Einfache Tests klären Schwindel-Genese

Dr. Stefanie Kronenberger, Foto: thinkstock

Bei 90 % der Schwindel-Patienten finden Sie allein durch Anamnese und Untersuchung das Wichtigste heraus. Machen Sie sich schlau!

Klagt ein Patient über Schwindelsymptome, gilt es, zeitnah herauszufinden, ob die Ursache im Ohr oder im Gehirn liegt. Peripher oder zentral – dies hat therapeutisch große Bedeutung. Denn z.B. bei einer Kleinhirnischämie oder einer Basilaristhrombose ist rasches Eingreifen nötig.

Pathologischer peripherer Schwindel, wenn das Gleichgewichtsorgan im Innenohr oder die Funktion des Nervus vestibularis ausfällt, hat andere diagnostische und therapeutische Implikationen, so Privatdozentin Dr. Katharina Hüfner und Professor Dr. Michael Strupp vom Deutschen Schwindelzentrum am Klinikum der Universität München.


Zur Klärung der Schwindelgenese reichen meist Anamnese, körperliche Untersuchung und einfache klinische Tests aus. Schon anhand der Anamnese lassen sich wichtige Unterscheidungskriterien erheben – z.B. die Art des Schwindels.

Lagerungsschwindel fühlt sich an wie beim Walzertanzen

So äußert sich z.B. eine Vestibularisneuritis oder ein benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel als typischer Drehschwindel, „wie beim Walzer tanzen“. Schwankschwindel wie auf einem Boot kommt dagegen eher bei bilateraler Vestibulopathie vor.

Zentrale Störung aufspüren:

Eine sichere Differenzierung zwischen zentraler und peripherer Genese ist mit einem einzigen Test nicht möglich. Bei einer zentralen Ursache des akuten Schwindels lassen sich meist mehrere Augenbewegungsstörungen nachweisen. Folgende Untersuchungsergebnisse sprechen für eine zentrale Störung:

  • Normaler Kopfimpulstest (Halmagyi) bei akutem Spontan-Nystagmus

  • Blickrichtungsnystagmus entgegen der Richtung eines Spontan-Nystagmus

  • Vertikale Divergenz (vertikales Schielen, Skew Deviation)

  • Blickfolgesakkaden und fehlende VOR-Fixationssuppression


Auch die Dauer des Schwindels gibt wertvolle Hinweise. Während beim benignen peripheren paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPPV) die Drehschwindelattacke nur Sekunden bis Minuten anhält, dauert die Sache bei vestibulärer Migräne oder M. Menière auch Stunden. Eine Nervenentzündung (Neuritis vestibularis) sorgt sogar über Tage oder Wochen für Symptome.


Die nächste Frage gilt den Schwindel-Auslösern: Der Schwankschwindel bei bilateraler Vestibulopathie fällt dem Patienten oft erst beim Gehen auf. Der BPPV lässt sich durch Bewegung/Lagerung auslösen, während eine Vestibularisneuritis schon in Ruhe Beschwerden verursacht.

Begleitsymptome gezielt erfragen

Fragen Sie den Patienten auch nach Begleitsymptomen: Kommt es attackenartig zu verstärkten Ohrgeräuschen? Eine Hörminderung, erinnern die Autoren, kann den M. Menière begleiten, aber auch Ausdruck einer Hirnstammischämie sein.


Doppelbilder, Parästhesien im Gesicht oder an den Extremitäten, Schluck- und Sprechstörungen, Lähmungen oder Störungen der Feinmotorik sind ebenfalls typische Symptome von Kleinhirn- oder Hirnstammläsionen. Zudem können, wie auch bei vestibulärer Migräne, Kopfschmerzen auftreten.

Kopfneigung bei Hirnläsionen oder Augenmuskelparesen

Bei der Untersuchung sollte man zunächst auf Gang und Körperhaltung achten. Eine Kopfneigung zu einer Seite spicht für eine vestibuläre Imbalance. Der Patient versucht, die subjektive visuelle Vertikale zu erhalten. Allerdings kann eine Kopfneigung auch bei Augenmuskelparesen auftreten. Damit vermeidet der Kranke Doppelbilder.


An den Augen des Schwindelpatienten lässt sich einiges mehr ablesen. Ein „vertikales Schielen“ weist häufig auf zentrale vestibuläre Läsionen hin. Lässt man den Patienten mit den Augen dem Licht einer Stablampe folgen und bemerkt Sakkaden, Störungen der Blickfolge und der Blickhaltefunktion, interpretiert man dies ebenfalls als Zeichen zentraler Läsionen. Ein allseitiger Blickrichtungsnystagmus kommt z.B. bei Alkoholintoxikation oder unter der Medikation mit Antiepileptika bzw. Benzodiazepinen vor.

Sakkaden und Störungen der Blickfolge- und -haltefunktion als Zeichen eines zentralen Schwindel

Halmagyi-Test für die periphere vestibuläre Funktion

Fotos: K. Hüfner, M. Strupp, Universitätsklinik München

Mit dem Halmagyi-Test die peripher-vestibuläre Funktion testen

Die periphere vestibuläre Funktion testet man mit dem Halmagyi-Test. Bei fixiertem Blick des Patienten, z.B. auf die Nase des Untersuchers, wird der Kopf ruckartig zur Seite gedreht. Pathologisch ist der vestibulo-okuläre Reflex (VOR), wenn der Patient nachjustieren muss und man eine Refixationssakkade beobachtet. (Sehr selten weist ein pathologischer Test auf eine zentrale Schädigung des Vestibulariskerns hin).


Eindeutiges Zeichen einer zentralen (meist zerebellären) Läsion ist eine gestörte Fixationssuppres­sion des vestibulo-okulären Reflexes. Getestet wird dies, indem man den Patienten auf einen Drehstuhl setzt und ihn z.B. den Daumen der ausgestreckten Hand fixieren lässt.

Sakkaden zeigen gestörte Fixation

Beim Drehen um die eigene Achse bleibt der mitbewegte Daumen fixiert und es kommt nicht zu Augenbewegungen. Ist dagegen die Fixation gestört, kommt es zu Sakkaden.


Ein peripher verursachter Nystagmus entsteht z.B. bei Tonusimbalance im vestibulären System und zeigt dann eine horizontale Richtung. Durch Fixation lässt er sich unterdrücken. Eine Frenzelbrille, mit der man die Fixation unmöglich macht, erleichtert daher die Beurteilung.


Verstärkt sich ein Nystagmus dagegen bei Fixation, steckt eine zentrale Schädigung dahinter. Ein Provokationsnystagmus tritt auf, wenn der Patient mit geschlossenen Augen den Kopf 20-mal hin und her schüttelt, er kann peripher oder zentral bedingt sein. 

Subjektive Senkrechte als Diagnostikum

"Eimer drehen deckt vestibuläre Störung auf"

Eine sehr sensitive Methode, um zentrale oder periphere vestibuläre Störungen zu entdecken, ist der sogenannte Eimertest. Damit prüft man die subjektive visuelle Vertikale.


Im Eimerboden ist ein Schlitz oder Strich angebracht. Der Patient blickt in den Eimer, wenn die Markierung senkrecht steht. Dann wird der Eimer zehnmal hintereinander immer wieder etwas nach rechts oder links gedreht und der Patient soll ihn zurück in die Vertikale bringen. Der Referenzbereich liegt dabei bei +/-2,5 o.


Quelle: K.Hüfner et al., Therapeutische Umschau 2013; 70(1): 5-11

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