Endokarditis-Prophylaxe: Wer braucht sie und wann?

Dr. Andrea Wülker Foto: thinkstock

Die Indikation zu einer antibiotischen Prophylaxe vor medizinischen Eingriffen wurde früher recht großzügig gestellt. Aktuelle nationale und internationale Leitlinien empfehlen die Endokarditisprophylaxe nur noch bei Hochrisikopatienten.

Jedes Jahr kommen in Deutschland etwa 6000 Babys mit angeborenem Herzfehler zur Welt. 90 % von ihnen erreichen das Erwachsenenalter und bedürfen meist lebenslanger ärztlicher Betreuung. Wann benötigen diese Kinder eine Endokarditisprophylaxe?

Bakterien besiedeln kardiale Thromben

Eine infektiöse Endokarditis entsteht auf dem Boden einer abakteriellen, thrombotischen Endokarditis. Bei dieser bilden sich Thromben auf vorbestehenden Endokardläsionen. Die Endokardläsionen werden wiederum durch abnorme Blutströmungen hervorgerufen, wie sie bei den meisten angeborenen oder erworbenen Herzfehlern bestehen.

Kommt es nun z.B. bei einem zahnärztlichen Eingriff zu einer Bakteriämie, können die Thromben besiedelt werden, was zu einer infektiösen Endokarditis führt. Genau dies soll durch eine Antibiotikaprophylaxe verhindert werden.

Nutzen gegen Schaden der Prophylaxe abwägen

Allerdings wurde das Prophylaxekonzept nie im Rahmen einer prospektiven, randomisierten und placebokontrollierten Studie untersucht, sondern stützt sich lediglich auf uneinheitliche Expertenmeinungen, tierexperimentelle Daten, Fallberichte und widersprüchliche Beobachtungsstudien, erklärte der in München niedergelassene Kinderkardiologe Dr. Richard Eyermann gegenüber Medical Tribune.

Zwar sei die Prävention der infektiösen Endokarditis zweifellos wichtig, der Nutzen müsse aber gegen die Nachteile einer Antibiotikaprophylaxe abgewogen werden. Zudem seien diejenigen Patienten zu selektieren, die tatsächlich von der Prophylaxe profitieren.

Die wenigsten Patienten brauchen die Antibiotika-Prophylaxe

Nach den aktuellen Leitlinien ist die prophylaktische Gabe von Antibiotika für die meisten Patienten unnötig und sogar mehr schädlich als nützlich, weil die nichtindizierte Antibiotikagabe zu allergischen Reaktionen und gefährlichen Resistenzen führen kann.


Deswegen wird eine medikamentöse Endokarditisprophylaxe nur noch bei Patienten mit erwartungsgemäß schwerem Verlauf einer Endokarditis empfohlen.

Zu den Hochrisikopatienten gehören:

• Patienten mit Klappenersatz (mechanische und biologische Prothesen)


• Patienten mit rekonstruierten Klappen unter Verwendung von alloprothetischem Material in den ersten 6 Monaten nach Op.


• Patienten mit überstandener Endokarditis


• Patienten mit angeborenen Herzfehlern: zyanotische Herzfehler, die nicht oder palliativ mit systemisch-pulmonalem Shunt operiert wurden


• Patienten mit operiertem Herzfehler mit Implantation von Conduits (mit oder ohne Klappe) oder residuellen Defekten, d.h. turbulenter Blutströmung im Bereich des prothetischen Materials


• operativ oder interventionell unter Verwendung von prothetischem Material behandelte Herzfehlerpatienten in den ersten 6 Monaten postoperativ


• herztransplantierte Patienten, die eine kardiale Valvulopathie entwickeln

Diese Patienten sollen vor bestimmten routinemäßigen zahnärztlichen und medizinischen Eingriffen kurzzeitig Antibiotika erhalten. Rein diagnostische Bronchoskopien, Gastroskopien, Kolo­skopien oder Zystoskopien (auch mit Biopsien) sowie Eingriffe am Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt sind keine Indikationen mehr für eine generelle medikamentöse Endokarditisprophylaxe.

Gute Mundhygiene schützt das Herz

Eine besondere Bedeutung kommt Eingriffen im Bereich der Mundhöhle zu, denn die Keimzahl ist hier mit ca. 200 Mio. Keimen pro Milliliter Speichel bzw. Milligramm Plaque sehr hoch und es lassen sich 300 und mehr aerobe und anaerobe Bakterienarten nachweisen.

Deshalb werden alle zahnärztlichen Eingriffe, die zu Bakteriämien führen können, als Risikoprozeduren angesehen. Auch bei HNO-ärztlichen Eingriffen wie der Tonsillektomie und der Adenektomie wird für Risikopatienten eine Antibiotikaprophylaxe empfohlen, erklärte Dr. Eyermann.


Der Kollege wies nachdrücklich darauf hin, wie wichtig eine gute Mundhygiene – also optimale Zahnpflege und solide Zahnsanierung – für Risikopatienten ist. Gesunde Zähne und gesundes Zahnfleisch schützen das Herz bei zahnärztlichen Eingriffen möglicherweise besser vor einer Endokarditis als Antibiotika, so Dr. Eyermann.    

Prozeduren mit Endokarditisprophylaxe
Hochrisikopatienten sollten bei folgenden Maßnahmen eine antibiotische Endokarditisprophylaxe erhalten (Evidenz IIa/C):

Zahnärztliche Risikoprozeduren
• Eingriffe mit Manipulationen am Zahnfleisch
• Eingriffe mit Manipulationen an der periapikalen Zahnregion
• Entnahme von Biopsien
• Eingriffe mit Perforationen der Mundschleimhaut
• Platzierung kieferorthopädischer Bänder

HNO-Risikoeingriffe
• Tonsillektomie
• Adenektomie
• andere Eingriffe mit Inzision der Schleimhaut
• Biopsieentnahme

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