
Doch besser als Placebo

Wir haben chronischen Husten lange Zeit nur als Symptom anderer Erkrankungen betrachtet und therapiert, konstatierte Dr. Marta Dabrowska, Universität Warschau. „Aber das wachsende Verständnis der Prozesse dahinter hat uns gelehrt, dass es sich um eine eigene Entität handelt mit Hustenhypersensitivität und gestörter zentraler Hustensuppression als wesentlichen Pathomechanismen.“ Zu unterscheiden sind
- der idiopathische chronische Husten (unexplained chronic cough, UCC), bei dem sich aus der Diagnostik keine Ursache ergibt, und
- der refraktäre chronische Husten (RCC), der auf eine leitliniengerechte Therapie nicht anspricht.
Wie schwierig sich die Behandlung von UCC/RCC gestaltet, lässt die aktuelle europäische Leitlinie von 2020 erkennen, die nach erfolgloser Initialtherapie diverse Optionen als „zu erwägen“ aufführt, ohne eine definitive Empfehlung zu formulieren.1
Die neuen Antitussiva setzen entweder an peripheren Neuronen an – in diese Gruppe gehören z.B. P2X3-Antagonisten, Na-Kanalblocker und die TRPM8-Agonisten – oder zentral (z.B. Neurokinin-1- und NMDA-Antagonisten). Am weitesten fortgeschritten in der klinischen Entwicklung sind P2X3-Antagonisten mit Gefapixant als erstem Vertreter. Er ist bisher nur in der Schweiz und Japan zugelassen.
In den Phase-3-Studien Cough-1 und Cough-2 (gepoolt analysiert, zusammen über 2.000 Patienten) reduzierte Gefapixant Hustenfrequenz und -stärke signifikant stärker als Placebo und verbesserte die Lebensqualität.2 Aber: In beiden Studien halbierte sich die Hustenfrequenz auch unter Placebo. Das Sicherheitsprofil war akzeptabel, doch klagten von zehn Patienten sechs bis acht über Geschmacksstörungen. 20–30 % der Patienten brachen die Studien deswegen ab. Auch die Phase-2b-Studie mit dem selektiveren Camlipixant zeigte eine ausgeprägte Placeboresponse, zumindest schien der Unterschied zu Placebo größer zu sein.
Neurokinin-1-Antagonist bereits anderweitig zugelassen
Beispielhaft für ein zentral wirksames Antitussivum nannte Dr. Dabrowska den Neurokinin(NK)-1-Antagonisten Aprepitant, der die Wirkung von Substanz P im ZNS blockiert. Zur Behandlung von chemotherapieinduzierter Übelkeit und Erbrechen wurde das Medikament bereits zugelassen. Dann zeigte sich, dass es auch Husten unterdrückt.3 Der NK-1-Antagonist Orvepitant wird aktuell spezifisch für UCC/RCC entwickelt und in zwei Phase-2-Studien bislang erfolgreich erprobt.
Ein Knackpunkt bei allen klinischen Studien ist der Placeboeffekt, der bei UCC/RCC sehr groß ausfällt. Damit sind wohlweislich nicht spontane Besserung oder Fluktuationen der Symptomatik gemeint. Lange Zeit galt ein starker Placeboeffekt als Zeichen des Versagens der Verumtherapie. „Aber das stimmt nicht“, so die polnische Kollegin. Inzwischen ist klar, dass nicht-medikamentöse Zusatzmechanismen beteiligt sind, etwa auf psychologischer oder neurobiologischer Ebene. Dabei spielen unter anderem Endocannabinoide, Endorphine und Dopamin eine Rolle. Sie können den Verlauf von vielen Symptomen und Erkrankungen erheblich beeinflussen, bekannt ist dies z.B. von Schmerz, Juckreiz, Fatigue, aber auch Parkinson oder Asthma.
Wie umgehen mit dem Placeboeffekt?
Dr. Dąbrowska empfahl für klinische Studien zum UCC/RCC folgende Maßnahmen:
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Variabilität von Hustenschwere und -frequenz über die Zeit beachten
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Patienten mit geringer Hustenschwere und -frequenz einschließen
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eine Gruppe ohne Therapie einschließen
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Patienten über den Placeboeffekt aufklären und ihre Erwartungen an das neue Medikament „neutralisieren“
-
Patienten schulen, wie sie die Hustenstärke genau berichten sollen
Nicht-medikamentöse Hustentherapie ist effektiv
Bei akutem Husten erreicht die Placeboresponse bis zu 85 %, bei chronischem Husten bis zu 40 % und bei UCC/RCC bis zu 60 %. Dem sollten Untersucher stärker als bisher Rechnung tragen, meint Dr. Dabrowska. Sie vermutet, dass eine gute logopädische Sprach-/Sprechtherapie vor Studienbeginn den Placeboeffekt reduzieren kann. „Eine nicht-medikamentöse Hustentherapie, wie immer man sie nennt, ist eine sehr effektive Maßnahme, aber leider nicht überall so verfügbar, wie man es sich wünschen würde.“ Man müsse außerdem genauer schauen, was mit den Patienten sonst noch gemacht wurde, um dies für den Placeboeffekt im klinischen Alltag zu nutzen.
Und eines sollten Ärzte nicht vergessen: Die Medikamente waren eindeutig wirksamer als Placebo. Der große Placeboeffekt rechtfertige nicht, sie den Patienten vorzuenthalten.
* European Respiratory Society
Quellen:
1. Morice AH et al. Eur Respir J 2020; 55: 1901136; DOI: 10.1183/13993003.01136-2019
2. McGarvey LP et al. Lancet 2022; 399: 902-923; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)02348-5
3. Smith JA et al. Am J Respir Crit Care Med 2021; 203: 737-745; DOI: 10.1164/rccm.202006-2359OC
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