Die Zunge brennt, der Atem stinkt - So sorgen Sie bei Ihren Patienten für ein gutes Mundgefühl

Dr. Anja Braunwarth

Mit dem Zungenbrennen kommt auch der Mundgeruch. Mit dem Zungenbrennen kommt auch der Mundgeruch. © fotolia/bg-pictures

Idiopathisches Zungenbrennen oder unklare Halitosis – beides nichts, was man gerne in der Praxis sieht. Aber es hilft nichts, auch oder gerade diese Patienten brauchen Ihre Zuwendung. Zwei Gastroenterologen haben sich nun der Sache angenommen und fassen das praktische Vorgehen zusammen.

Mit dem Zungenbrennen beschäftigte sich Professor Dr. Thomas Frieling von der Medizinischen Klinik II am HELIOS Klinikum Krefeld. Wie er berichtete, handelt es sich bei diesem „burning mouth syndrome“ (BMS) um ein chronisches Schmerzsyndrom mit einer Prävalenz von 0,7–15 %. Neben dem brennenden, stechenden Gefühl beklagen 60 % der Patienten einen bitteren oder metallischen Geschmack und 63 % eine Xerostomie.

Im Mittel sind die Betroffenen etwa 60 Jahre alt und zu 90 % weiblich. Es gibt keine Assoziation zu anderen Schmerzsyndromen, was laut Prof. Frieling den Verdacht auf eine spezifische, aber leider noch unbekannte Ursache des BMS weckt. Für den Gastroenterologen interessant: Ein Zusamenhang zu oropharyngealem pH oder einem Reflux existiert ebenfalls nicht. Derzeit gelten etwa 90 % der Fälle als idiopathisch, bei den restlichen sekundären Formen (s. Kasten) geht man von einem multifaktoriellen Geschehen aus. 

 

Ursachen für sekundäre Formen des Zungenbrennens

  • Schilddrüsenerkrankung (v.a. Unterfunktion)
  • Diabetes mellitus
  • gastrointestinale Erkrankungen
  • urogenitale Erkrankungen
  • psychische Erkrankungen (Depression, Ängstlichkeit, Hypochondrie)
  • Persönlichkeitsveränderungen
  • Morbus Parkinson
  • Infektionen des Mundraumes (z.B. Candida, Enterobacter, Klebsiella)
  • Medikamente (ACE-Hemmer, AT1-Blocker, Levodopa, Nevirapin)
  • Zahnbehandlungen
  • Vitaminmangel (B1, B2, B6, B12, Folsäure)
  • Mineralienmangel (Zink)
  • Nikotin

Pathophysiologisch liegt meist eine Neuropathie/Axonopathie der kleinen sensorischen Nervenfasern im Mund bzw. des N. trigeminus vor. Das führt u.a. dazu, dass die Schwelle für Temperatur- und Schmerzreize sowie die Dichte epithelialer bzw. subpapillärer Nerven sinkt und Axone degenerieren. Bei 20–30 % der Patienten beruht das BMS auf einer zentralen Neuropathie mit veränderter Reizverarbeitung im Thalamus oder einer Dysregulation der dopaminergen Systems wie beim M. Parkinson. Bei der Hälfte der zentral Erkrankten finden sich erhöhte Scores für Ängstlichkeit und Depression. Gelegentlich gibt es immunologische Ursachen wie Nahrungsmittelallergien oder Autoimmunerkrankungen.

Medikamentöse Therapie wie bei chronischer Neuropathie

Patienten mit BMS stehen unter hohem Leidensdruck. „Da müssen Sie sich als Arzt richtig einbringen“, mahnte der Kollege. Eine generell gültige Therapie existiert nicht, sie muss individuell angepasst werden. Vielen hilft eine kognitive Verhaltenstherapie, medikamentös ähnelt die Behandlung grundsätzlich der bei chronischer Neuropathie. Infrage kommen Benzodiazepine, Antikonvulsiva, Gabapentin, Antidepressiva oder topisches Capsaicin, evtl. ergänzt durch Phytotherapeutika (z.B. Aloe vera, Catuama), Biofeedback und Akupunktur. Im Verlauf von 18 Monaten bringt die Intervention bei 29 % eine Besserung, bei 56 % ändert sich nichts. Im gleichen Zeitraum erleben aber auch ohne jegliches Eingreifen 10 % eine Spontanremission und 26 % eine moderate Besserung, was man laut Prof. Frieling im Hinterkopf haben und den Patienten erklären sollte. „Schlechter Atem ist ein altes Problem“: So leitete Professor Dr. Stephan Hollerbach von der Gastroenterologie am Allgemeinen Krankenhaus (AKH) Celle seinen Vortrag zur Halitosis ein. Denn schon in der Bibel hieß es, dass Kamele mit Ladanum beladen waren, das der Besserung des Atems dient. Die Epidemiologie lässt sich nur schwer erfassen, in den USA spricht man z.B. von 50 %, was Prof. Hollerbach doch etwas hoch gegriffen scheint.

Arzneien als Auslöser der Halitosis oft übersehen

Einer echten Halitosis liegen zu 80–90 % intraorale Ursachen zugrunde. Dazu gehören Zahn(fleisch)-Läsionen, Infektionen, Xerostomie oder Mukosaschäden. Extra­oral kann ein ganzes Spektrum von Krankheiten zu Mundgeruch führen, angefangen bei Sinusitis/Pharyngitis, Atemwegsinfektionen, Diabetes und Nierenversagen bis hin zu GERD, Leberinsuffizienz oder Leukämie. Auch Medikamente – z.B. Antihistaminika, Anticholinergika, Antihypertensiva, Antidepressvia oder Diuretika – zählen zu den potenziellen Auslösern und werden laut dem Gastroenterologen oft vergessen. Schließlich muss man noch an die eingebildeten Formen denken, erklärte der Referent. Ein einfacher Geruchstest des „Nachbarn“ reicht schon, um Menschen mit einer reinen Phobie vor schlechtem Atem zu erkennen. Ansonsten helfen in der Diagnostik Zahnmediziner, HNO-Arzt und Atemluft-Tests weiter. Eventuell müssen dann weitere Abklärungen wie eine Endoskopie erfolgen. Die Therapie richtet sich natürlich nach der Genese, ansonsten lässt sich der Fötor durch Zahnseide, Zungenschaber, Thymolspülungen, Pfefferminz und Zitronensaftspülungen eindämmen. Chemische Substanzen wie Chlorhexidin oder Hexetidin wirken auch, können aber den Geschmack erheblich beeinträchtigen.

Quelle: Kongressbericht, 72. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten

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Mit dem Zungenbrennen kommt auch der Mundgeruch. Mit dem Zungenbrennen kommt auch der Mundgeruch. © fotolia/bg-pictures