Drei Insulinstrategien für Typ-2-Diabetiker

Dr. Carola Gessner, Foto: thinkstock

Ältere Typ-2-Diabetiker mit Insulin behandeln – ab wann, wie intensiv, womit? Bei diesem Thema geben Leitlinien unterschiedliche Auskünfte.

Während Leitlinien noch den frühen Wechsel zum Insulin propagieren, „haben uns neuere Studien nachdenklich werden und andere prognoserelevante Faktoren wie z.B. Hypoglykämien besser würdigen lassen“, betonte Dr. Bernhard Landers vom Diabetes-Zentrum Mayen.

Hypoglykämien werden heute vermieden

Während es noch in den 1980er Jahren hieß, für eine gute Einstellung müsse man einmal pro Woche eine schwere Unterzuckerung in Kauf nehmen, werden Hypoglykämien von modernen Diabetologen nicht mehr akzeptiert.


Was die Therapiestrategien angeht, fühlt sich Dr. Landers als Mitglied von DDG, BDI, DEGAM angesichts der uneinheitlichen Leitlinien manchmal als gespaltene Persönlichkeit: „Die einen halten an der frühen Insulingabe fest, die anderen befürworten es, den Zeitpunkt der Insulin-Therapie immer weiter nach hinten zu verschieben.“


Der Hausarzt bzw. Diabetologe muss also im Einzelfall entscheiden, wann die orale Therapie nicht mehr genügt. Wie sieht dann bei älteren Patienten die konkrete Strategie aus? Drei Methoden stehen zur Wahl:

  • Die basal unterstützte orale Therapie (BOT), bei der die Tabletten weiter eingenommen werden und eine Injektion eines lang wirksamen Insulins hinzukommt (für den Patienten am einfachsten).


Die BOT – meist Metformin mit Glargin – punktet mit einfachem Schema sowie niedrigen Hypoglyk­ämieraten, erklärte Dr. Landers. Doch ist nach seiner Erfahrung die Wirksamkeit begrenzt: „Man muss die Dosen oft stark erhöhen.“

  • Die konventionelle Therapie (CT), bei der ein Mischinsulin dazugegeben wird.


Bei der CT-Therapie, für die Kollegen vielfach Normalinsulin plus NPH-Insulin verwenden, stellt sich manchmal das Problem, dass auch das Normalinsulin 6–8 Stunden wirkt, aber Hauptmahlzeiten u.U. nicht gut abgefangen werden. Diese Situation kann man verbessern, indem man stattdessen ein Analoginsulin gibt, meinte der Kollege.

  • Die supplementäre, intensivierte konventionelle Therapie (SIT/ICT) mit Tabletten und kurz wirksamem Insulin zu den Mahlzeiten.

Zu Beginn der Therapie gilt „Vertrauen vor Verbote“

Bei der SIT-Therapie gelingt es eventuell sogar, mit festen Dosen auszukommen. „Dabei rede ich jetzt nicht vom Typ-1-Diabetiker oder vom Typ-2-Diabetiker, der mitten im Leben steht und noch viel unternimmt, sondern von älteren Patienten bzw. Pflegeheimbewohnern.“


Um den Lebenswandel zu eruieren, lässt der Kollege den Patienten vor einer Umstellung erst einmal Ernährungsprotokolle über 14 Tage anfertigen. Auf die Frage „Was darf ich denn essen?“ antwortet Dr. Landers „Alles!“ und erntet regelmäßig ungläubige Blicke. „Wenn ich gleich mit Verboten anfange, ist das Verhältnis getrübt – ich möchte den Patienten erst einmal kennenlernen und mir ein Bild machen, was er so isst und trinkt, wie er sich bewegt.“

Metformintherapie: Laktatazidose bei reduzierter GFR

Kommt man bei einer SIT mit festen Insulindosen aus, genügt es, gelegentlich Tagesprofile anzufertigen. Vorsicht ist aber geboten, wenn der Patient sich unwohl fühlt oder z.B. Durchfall hat. Unter der Metformintherapie, die vielleicht trotz eingeschränkter Nierenfunktion gut klappt, verschlechtert sich die Lage eventuell drastisch: Wenn trotz Diarrhö das Metformin unverändert weiterläuft, kann es bei reduzierter GFR zur Laktazidose kommen.


Mit SIT erreicht man die beste HbA1c-Absenkung, berichtete Dr. Landers, nimmt aber auch die stärks­te Gewichtszunahme und höchste Rate von Unterzuckerungen in Kauf. Mit den niedrigsten Hypoglykämie-Raten geht die BOT einher. Unter Glargin, erinnerte der Kollege, resultieren weniger nächtliche Unterzuckerungen als unter NPH-Insulin.


Im Übrigen stelle die Insulintherapie nicht von Natur aus eine Einbahnstraße dar. Nach neuen Studien vermag Insulin – bei gestörter Glukosetoleranz oder neu aufgetretenem Typ-2-Diabetes – die Betazelle zu entlasten und sogar vorübergehend Remissionen herbeizuführen. „Dieses Wissen können Sie als Hausarzt nutzen“, so der Referent. Kommt ein Patient mit sehr schlechten HbA1c-Werten, dann gibt der Kollege u.U. zunächst zügig Insulin, um Stress von der Betazelle wegzunehmen.

Insulin in Kombination mit oralem Antidiabetikum

Analoginsuline wirken dabei schneller und senken den HbA1c besser, berichtete Dr. Landers. Und aus modernen Substanzen wie Lispro resultiert sogar ein Gewichtsvorteil: „Die Regel: 10 Jahre Insulin 10 Kilo Gewichtszunahme gilt heute nicht mehr“.


Jetzt habe er viel Gutes zum Insulin erzählt, schloss der Kollege, wolle aber eine Beobachtungsstudie nicht unterschlagen, nach der Patienten unter Insulin mono vs. Metformin mono ein schlechteres Outcome (Herzinfarkt Apoplex, Krebs) erzielten.1


Dr. Landers Konsequenz für die Praxis: Insulin ja, aber sinnvoll einsetzen, und das orale Antidiabetikum (Metformin, DPP-4-Hemmer) möglichst dabei lassen. Bei sehr hoher Insulinresistenz hält der Experte in Einzelfällen BOT plus Exenatide zweimal täglich für eine Option. Diese Kombination reduziert signifikant HbA1c und Körpergewicht ohne vermehrtes Hyporisiko.

Moderne Therapie des Typ-2-Diabetes

  • Möglichst gewichtsneutral und ohne Hypogykämierisiko (BOT ist hierbei CT und SIT/ICT überlegen)

  • Analoga sind Normalinsulin überlegen auch bez. der kardialen Perfusion

  • CT geeignet z.B. in Pflegeheimen

 

  • Laut Datenlage möglichst lange mit oralen Antidiabetika arbeiten

  • Deshalb auch GLP-1-Analoga z.B. mit Glargin bedenken

 

  • Frühe Insulinierung ausnahmsweise bei Typ-2-Diabetes bei Stoffwechselentgleisung (Reduktion der Insulinresistenz/Abbau von Betazellstress)

  • Neue Langzeitinsuline wie Degludec berücksichtigen


Quelle: 58. Jahreskongress der Saarländisch- Pfälzischen Internistengesellschaft
1. Craig J. Currie et al., J Clin Endocrin Metabol 2013; 98: 668-677

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