Im OP lauert eine Vielzahl an Auslösern

Dr. Anne Benckendorff

Zu den häufigsten Auslösern perioperativer Reaktionen gehören neuromuskulär blockierende Anästhetika, aber auch Antidots. Zu den häufigsten Auslösern perioperativer Reaktionen gehören neuromuskulär blockierende Anästhetika, aber auch Antidots. © iStock/RapidEye

Bei etwa einem von 6000 bis 20 000 Eingriffen ist mit einer perioperativen Anaphylaxie zu rechnen. Zu den häufigsten Auslösern zählen neuromuskulär blockierende Narkosemittel und Antiseptika. Reaktionen auf Lokalanästhetika dagegen scheinen häufig psychogener Natur zu sein.

Klassischerweise denkt man bei einer Anaphylaxie an die IgE-vermittelte allergische Sofortreaktion. Aber auch unabhängig von dem Isotypen kann es zur Anaphylaxie kommen. So z.B. durch eine pseudoallergische Aktivierung des Komplementwegs, etwa nach der Gabe von Paclitaxel und Eisen (i.v.), oder durch eine G-Protein-vermittelte Reaktion auf Fluorchinolone.

Laut einer Untersuchung mit über 2300 arzneimittelinduzierten Anaphylaxien standen bei 30 % der Teilnehmer Antibiotika als Auslöser fest, häufig bedingt durch Kreuzreaktionen. 38 % der Patienten reagierten auf Analgetika (insbesondere Metamizol, aber auch Ibuprofen, Diclofenac und Salicylsäure). Die Mortalität solcher Reaktionen liegt höher als bei durch Nahrungsmittel oder Insektengift induzierten Anaphylaxien, auch kardiovaskuläre Manifestationen sind häufiger. Wichtig: Es kann zu therapierefraktären Verläufen kommen, bei denen eine zweimalige Adrenalingabe nötig wird. Im perioperativen Setting hat man es mit einem sehr breiten Spektrum an potenziellen Anaphylaxieauslösern zu tun. Neben Antibiotika und Analgetika sind dies Muskelrelaxanzien, Naturlatex, Desinfektionsmittel (u.a. Polyvidonjod), Röntgenkontrastmittel, Opioide, Allgemeinanästhetika (u.a. Propofol, Ketamin, Thiopental), Heparine, Glukokortikoide, Arzneimittelzusatzstoffe (z.B. Polyethylenglykol), Sedativa (z.B. Midazolam), Farbstoffe (Patentblau, Methylenblau), Sterilisationsgase (Ethylenoxid) und Volumenersatzmittel.

Zu den häufigsten Auslösern perioperativer Reaktionen gehören neuromuskulär blockierende Anästhetika (z.B. Succinylcholin, Rocuroniumbromid), aber auch Antidots wie Sugammadex. Anaphylaxien aufgrund von Lokalanästhetika sind dagegen selten. Die Substanzen lassen sich grob in Ester- und Amid-Typ einteilen. Kreuzreaktionen sind nicht nur innerhalb, sondern auch dazwischen möglich und betreffen mitunter Medikamente anderer Einsatzgebiete – bei Ester-Typen z.B. Antidiabetika, Sulfonamide oder Farbstoffe. Oft stecken allerdings eher psychogene Reaktionen hinter einer vermeintlichen Anaphylaxie auf ein Lokalanästhetikum.

Nach Fleisch- bzw. Gelatineallergie fragen!

Beim Alpha-GAL-Syndromhandelt es sich um eine Sensibilisierung auf das Disaccharid Galaktose-Alpha-1,3-Galaktose, das in rotem Fleisch vorkommt und zu einer Fleischallergie führen kann. Das Zuckermolekül ist auch im Speichel von Zecken (u.a. Amblyomma americanum) enthalten. Das Syndrom tritt daher oft infolge eines Stiches auf. Mit Blick auf perioperative Anaphylaxien kann dies relevant werden, weil einige pharmazeutische Substanzen Gelatine enthalten und dann eine Anaphylaxie auslösen können. So zum Beispiel bei einem 70-Jährigen, der während einer blutungsreichen OP (Vorhofseptum) mit einem Hämostyptikum auf Schweinegelatine- Basis versorgt wurde.

Rund jeder zehnte Zwischenfall aufgrund von Chlorhexidin

Besondere Sorgfalt ist bei Kindern geboten: Die bei ihnen geringere Konzentration an Alpha1-Glykoprotein führt zu erhöhten Mengen des freien, ungebundenen Anästhesiemittels im Körper. Die Maximaldosis ist deshalb unbedingt zu beachten, sonst drohen Krampfanfälle und Arrhythmien. Eine bekannte Allergie gegen ein Lokalanästhetikum ist eine absolute Kontraindikation auch von einer antiallergischen Prämedikation wird abgeraten. Chlorhexidin ist für rund jeden zehnten perioperativen Zwischenfall verantwortlich. Allerdings wird das Antiseptikum nicht nur als Mundspülung oder -spray dem Patienten direkt verabreicht. Es findet sich auf beschichteten Venenkathetern und in sterilen Befeuchtungsgels. Kommt es perioperativ zu einer anaphylaktischen Reaktion, sollte nach der Akutbehandlung möglichst der Auslöser identifiziert werden. Diesbezüglich kann das Narkoseprotokoll hilfreich sein, da es Hinweise auf den zeitlichen Ablauf liefern kann. Ein Allergieverdacht sollte im Nachgang – etwa einen bis sechs Monate nach der OP – unbedingt abgeklärt werden, um eine Wiederholung zu vermeiden.

Quelle: Bayerl C. Akt Dermatol 2021; 47: 155-158; DOI: 10.1055/a-1320-4492

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Zu den häufigsten Auslösern perioperativer Reaktionen gehören neuromuskulär blockierende Anästhetika, aber auch Antidots. Zu den häufigsten Auslösern perioperativer Reaktionen gehören neuromuskulär blockierende Anästhetika, aber auch Antidots. © iStock/RapidEye