Typ-2-Diabetes: Aktueller Stellenwert der Therapie-Klassiker unter den Antidiabetika

Metformin
Bereits seit 60 Jahren zur Diabetestherapie eingesetzt, steht Metformin in den internationalen Leitlinien nach wie vor an erster Stelle, betonte Professor Dr. Robert Ritzel, Städtische Kliniken Bogenhausen, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Suchtmedizin, München. Etwa die Hälfte der Patienten, die es einnehmen, leidet an zumeist passageren gastrointestinalen Nebenwirkungen. Aber nur 5 % tolerieren das Biguanid tatsächlich nicht. Eine Dosistitration und -reduktion kann gegebenenfalls die Verträglichkeit verbessern.
Die Euphorie ist verflogen: Krebsrisiko wird kaum gesenkt
Knapp 10 % entwickeln einen Vitamin-B12-Mangel (Spiegel kontrollieren). Das Risiko für eine Laktatazidose ist oberhalb einer GFR von 30 ml/min gering. Dennoch dürfen vorbehandelte Patienten mit einer GFR von 30–44 ml/min maximal 1000 mg/d Metformin erhalten, ein Therapiebeginn mit dem Biguanid erfolgt in diesem Bereich nicht mehr.
Ob die Behandlung das kardiovaskuläre Risiko erhöht, ist nach wie vor unklar. Eine placebokontrollierte Studie bei manifestem Diabetes ist aus ethischen Gründen nicht möglich. Ersatzweise wird das Risiko deshalb derzeit bei Prädiabetes geprüft.
Die Euphorie zum günstigen Einfluss des Biguanids auf Krebsprävention und -therapie ist inzwischen verflogen. Nach sorgfältiger Adjustierung konnten epidemiologische Studien nur noch einen geringen Effekt zeigen. Fraglich ist auch, ob Metformin das Altern verlangsamt. Deskriptive Daten sprechen für einen günstigen Einfluss auf Kognition und Demenzentwicklung, prospektive klinische Studien fehlen noch.
Glitazone
Ein ganz anderes Schicksal als Metformin hatten die um die Jahrtausendwende zugelassenen Glitazone. Rosiglitazon wurde 2010 vom Markt genommen und Pioglitazon darf nur noch mit erheblichen Einschränkungen verordnet werden, erklärte der Diabetologe Professor Dr. Jochen Seufert vom Universitätsklinikum Freiburg. Dabei erschien die Wirkung der Insulinsensitizer zunächst vielversprechend. Sie sorgen dafür, dass das Hormon an seinen Zielgeweben besser wirkt und senken das HbA1c so stark wie Metformin. Ungünstige Nebenwirkungen sind Gewichtsanstieg (ca. 5 kg/Jahr) und Flüssigkeitsretention.
Entwarnung gab es hinsichtlich des angeblich erhöhten Blasenkrebsrisikos. In neuen Analysen mit mehr als 750 000 Patienten fand sich kein Zusammenhang. Eine Metaanalyse bescheinigte Rosiglitazon ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Allerdings fielen entsprechende Ergebnisse zu Pioglitazon besser aus, es handelte sich also nicht um einen Klasseneffekt.
Rosi ist raus, Pio darf nur ausnahmsweise ran
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ordnete deshalb nur für Rosiglitazon eine Vertriebseinstellung an, Pioglitazon ist weiterhin zugelassen, darf aber nur in begründeten Einzelfällen zu GKV-Lasten verordnet werden.
Werden die Glitazone wiederkommen? Dagegen spricht für Prof. Seufert, dass es neue Optionen gibt, um das kardiovaskuläre Risiko zu senken. Er selbst glaubt jedoch, dass man in modernen Studien für Pioglitazon einen günstigen kardiovaskulären Effekt nachweisen könnte.
Sulfonylharnstoffe
Schon lange ein fester Bestandteil der Therapie des Typ-2-Diabetes, aber in letzter Zeit nicht unumstritten sind die Sulfonylharnstoffe. Begründet wird die Kritik vor allem mit der Hypoglykämiegefahr. Dabei wird oft übersehen, dass dieses Risiko unter Insulinen erheblich höher liegt, erklärte Professor Dr. Andreas Hamann vom Diabeteszentrum der Hochtaunus-Kliniken in Bad Homburg.
Weitere Nachteile: Unter Sulfonylharnstoffen verläuft die Diabetesprogression schneller als unter Metformin und man muss mit einer leichten Gewichtszunahme um etwa 2 kg rechnen im Vergleich zu dem Biguanid.
Zum Einfluss der Sulfonylharnstoffe auf das kardiovaskuläre Risiko existiert inzwischen eine verwirrende Vielfalt an Studienergebnissen. Die bisher größte Metaanalyse mit mehr als 300 randomisierten kontrollierten Studien fand keinen Unterschied im Mortalitätsrisiko (gesamt und kardiovaskulär) zwischen den getesteten Antidiabetika.
Nebenwirkungen von Acarbose verschwinden oft wieder
Eine eigene Sicherheitsstudie für Sulfonylharnstoffe wird es höchstwahrscheinlich nicht geben, so Prof. Hamann. Er plädiert dafür, die kardiovaskulären Sicherheitsstudien zu neu eingeführten Antidiabetika als Grundlage für eine Metaanalyse zu nutzen. Schließlich haben darin mehr als 30 000 Patienten Sulfonylharnstoffe eingenommen. Die Tatsache, dass bisher keine Subgruppenanalyse ein erhöhtes Risiko ergab, wertet er als positives Signal.
Acarbose
Ein zu Unrecht vergessenes Antidiabetikum ist nach Meinung von Professor Dr. Stephan Jacob, niedergelassener Arzt aus Villingen-Schwenningen, die Acarbose. Der Glukosidasehemmer senkt vor allem die postprandialen Blutzuckerspiegel und reduziert einer Cochrane-Analyse zufolge das HbA1c um 0,8 %. Und die Nebenwirkungen werden oft überschätzt, wegen Flatulenz und Diarrhö brechen nur 13 % die Therapie ab, zumal diese Effekte oft nach zwei bis drei Wochen von selbst verschwinden. Außerdem muss man die Acarbose auch nicht dreimal am Tag einsetzen. Prof. Jacob lässt seine Patienten bei der Mahlzeit mit dem höchsten postprandialen Peak anfangen. Viele nehmen dann z.B. zum Abendessen 50 oder 100 mg Acarbose und kommen gut damit zurecht.
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