenfalls die Dreifachprophylaxe empfohlen. „Carboplatin hat ein höheres emetogenes Potenzial“, erläuterte Prof. Jordan. Etwas unglücklich war sie deshalb über die im Konsens zustande gekommene, relativ schwache „Kann“-Empfehlung in den deutschen Leitlinien. Interna­tional sei der Empfehlungsgrad stark („Soll“).

Individuelle Risikofaktoren für febrile Neutropenien

  • Alter < 65 Jahre n Niedriger Performancestatus (niedriger Karnofsky-Index, hoher ECOG)
  • Komorbiditäten (COPD, Herzinsuffizienz NYHA III–IV, HIV-Infektion, Autoimmunerkrankung, deutlich eingeschränkte Nierenfunktion)
  • Weit fortgeschrittene, symptomatische Tumorerkrankung
  • In der Vergangenheit stattgehabte Chemotherapie
  • Laborparameter (Anämie, Lymphozytopenie < 700/µl, Hypalbuminurie, Hyperbilirubinämie)

Zu den moderat emetogenen Therapien gehören als orale Substanzen auch kleine Moleküle wie Bosutinib, Ceritinib, Crizotinib und Imatinib. Die meisten neueren oralen Substanzen sind aber nur gering emetogen, d.h., ein Antiemetikum nach Wahl genügt zur antiemetischen Prophylaxe, oder nur minimal emetogen, dann ist keine Prophylaxe erforderlich. Wichtig war für Prof. Jordan, zu betonen, dass bei mangelnder Wirksamkeit der antiemetischen Prophylaxe eine Dosiserhöhung der Antiemetika keinen Sinn macht. Empfohlen wird dann ein alternatives Schema.

Frühe Schmerztherapie gegen den Knochenschmerz

Bei der Therapie ossärer Komplikationen sollte man laut Privatdozent Dr. Ulrich Schuler vom Universitätsklinikum in Dresden unbedingt an eine frühe Schmerztherapie denken. Zudem sollte bei singulären Metastasen auch die Möglichkeit einer kurativen Therapie bedacht werden. Bei Myelonkompression und neurologischen Symptomen nennt die Leitlinie als Optionen die Operation mit nachfolgender Strahlentherapie oder eine alleinige Radiotherapie. Bei akut aufgetretenen funktionell relevanten Kompressionssyndromen kann bei gutem Allgemeinzustand und entsprechender Überlebensprognose eine notfallmäßige Dekompression erfolgen.

Themen der S3-Leitlinie

  • Anämie
  • Neutropenie
  • Nausea und Emesis
  • Diarrhö
  • Orale Mukositis
  • Hauttoxizität
  • Neurotoxizität
  • Ossäre Komplikationen
  • Paravasate
  • Supportive Maßnahmen in der Radioonkologie

Bisphosphonate oder RANK-Ligand-Antikörper?

Die osteoprotektive Therapie mit Bisphosphonaten oder RANK-Ligand-Antikörper kann bei ossären Manifestationen das Auftreten skelettbezogener Ereignisse (SRE) verzögern oder verhindern. Dr. Schuler betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Unterweisung und Motivation zu einer sorgfältigen und regelmäßigen Mundhygiene sowie der zahnärztlichen Untersuchung und Sanierung – auch im Verlauf. Eine Empfehlung mit höchster Evidenz erhielt die Zoledronattherapie bei ossären Metastasen eines Mammakarzinoms in einem vierwöchentlichen Intervall im ersten Jahr und anschließend in zwölfwöchigem Abstand. In der Leitlinie wird diese Bisphosphonat-Frequenz auch für andere Tumorentitäten empfohlen. Für Denosumab liegen keine gleichartigen Empfehlungen vor, ergänzte Dr. Schuler. Im Vergleich zu Zoledronat war Denosumab bei Knochenmetastasen eines Mammakarzinoms mit einer etwas geringeren SRE-Rate verbunden, andere Endpunkte waren aber vergleichbar. Einen Vergleich zwischen anderen Bisphosphonaten und Denosumab gibt es nicht. Daher kommt die Leitlinie nicht zu einer klaren Empfehlung, welche Substanz oder Substanzklasse primär eingesetzt werden sollte. Sie weist darauf hin, dass Denosumab nicht beim Multiplen Myelom zugelassen ist und hier eine Unterlegenheit gegenüber Zoledronat nicht ausgeschlossen werden kann.

