Einmal verklickt, den Jungen in die Notaufnahme geschickt

Sabine Debertshäuser

Um Medikationsfehler zu vermeiden, sollte es deutlich mehr Sicherheitskontrollen geben. Um Medikationsfehler zu vermeiden, sollte es deutlich mehr Sicherheitskontrollen geben. © Jirawatfoto – stock.adobe.com

Medikationsfehler resultieren häufig aus einem Versagen mehrerer hintereinandergeschalteter Sicherheitsbarrieren, ähnlich wie Löcher in einem Schweizer Käse. Liegen die einzelnen „Löcher“ in einer Achse, ist ein „Durchrutschen“ eines Fehlers möglich, wie der Fall eines Jugendlichen zeigt.

Wegen einer Tonsillopharyngitis mit Halsschmerzen und Fieber war einem 15-Jährigen vom Hausarzt Cefaclor (CEC®) verordnet worden. Im weiteren Verlauf kam es zu Synkopen, Petechien und Blutblasen enoral und der Allgemeinzustand des Jungen verschlechterte sich, schreiben Dr. Stanislava Dicheva-Radev von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft in Berlin und ihre Kollegen. 

In der Notaufnahme wurde eine Epstein-Barr-Virus-Infektion vermutet und der Patient wieder zum Hausarzt geschickt, der eine Blutuntersuchung in die Wege leitete. Die Laborergebnisse zeigten eine ausgeprägte Anämie, Thrombozytopenie, Leukopenie und Neutropenie. Wieder im Krankenhaus erhielt der Jugendliche Immunglobuline, Antibiotika, Virostatika und Antimykotika. Außerdem bekam er Thrombozyten- und Erythrozytentransfusionen.

Wegen des Verdachts auf eine Leukämie führten die Ärzte eine Knochenmarkpunktion durch. Das Ergebnis: eine komplette Aplasie des Knochenmarks. Bei der Befundbesprechung mit der Familie zeigte der Vater ein Handyfoto von dem „Antibiotikum“, welches sein Sohn eingenommen hatte. Es handelte sich um das Zytostatikum Lomustin (Cecenu®). Der Junge hatte also fälschlicherweise, aber wie verordnet, dreimal täglich ein Chemotherapeutikum eingenommen. Von dem Mittel zur Behandlung von Hirntumoren, kleinzelligem Bronchialkarzinom und Morbus Hodgkin nimmt man normalerweise nur alle sechs Wochen eine Tablette. Es war also stark überdosiert.

Im Menü der ärztlichen Praxissoftware sind die Medikamente nach Fertigarzneimittelnamen alphabetisch sortiert – CEC® und Cecenu® stehen direkt untereinander, erläutert die Expertin. Zunächst wurde also versehentlich Cecenu® anstatt CEC® rezeptiert. Die Prüfung der Plausibilität durch die Apotheke blieb offenbar aus. Zudem lag in diesem Fall eine Sprachbarriere vor. Bei der ersten Vorstellung im Krankenhaus hatten die Eltern zwar Lomustin als „Antibiotikum“ genannt, die Diskrepanz fiel aber nicht auf und eine Blutuntersuchung blieb aus.

Die Autoren appellieren für mehr Sicherheitskontrollen in der Praxissoftware und setzen auf Wirkstoffverordnungen, um Verwechslungen zu vermeiden. Sie sehen zudem Apotheken in der Pflicht, die Plausibilität vor jeder Abgabe zu überprüfen und verweisen auf das Arzneimittelinformationssystem für Kinder und Jugendliche, in dem zugelassene Dosierungen und Off-Label-Anwendungen zu finden sind. Schlussendlich sei eine offene Kommunikation bei Medikationsfehlern unerlässlich.

Orale Zystostatika wie Lomustin ermöglichen zwar eine Therapie  zu Hause, je nach Packungsgröße und Umverpackung kann es aber zu Überdosierungen und Verwechslungen kommen. Abhilfe schaffen könnte hier eine eindeutige Kennzeichnung z.B. der Aufdruck „Zytostatikum“, Verblisterung statt Plastikdose und Informationsmaterial für Patienten.

Quelle: Dicheva-Radev S et al. AVP 2024; 51: 28-31

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Um Medikationsfehler zu vermeiden, sollte es deutlich mehr Sicherheitskontrollen geben. Um Medikationsfehler zu vermeiden, sollte es deutlich mehr Sicherheitskontrollen geben. © Jirawatfoto – stock.adobe.com