Risiko schwerer Reaktionen auf Wespen- oder Bienengift steigt mit dem Alter

Dr. Dorothea Ranft

Die Deutsche Wespe fühlt sich hierzulande besonders wohl. Die Deutsche Wespe fühlt sich hierzulande besonders wohl. © fotolia/Hans-Joerg Hellwig

Dieses Jahr schon Wespen gesehen? Die Königinnen sind derzeit unterwegs, um die nächste „Wespenplage“ vorzubereiten. Vor allem ältere sowie besonders stichgefährdete Menschen wie Backwarenverkäufer sollten dagegen gewappnet sein.

Kinder und Jugendliche werden zwar beim Sport und Spiel häufig von Bienen und Wespen gestochen. Aber bei ihnen kommt es dabei nur relativ selten zu schweren anaphylaktischen Reaktionen. Allergische Nebenwirkungen der Immuntherapie treten dagegen ebenso oft auf wie bei Erwachsenen, sind in der Regel aber gut zu beherrschen, schreiben Dr. Johanna­ Stoevesandt­ und Professor Dr. Axel Trautmann vom Allergiezentrum Mainfranken an der Universitätsklinik Würzburg.

Jeder Dreizehnte betroffen

Bis zu 7,5 % der Mitteleuropäer entwickeln mindestens einmal im Leben eine systemische Reaktion auf einen Bienen- oder Wespenstich. Ein Viertel dieser Ereignisse wird als schwer eingeordnet, geht also mit relevanten oder lebensbedrohlichen Symptomen an Herz-Kreislaufsystem und/oder Atemwegen einher. Tödliche Reaktionen sind sehr selten.

Mit Mastozytose immer einen Adrenalin-Pen dabei haben

Ab einer mittelschweren anaphylaktischen Stichreaktion wird eine Immuntherapie empfohlen. Denn dann muss man auch bei Kindern und Jugendlichen vermehrt mit Rezidiven rechnen. Zur Notfalltherapie sollte auch Kindern schon ein Adrenalin-Autoinjektor verordnet werden. Ab einem Körpergewicht von 25 kg können sie die Standarddosis von 300 µg erhalten, zwischen 7,5 und 25 kg genügen 150 µg. Besondere Regeln gelten auch für die Schwangerschaft. Während der Gravidität kommt es zwar nicht zu einer Zunahme schwerer Reaktionen auf Bienen- und Wespengift oder auf die Immuntherapie. Da anaphylaktische Nebenwirkungen meist während der Einleitungs- oder Aufdosierungsphase der Behandlung auftreten, ist das Risiko für ernste Therapie-Zwischenfälle geringer als die Gefahr einer schweren Stichreaktion bei einem vorzeitigen Abbruch der Maßnahme. Eine laufende und gut vertragene Immuntherapie sollte daher in der Schwangerschaft fortgesetzt, aber nicht neu begonnen werden. Auch Berufstätigkeit und Freizeitverhalten können das Risiko für schwere anaphylaktische Stichreaktionen erhöhen. Eine besondere Gefahr besteht bei Tätigkeiten im Freien (z.B. Landwirt, Gärtner, Imker), beim Hantieren mit Nahrungsmitteln (z.B. Verkauf von Obst und Backwaren) und bei Reisen ans Mittelmeer (aggressivere Bienenarten). Kofaktoren wie körperliche Belastung, Alkoholkonsum und die Einnahme von ASS können den Schweregrad der Anaphylaxie steigern oder die Reaktionsschwelle senken. So berichten beim Sport gestochene Patienten mitunter, dass Reaktionen nur auftreten, wenn sie statt zu pausieren weiter joggen. Zentrales Element der Betreuung stichgefährdeter Patienten ist die gezielte Beratung zu Karenz- und Schutzmaßnahmen. Bei deutlich erhöhtem Risiko in Beruf und Freizeit kann eine verlängerte Immuntherapie (> 5 Jahre) sinnvoll sein. Zu den Risikoerkrankungen für schwere anaphylaktische Stichreaktionen zählt die Mastozytose. Hinzu kommt, dass die Immuntherapie mit Bienen- und Wespengift bei betroffenen Patienten schwächer wirkt und häufiger anaphylaktische Nebenwirkungen auslöst. Dennoch gilt die Behandlung auch bei Mastozytose als ausreichend sicher. Schwere Rezidiv-Stichreaktionen werden vor allem nach Beendigung der Therapie beobachtet. Entsprechend wird eine langfristige Fortsetzung der Maßnahme angeraten. Außerdem sollten Mastozytose-Patienten immer einen Adrenalin-Autoinjektor mitführen, auch nach Ende der Immuntherapie.

Risiko schwerer Reaktionen steigt mit dem Alter

Umstritten ist, ob kardiovaskuläre Erkrankungen einen eigenständigen Risikofaktor für schwere anaphylaktische Reaktionen darstellen. Weitgehender Konsens besteht darin, dass die Einnahme von Betablockern und ACE-Hemmern die Sicherheit einer Immuntherapie mit Bienen- oder Wespengift nicht beeinträchtigt. Es besteht also kein Grund, kardiovaskulär erkrankten Insektengift-Allergikern die Immuntherapie vorzuenthalten. Auch die Verordnung eines Adrenalin-Autoinjektors ist unabhängig von Herzleiden und Alter des Patienten möglich. Selbstverständlich muss die kardiale Grunderkrankung optimal behandelt werden. Autoimmun- oder Tumorerkrankungen werden regelmäßig als Kontraindikationen für die Immuntherapie genannt. Aber es gibt bisher keine Hinweise auf eine wechselseitige Beeinflussung von Behandlung und Grunderkrankung. Die aktuelle europäische Leitlinie befürwortet die Immuntherapie mit Bienen- und Wespengift bei Tumorpatienten in stabiler Remission, nicht jedoch bei aktiver oder metastasierter Erkrankung. Auch behandelte und stabil eingestellte Autoimmun­erkrankungen wie die Hashimoto-Thyreoiditis, Typ-1-Diabetes und chronisch entzündliche Darmerkrankungen gelten nicht länger als Kontraindikationen. Nicht zu unterschätzen ist der Risikofaktor Alter. Mit zunehmenden Lebensjahren steigt auch die Wahrscheinlichkeit schwerer, eventuell sogar tödlicher Stichreaktionen. Eine gewisse Zunahme ist schon ab dem 40. Lebensjahr zu beobachten. Als mögliche Ursache nennen die Autoren die höhere kardiovaskuläre Komorbidität. Je nach individuellem Stichrisiko ist eventuell eine verlängerte Immuntherapie sinnvoll.

Quelle: Stoevesandt J, Trautmann A. Akt Dermatol 2019; 45: 24-31

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Die Deutsche Wespe fühlt sich hierzulande besonders wohl. Die Deutsche Wespe fühlt sich hierzulande besonders wohl. © fotolia/Hans-Joerg Hellwig