Antidiabetikum bringt auch bei Heranwachsenden den Glukosestoffwechsel ins Lot

Dr. Judith Lorenz

An der Studie nahmen 154 Kinder und Jugendliche mit einem BMI jenseits der 85. Perzentile teil. (Agenturfoto) An der Studie nahmen 154 Kinder und Jugendliche mit einem BMI jenseits der 85. Perzentile teil. (Agenturfoto) © fotografixx/gettyimages

Kinder und Jugendliche mit Typ-2-Diabetes profitieren hinsichtlich der glykämischen Kontrolle von wöchentlichen Injektionen des GLP1-Rezeptoragonisten (GLP1-RA) Dulaglutid. Zu diesem Ergebnis kommt eine placebokontrollierte Doppelblindstudie. Bedenken bezüglich einer möglicher­weise vermehrten Sekretion von Wachstumshormonen werden von den Autor*innen zerstreut.

Bei Heranwachsenden zeichnet sich ein Typ-2-Diabetes durch eine deutliche Insulinresistenz und Betazelldysfunktion sowie ein häufiges Nichtansprechen auf Metformin aus, berichtet Professor Dr. Silva Arslanian von der Universität Pittsburgh.

Ein großes Problem bei den jungen Patient*innen sind die eingeschränkten Therapieoptionen. Kürzlich erhielten zwar zwei GLP1-RA, Liraglutid und Exenatid, die Zulassung zur Therapie des Typ-2-Diabetes im Jugendalter. Liraglutid muss allerdings täglich gespritzt werden, und bei Exenatid muss die wöchentlich verabreichte Injektionslösung von den Betroffenen selbst hergestellt werden. Benutzerfreundlichere Medikamente sind daher dringend erforderlich, meint die Expertin. Hoffnung verspricht der GLP1-RA Dulaglutid, der seit 2014 zur Therapie des Typ-2-Diabetes bei Erwachsenen zugelassen ist: Der Wirkstoff wird nur einmal pro Woche subkutan injiziert und steht in verschiedenen Dosen zur Verfügung.

Seine Wirksamkeit und Sicherheit im Kindes- und Jugendalter untersuchte Prof. Arslanian nun gemeinsam mit weiteren internationalen Forscher*innen im Rahmen der AWARD-PEDS-Studie1, an der sich 46 Zentren in neun Ländern beteiligten. An der Phase-3-Untersuchung nahmen 154 Heranwachsende mit Typ-2-Diabetes im Alter zwischen zehn und 18 Jahren teil. Alle hatten einen BMI jenseits der alters- und geschlechtsspezifischen 85. Perzentile und wurden mittels Lebensstilmodifikation allein oder in Kombination mit Metformin – mit oder ohne zusätzliches Basalinsulin – behandelt. Je ein Drittel der Adoleszenten wendete über 26 Wochen einmal wöchentlich 0,75 mg Dulaglutid, 1,5 mg Dulaglutid bzw. Placeboinjektionen an. In einer anschließenden entblindeten zweiten Studienphase, die ebenfalls 26 Wochen dauerte, setzten die Heranwachsenden der Dulaglutid-Arme ihre jeweilige Therapie fort, die Jugendlichen der Placebogruppe erhielten dagegen 0,75 mg Dulaglutid.

Vorteile für HbA1c und Nüchternblutzucker

Nach 26 Wochen hatte der HbA1c-Wert in der Placebogruppe durchschnittlich um 0,6 Prozentpunkte zugenommen, unter niedrig bzw. hoch dosiertem Dulaglutid dagegen um 0,6 bzw. 0,9 Prozentpunkte abgenommen (jeweils p < 0,001). Das Therapieziel eines HbA1c-Werts unter 7,0 % erreichten 51 % der mit Dulaglutid behandelten Teilnehmer*innen, aber nur 14 % der Kinder und Jugendlichen in der Kontrollgruppe (p < 0,001). Auch im Hinblick auf den Nüchternblutzucker erwies sich der GLP1-RA als vorteilhaft: Während der Nüchternblutzucker im Placeboarm im Schnitt um 17,1 mg/dl zunahm, sank er in den Dulaglutid-Armen um 18,9 mg/dl (p < 0,001). Bezüglich der Veränderung des BMI unterschieden sich die drei Studiengruppen dagegen nicht. Unter Dulaglutid traten häufiger gastrointestinale Nebenwirkungen auf als unter Placebo, das Nebenwirkungsprofil des GLP1-RA war aber insgesamt ähnlich wie im Erwachsenenalter.

Fördern GLP1-RA die Sekretion von Wachstumshormonen?

Untersuchungen deuten darauf hin, dass GLP1-RA möglicherweise die Sekretion von Wachstumshormonen fördern oder sogar Krebserkrankungen begünstigen, warnen Yuki Senoo und Dr. Masahiro Kami vom Medical Governance Research Institute in Tokio.2 Angesichts des sehr jungen Studienkollektivs – 40 % der Teilnehmenden waren jünger als 14 Jahre – sorgen sie sich um die Auswirkungen von Dulaglutid auf das Wachstum der Kinder und baten daher die Studienautor*innen um eine Stellungnahme. Diese konnten die Befürchtungen der Kommentatoren zerstreuen: Sie berichten3, dass sich die Dulaglutid- und die Placebogruppe weder insgesamt noch in der jüngeren Altersgruppe bezüglich des Längenwachstums unterschieden.

Angesichts dieser Ergebnisse halten die Forschenden Dulaglutid für eine vielversprechende Therapieoption und hoffen auf eine baldige Zulassung für das pädiatrische Patientenkollektiv.

Literatur:
1. Arslanian SA et al. N Engl J Med 2022; 387(5): 433-443; DOI: 10.1056/NEJMoa2204601
2. Senoo Y et al. a.a.O.: 387(16): 1529-1530; DOI: 10.1056/NEJMc2211623
3. Arslanian SA et al. a.a.O.: 387(16): 1530-1531; DOI: 10.1056/NEJMc2211623

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


An der Studie nahmen 154 Kinder und Jugendliche mit einem BMI jenseits der 85. Perzentile teil. (Agenturfoto) An der Studie nahmen 154 Kinder und Jugendliche mit einem BMI jenseits der 85. Perzentile teil. (Agenturfoto) © fotografixx/gettyimages