PNP-Prophylaxe Fehlanzeige

Frustran verlief die Suche der Leitliniengruppe nach Evidenz für die Wirksamkeit von Substanzen, die einer durch die Chemotherapie induzierten Polyneuropathie (cPNP) vorbeugen können. Verschiedene Präparate von Amifostin bis Vitamin E wurden untersucht. Vor cPNP schützen konnte keines. Ein Expertenkonsens empfiehlt zur Vermeidung des Funktionsverlusts durch eine cPNP das regelmäßige Funktionstraining ab Beginn der Tumortherapie. Auch die Evidenz zur medikamentösen Therapie der cPNP ist schwach. Nach Leitlinie kann eine Duloxetin-Therapie erwogen werden, ist aber off-label. Letztlich kam der Expertenkonsens auch hier zu dem Schluss, dass zur Verbesserung der Funktionalität eine Bewegungstherapie erfolgen sollte. In einer Studie war zudem eine einprozentige topische Mentholtherapie hilfreich. Prof. Jordan wies darauf hin, dass sich eine der Studie entsprechende Creme z.B. aus 1 g Menthol in 100 g Basiscreme nach DAC herstellen lasse.

Neutropenie-Empfehlungen angepasst

Die Empfehlungen zur Prophylaxe der tumortherapieinduzierten Neutropenie mit granulopoetischen Wachstumsfaktoren (G-CSF) lehnen sich in großen Teilen an die entsprechenden Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Infektionen in der Hämatologie und Onkologie (AGIHO) in der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) an. Die prophylaktische G-CSF-Gabe richtet sich nach dem Risiko, eine febrile Neutropenie (FN) entsprechend der verwendeten zytotoxischen Therapie und individueller Risikofaktoren zu entwickeln. „Die Datenlage ist aber schwieriger, als man denkt“, meinte Dr. Schuler. Bei moderatem FN-Risiko wird die Notwendigkeit der G-CSF-Prophylaxe in internationalen Leitlinien von einer Reihe von Risikofaktoren abhängig gemacht. Dabei ist aber eher nicht nur ein einzelner Risikofaktor entscheidend, sondern eine Kombination, die laut Leitlinie „wahrscheinlich“ eine Risikoerhöhung für eine FN darstellt.

Das Ziel: Empfehlungen harmonisieren

Die neue S3-Leitlinie Supportivtherapie ist nach den Leitlinien zur Psychoonkologie und Palliativmedizin die dritte Querschnittsleitlinie des Leitlinienprogramms Onkologie. Die in Leitlinien zu einzelnen Krebserkrankungen teilweise divergierenden Empfehlungen zur Supportivtherapie sollen so entitätsübergreifend vereinheitlicht werden. Dafür wurden Experten aus allen Fachgebieten einbezogen. Wie bei S3-Leitlinien zu bestimmten Krebserkrankungen ist auch hier eine regelmäßige Aktualisierung geplant, wobei die Neuerungen in den verschiedenen Leitlinien auf die jeweils anderen Leitlinien zurückwirken sollen.

Vergleichende Bewertungen von nicht pegylierten und pegylierten G-CSF-Präparaten waren nicht Gegenstand der Leitlinie. Biosimilars sind hinsichtlich der Vermeidung der febrilen Neutropenie laut Dr. Schuler als vergleichbar mit den Originalpräparaten eingestuft. Er betonte, dass die prophylaktische G-CSF-Gabe frühestens 24 Stunden und spätestens drei Tage nach Abschluss der Chemotherapie erfolgen soll.

* Arbeitsgemeinschaft Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin

1. Leitlinienprogramm Onkologie (Hrsg.). S3-Leitlinie Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen. Langversion 1.0 – November 2016, AWMF-Registernummer: 032/054OL

Quelle: 5. ASORS-Jahreskongress 2017

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Prof. Karin Jordan, Universitätsklinikum 
Heidelberg 
Prof. Karin Jordan, Universitätsklinikum 
Heidelberg © fk
Privatdozent 
Dr. Ulrich Schuler, Universitätsklinikum Dresden Privatdozent 
Dr. Ulrich Schuler, Universitätsklinikum Dresden © fk
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