Diskussion um Nutzen einer PSA-basierten Vorsorge für ausgewählte Gruppen

Anne Krampe-Scheidler

Der Nutzen eines PSA-gestützten Screenings ist weiterhin umstritten, gerade was die Umsetzbarkeit und Kosteneffizienz angeht. Der Nutzen eines PSA-gestützten Screenings ist weiterhin umstritten, gerade was die Umsetzbarkeit und Kosteneffizienz angeht. © luchschenF – stock.adobe.com

In Deutschland wird ein Prostatakrebs-Screening auf Basis des PSA aktuell nicht empfohlen. Eine Zwischenauswertung der IMPACT-Studie liefert Hinweise, dass ein gezieltes PSA-Screening bei Männern mit pathogenen Keimbahnvarianten von Mismatch-Reparaturgenen nutzen kann. Doch über die Umsetzbarkeit und den tatsächlichen Benefit lässt sich streiten.

In der internationalen IMPACT-Studie wird prospektiv ein PSA-gestütztes Screening bei Männern mit genetischer Prädisposition für ein Prostatakarzinom (PCa) untersucht.1 Sie adressierte ursprünglich Männer mit Mutationen in den Genen BRCA1 oder BRCA2 und wurde später ausgeweitet auf Männer mit familiär bekannten Alterationen in bestimmten Mismatch-Reparaturgenen. Diese lösen ein Lynch-Syndrom aus, das wiederum mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Krebsarten einhergeht, darunter auch für früh auftretende aggressive Prostatatumoren.

Das Screening wurde in diesem Teil der Studie bei Männern im Alter zwischen 40–69 Jahren ohne vorherige PCa-Diagnose und mit nachgewiesener pathogener Keimbahnvariante im MLH1-, MSH2- oder MSH6-Gen im Vergleich mit einer Kontrollgruppe evaluiert. Die Teilnehmer waren zu Beginn im Median 52,8 Jahre alt. Das jährliche Screening ist auf mind. fünf Jahre ausgelegt.

Eine britische Arbeitsgruppe um Dr. Elizabeth­ K. Bancroft,­ Institute of Cancer Research, London, publizierte nun die Ergebnisse der ersten Runde des PSA-Screenings. Von 828 rekrutierten Männern wiesen 644 eine pathogene Variante der Mismatch-Reparatur auf. Die Kontrollgruppe umfasste 184 Männer ohne genetische Alteration in diesen Genen sowie – zur Vergrößerung der Gruppe – 134 Männer aus dem Kontrollarm der ursprünglichen BRCA1/2-Kohorte. Die Forscher boten allen Männer mit einem PSA-Wert von über 3 ng/ml­ eine systematische transrektale ultraschallgesteuerte Prostatabiopsie an. Von den 56 Betroffenen unterzogen sich nur 35 dem Eingriff.

Die PCa-Inzidenz fiel bei Männern mit Mutationen im MSH2- und MSH6-Gen jeweils signifikant höher aus als in der altersgleichen Kontrollgruppe. Für MSH2 betrugen die Werte 4,3 % vs. 0,5 % (p = 0,011), für MSH6 3,0 % vs. 0 % (p = 0,034). Bei Teilnehmern mit Mutationen im MLH1-Gen wurden hingegen in beiden Gruppen keine Tumoren detektiert. In der Gesamtkohorte betrug der positive Vorhersagewert der PSA-Schwelle von 3,0 ng/ml 32,1 % und mit zusätzlicher Biopsie 51,4 %.

Transformation in die Praxis schwierig

Während diese Daten aus Sicht der Autoren ein PSA-Screening bei Männern mit Mutationen in den MSH2- und MSH6-Genen stützen, sehen italienische Ärzte um Dr. Giorgio­ Gandaglia­, IRCCS Ospedale San Raffaele, Mailand, Probleme bei der praktischen Umsetzung.2 In einem Kommentar begrüßen sie grundsätzlich den Ansatz eines gezielten PSA-Screenings in einer Risikopopulation, um Überdiagnosen und Überbehandlungen zu verringern. Allerdings geben sie folgende Aspekte zu bedenken:

Ein PSA-Screening ausschließlich bei Männern mit pathogenen Keimbahnmutationen setzt voraus, dass diese mittels Gentests vorab identifiziert werden. Die Prävalenz von veränderten Mismatch-Reparaturgenen beträgt bei Betroffenen mit einer erblichen Veranlagung für Krebs bezüglich MSH6 und MSH2 0,13 % bzw. 0,035 %. Dies wirft Fragen nach der Durchführbarkeit und der Kosteneffizienz auf.

Zudem ist die in der IMPACT-Studie verwendete Diagnostik aus heutiger Sicht veraltet. Mithilfe der multiparametrischen MRT und MRT-gezielter Biopsien lassen sich mittlerweile bis zu zwei von drei Prostatabiopsien sowie indolente PCa vermeiden, ohne hochgradige Fälle zu übersehen. Bildgebende Verfahren oder neue Biomarker zusätzlich zum PSA-Wert könnten daher wesentliche Kritikpunkte an Screening-Programmen entkräften, die ausschließlich auf der Messung des PSA-Werts beruhen. Damit wäre ein gezieltes Screening bei Personen mit Keimbahnmutationen aber nicht mehr notwendig.

Nur selten sterben Betroffene an Prostatakrebs

Als weiteren Kritikpunkt merken die Editorialisten an, dass der ERSPC-­Studie zufolge viele Männer mit einem durch ein PSA-Screening entdeckten Prostatatumor mit, aber nicht an der Erkrankung selbst sterben. Bei erhöhtem Risiko für verschiedene Krebserkrankungen aufgrund von Mutationen in Mismatch-Reparaturgenen läge die tatsächliche Wahrscheinlichkeit, an einem Prostatakarzinom zu sterben, vermutlich sogar unter der der Allgemeinbevölkerung.

Quellen:
1. Bancroft EK et al. Lancet Oncol 2021; 22: 1618-1631; DOI: 10.1016/S1470-2045(21)00522-2
2. Gandaglia G et al. Lancet Oncol 2021; 22: 1491-1492; DOI: 10.1016/S1470-2045(21)00571-4

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Der Nutzen eines PSA-gestützten Screenings ist weiterhin umstritten, gerade was die Umsetzbarkeit und Kosteneffizienz angeht. Der Nutzen eines PSA-gestützten Screenings ist weiterhin umstritten, gerade was die Umsetzbarkeit und Kosteneffizienz angeht. © luchschenF – stock.adobe.com