
Anaphylaxie – Nach der Akuttherapie fängt die Arbeit erst an

Sechs Jahre ist die letzte Leitlinie zur Anaphylaxie alt, jetzt gibt es ein Update. „Das Wissen um die Anaphylaxie muss immer wieder verbreitet werden“, erklärte Professor Dr. Dr. Johannes Ring vom Haut- und Laserzentrum an der Oper in München. Es sei wichtig für Mediziner aus jedem Fachbereich.
Unter den Auslösern dominieren bei Kindern Nahrungsmittel, bei Erwachsenen Insekten. Die Reaktion zeigt sich am häufigsten an der Haut, bei 85–90 % der Patienten gibt es dort sichtbare Symptome. In Lebensgefahr geraten Betroffene aber in der Regel erst, wenn Gastrointestinaltrakt, Atmung und Herz/Kreislauf mit reagieren. Was man früher als Prodromi bezeichnete, wertet man heute als subjektive Symptome im Zuge der Anaphylaxie, z.B.:
- Angst
- kalter Schweiß
- Parästhesien (z.B. Kribbeln) an Handflächen, Fußsohlen, im Anogenitalbereich
- Hitzegefühl
- abnormer Geschmack (z.B. Fisch, Metall)
- Flirren vor den Augen, Sehstörungen
- Übelkeit
Zu Augmentationsfaktoren, die eine Anaphylaxie begünstigen, gehören körperliche Belastungen, Infektionen, psychischer Stress, Medikamente (z.B. Betablocker, ACE-Hemmer) und Alkohol. Asthma, Herz- und Schildrüsenkrankheiten sowie die Mastozytose gelten als potenzierende Komorbiditäten. Außerdem sind Männer und ältere Menschen gefährdeter. Die Art der Allergene, das Ausmaß der Sensibilisierung sowie die Höhe des IgE spielen ebenfalls eine Rolle.
Wie die Anaphylaxie zum Tod führen kann
- direkter Effekt am Herzen (kardiogener Schock, Arrhythmie, Infarkt)
- Herzversagen durch Kreislaufschock (Volumen versackt, Mikrozirkulationsstörung)
- Schwellung der oberen Luftwege (Larynxödem)
- akuter schwerer Asthmaanfall mit Bronchokonstriktion
- Allergien (bekannt)
- Medikation
- Patientenvorgeschichte
- Letzte Mahlzeit
- Ereignisse (Augmentationsfaktoren)
Was differenzialdiagnostisch noch in Betracht kommt
- kardiovaskulär: z.B. andere Schockformen, Synkope, Lungenembolie, Spannungspneumothorax
- endokrinologisch: z.B. Karzinoid, Hypoglykämie, Phäochromozytom
- neurologisch/psychiatrisch: z.B. Hyperventilation, Panik-/Angstattacke, dissoziative Störungen, Artefakte (Münchhausen-Syndrom), Epilepsie
- pneumologisch: z.B. Status asthmaticus, Krupp-Anfall, Obstruktion von Trachea oder Bronchien durch Fremdkörper
- dermatologisch: z.B. Urtikaria, hereditäres angioneurotisches Ödem
Keine Evidenz, aber jeder weiß, dass Adrenalin wirkt
Medikamentös stellt Adrenalin den wesentlichen Grundpfeiler der Therapie dar, ergänzt durch Glukokortikoide und Antihistaminika. Diese drei Bestandteile (Adrenalin im Autoinjektor, die anderen beiden Substanzen flüssig) enthält auch das Notfallset, das die Patienten verordnet bekommen. Asthmatikern gibt man evtl. zusätzlich noch ein inhalatives Betamimetikum. Zwar existiert für die Gabe von Adrenalin keine Evidenz, „aber jeder weiß, dass es wirkt“, so Prof. Ring. „Es antagonisiert die Hypovolämie, die Ateminsuffizienz und das Herzversagen, also alles, was bei der Anaphylaxie die Gefahr ausmacht.“ Als Dosierung empfiehlt man aus Erfahrung – in Ermangelung von Studien – nach einem Initialbolus von 300 µg 5–10 µg/kgKG für Erwachsene, 10 µg/kgKG für Kinder. Patienten mit mehr als 100 kg bekommen zu Beginn 500 µg. Insbesondere in der Selbstmedikation ist die i.m.-Gabe der Applikationsweg der Wahl. „Nach der Anaphylaxietherapie fängt die Arbeit aber erst an“, betonte der Dermatologe. Man müsse den Auslöser identifizieren und sich um Hyposensibilisierung und Schulungen für die Patienten kümmern. Leider erhalte nur jeder zehnte Allergiker nach der Notfallversorgung den Rat, sich testen zu lassen. In diesem Punkt besteht nach Ansicht von Prof. Ring dringender Aufklärungs- und Handlungsbedarf.Quelle: Allergologie im Kloster 2020
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