Endokarditis: Wann den Darm spiegeln?

Birgit Maronde

Bei einer Koloskopie entdeckt: Karzinom des Colon ascendens. Bei einer Koloskopie entdeckt: Karzinom des Colon ascendens. © links: wikipedia.org/Gilo1969, CC BY-SA 3.0; rechts: wikipedia.org/Doktor silke, CC BY-SA 3.0

Bei Endokarditis-Patienten lohnt es sich, genau auf den Erreger zu schauen. Handelt es sich um einen bestimmten Subtyp, muss nach Neoplasien gesucht werden.

Der 63-jährige Herr K. hat seit drei Tagen Flimmern vor den Augen. Sein Ophthalmologe stellt die Verdachtsdiagnose Chorioretinitis und überweist ihn der Kölner Universitäts-Augenklinik. Dort bringen die Kollegen in Erfahrung, dass Herr K. sich schon seit zwei Wochen abgeschlagen fühlt, unter subfebrilen Temperaturen bis 38 °C und Nachtschweiß leidet. Außerdem hat der Patient innerhalb von drei Monaten etwa 10 kg an Gewicht abgenommen. Ein klarer Fall für die Internisten!


Diese entdecken bei der körperlichen Untersuchung verblassende Splintereinblutungen am dritten und fünften Finger der linken Hand, außerdem fällt ihnen auskultatorisch ein Diastolikum mit punctum maximum über dem zweiten Interkostalraum rechts parasternal auf. Die Entzündungsmarker im Blut sind mäßig erhöht, im Urin finden sich massiv Erythrozyten.

Endokarditis: Auch Rektumkarzinome treten vermehrt auf

Die Echokardiographie zeigt frei flottierende Vegetationen auf der Aortenklappe. In der einzigen abgenommenen Blutkultur lässt sich Streptococcus gallolyticus nachweisen. Herr K. hat ganz klar eine Endokarditis, nach Duke sind ein Hauptkriterium und fünf Nebenkriterien erfüllt (s. Tabelle). Zwar wird der Patient erfolgreich antibiotisch behandelt, doch ausgestanden ist das Ganze für ihn noch lange nicht.


Man weiß, dass eine Bakteriämie bzw. Infektion mit Streptococcus gallolyticus (früher S. bovis Biotyp I) assoziiert ist mit Kolon- und Rektumkarzinomen sowie tubulo-villösen Adenomen, erinnerte Professor Dr. Harald Seifert vom Institut für Medizinische Mikrobio­logie, Immunologie und Hygiene der Universitätsklinik Köln. Den Beleg dafür lieferte eine Metaanalyse von 52 Kasuistiken und 11 Fallserien von Infektionen mit Streptococcus bovis.


Betroffene Patienten, die sich einer Dickdarmuntersuchung unterzogen, hatten zu 60 % ein Kolonadenom oder -karzinom. Differenzierte man nach Erreger-Biotypen, so ging die Biotyp-1-Infektion (heute S. gallolyticus subsp. gallolyticus, s. Kasten) im Vergleich zur Biotyp-2-Infektion mit einem mehr als 7-fach erhöhten Neoplasierisiko einher. Zudem waren Patienten mit infektiöser Endokarditis deutlich häufiger von der Kolonpathologie betroffen als diejenigen mit einer S.-bovis-Infektion in anderer Lokalisation.

Endokarditis als 
Lebensretter?

Möglicherweise erklärt sich die Assoziation zwischen Endokarditis und Kolonadenomen bzw. -karzinomen mit einer besonderen Bindungsaffinität der Erreger an Kollagen I/IV auf Herzklappen und auf der Oberfläche von veränderter Kolonschleimhaut, meinte Prof. Seifert. Seine Forderung: „Patienten, bei denen S. gallolyticus subsp. gallolyticus in der Blutkultur nachgewiesen wird, sollten umgehend einer Kolondiagnostik zugeführt werden.“


Auch bei Herrn K. fand sich bei der Darmspiegelung ein Kolonkarzinom. Er wurde neoadjuvant bestrahlt und kurativ mit End-zu-End-Anastomose operiert. Prof. Seifert: „Die Endokarditis hat ihm das Leben gerettet.“


Quelle: 1. Infektiologie-Update-Seminar, Wiesbaden, 2013

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Bei einer Koloskopie entdeckt: Karzinom des Colon ascendens. Bei einer Koloskopie entdeckt: Karzinom des Colon ascendens. © links: wikipedia.org/Gilo1969, CC BY-SA 3.0; rechts: wikipedia.org/Doktor silke, CC BY-SA 3.0