Empfehlungen für Akutsituation und Prävention

Dr. Dorothea Ranft

Patienten mit überwiegend asthmatischen Beschwerden sollten ein β2-Sympathomimetikum erhalten. Patienten mit überwiegend asthmatischen Beschwerden sollten ein β2-Sympathomimetikum erhalten. © Andrey Popov – stock.adobe.com

Juckreiz, Atemnot, Kreislaufschock – bei einer schweren allergischen Sofortreaktion kann die richtige Therapie Menschenleben retten. Nach erfolgreichem Management der Anaphylaxie geht es darum, einem erneuten Ereignis vorzubeugen.

Bei ausschließlich leichten anaphylaktischen Symptomen (Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angiödem) beginnt die medikamentöse Behandlung mit einem H1-Anti­histaminikum. Dieses sollte am besten in löslicher Form oder intravenös verabreicht werden, raten Prof. Dr. ­Johannes ­Ring und Dr. ­Valentina ­Faihs vom Klinikum rechts der Isar München. Zusätzlich zum Antihistaminikum kann ein orales Glukokortikoid gegeben werden, auch wenn dessen Wirkung länger auf sich warten lässt als die von Adrenalin.

Bei mittleren bis schweren Symptomen (ab Grad 2) steht in der Initialphase der Anaphylaxie die intra­muskuläre Applikation von Adrenalin an erster Stelle. Diese erfolgt in der Praxis am besten mit einem Autoinjektor. Ausschlaggebend für die Menge ist das Gewicht des Patienten: Unter 7,5 kg ist das Hormon nicht zugelassen, betonen die Autoren. Im Bereich von 7,5 bis 30 kgKG verabreicht man 150 µg, zwischen 30 und 60 kgKG werden 300 µg empfohlen. Jenseits von 60 kgKG appliziert man ein- bis zweimal 300 µg (ggf. 500 µg). Die Wirkung tritt so rasch ein, dass man bei entsprechender Erfahrung mit einer geringeren Dosierung beginnen und diese bei ausbleibendem Effekt steigern kann. Im Fall einer Reaktion vom Grad 3 oder 4 (Schock bzw. Kreislaufstillstand) kann Adrenalin intravenös verabreicht werden, optimalerweise 1:10 oder 1:100 verdünnt und unter Kontrolle von Puls und Blutdruck.

Adrenalin wirkt den drei wichtigsten Pathomechanismen der Anaphylaxie entgegen, nämlich der Mikro­zirkulationsstörung aufgrund der gesteigerten Kapillarpermeabilität, der Konstriktion der Bronchialmuskulatur sowie der kardialen Effekte (Arrhythmie, negative Inotropie). Kinder vertragen das Hormon wesentlich besser als ältere Menschen. Ein therapeutisches Risiko besteht vor allem bei Senioren mit kardiovaskulärer Komorbidität, insbesondere Rhythmusstörungen. Dennoch ist die Adrenalingabe bei entsprechend schwerer Symptomatik unter Nutzen-Risiko-Abwägung für sie indiziert, betonen die Münchner Kollegen. Auch Schwangeren mit schwerer Anaphylaxie werde das Hormon heutzutage nicht mehr vorenthalten.

Einen festen Stellenwert in der Anaphylaxiebehandlung hat zudem intravenöses Prednisolon. Kinder unter 7,5 kgKG erhalten 50 mg, zwischen 7,5 und 30 kgKG sind 100 mg indiziert. Patienten, die 30 bis 60 kg auf die Waage bringen, benötigen 250 mg des Kortikoids, jenseits der 60 kg sind 250 bis 1.000 mg angezeigt.

Als intravenöses H1-Antihistaminikum eignet sich Dimetinden: Säuglinge unter 7,5 kgKG bekommen davon 1 ml, zwischen 7,5 und 30 kgKG sind es 1 ml/10 kgKG (maximal 4 ml). Im Bereich von 30 bis 60 kgKG liegt die Dosis bei 4 ml und jenseits der 60 kg bei 4–8 ml.

Patienten mit überwiegend asthmatischen Beschwerden sollten ein β2-Sympathomimetikum erhalten. Zur Applikation eignen sich Salbutamol und Terbutalin. Unter 30 kgKG werden zwei Hübe per Spacer verabreicht, darüber zwei bis vier Hübe. Bei schwerer Hypotonie ist die Volumensubstitution von entscheidender Bedeutung. Diese erfolgt am besten über einen großlumigen Katheter. Kinder bis 30 kgKG erhalten einen Bolus NaCl 0,9 % von 20 ml/kgKG, bei höherem Gewicht sind es 10–20 ml/kgKG. Wenn ein intravenöser Zugang nicht angelegt werden kann, muss die Flüssigkeit intra­ossär verabreicht werden. Im Fall eines Herz- und/oder Atemstillstands ist eine leitliniengerechte Reanimation indiziert.

Nach der erfolgreichen Akutbehandlung schließen sich präventive Maßnahmen an. Zunächst muss der Auslöser der Anaphylaxie identifiziert werden, damit der Patient den Kontakt künftig meiden kann. Liegt eine Reaktion auf Arzneimittel vor, raten die Autoren im Rahmen der Allergiediagnostik auch zur Provokationstes­tung mit Alternativpräparaten. Essenziell ist außerdem ein Notfallset zur Selbstmedikation. Darin sollten folgende Medikamente enthalten sein:

  • Adrenalinauto­injektor
  • H1-Antihistaminikum
  • Glukokortikoid
  • β2-Sympathomimetikum als Aerosol (bei vorwiegend asthmatischer Symptomatik)

Kortikoid und H1-Antihistaminikum sollten bevorzugt in löslicher Form verschrieben werden. So sind sie im Notfall leichter zu handhaben und wirken bereits über die Mundschleimhaut. Die Dosierung des Autoinjektors richtet sich auch im Notfallset nach dem Körper­gewicht und der Zulassung des Präparats. Sie variiert zwischen 150 und 600 µg. Das Antihistaminikum wird als Flüssigkeit oder (Schmelz-)Tablette verordnet. Die Einnahme von bis zu vier Einzeldosen ist möglich. Bei Dimetindentropfen entspricht die orale Dosis der intravenösen (s. oben). Vom Steroid erhält der Patient 50–100 mg Prednisolonäquivalent, diese können oral (Flüssigkeit, Tablette) oder rektal verabreicht werden. Das β2-Sympathomimetikum gehört ins Notfallset, wenn ein Asthma bekannt ist oder der Patient bereits eine Reaktion mit Bronchokonstriktion gezeigt hat (Dosis zwei Hübe). Falls ein Larynxödem zu erwarten ist, sollte man ein inhalatives Adrenalinpräparat verordnen (Sprühkopf für Arzneimittelfläschchen).

Quelle: Ring J, Faihs V. internistische praxis 2023; 67: 228-240

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