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Endokrine Chemotherapie im Fokus der Diskussion

Die Effektivität der endokrinen Chemoprävention stehe nicht infrage, erläuterte Prof. Dr. Andrea De Censi, National Hospital E.O. Ospedali Galliera, Genua.1 Ein Problem im klinischen Alltag sei die ungenügende Umsetzung. Insgesamt erhielten nur etwa ein Viertel der infrage kommenden Personen und etwa 40 % derjenigen mit duktalem Carcinom-in-situ (DCIS), dem stärksten Risikofaktor, eine Chemoprävention. Die Hauptgründe seien potenzielle Nebenwirkungen und dass bislang – trotz Halbierung des Risikos – kein positiver Effekt auf die Mortalität nachgewiesen wurde. Dies liege aber an der unzureichenden statistischen Power der Studien.
PRO: Mehr Dosis bringt keinen Vorteil
Eine Option, die Akzeptanz der endokrinen Chemoprävention zu erhöhen, sieht Prof. De Censi darin, niedrigere Konzentrationen einzusetzen. Das Problem: Die Dosierung von zielgerichteten Substanzen basiere auf einem veralteten Modell aus der Zeit der Chemotherapie und sei darauf ausgerichtet, die maximal tolerable Dosierung zu ermitteln. Zielgerichte Therapien wirken jedoch über ein Target: Mehr Dosis bedeute nicht zwingend mehr Wirkung, aber in der Regel mehr Toxizität, sagte der Experte.
Die minimal effektive präventive Dosis müsse anhand randomisierter Studien ermittelt werden. Für Tamoxifen wurde dieser Ansatz bereits vor etwa 20 Jahren angestoßen: Untersuchungen bei Hochrisikopersonen mit DCIS/Hochrisikoläsion (HRL) ergaben, dass 5 mg/Tag Tamoxifen über drei Jahre (sog. Baby-TAM) – möglicherweise auch noch niedrigere Dosen – den bisher eingesetzten 20mg/Tag nicht unterlegen sind. In der placebokontrollierten Phase-3-Studie TAM-01 beispielsweise war nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 5,1 Jahren eine relative Risikoreduktion für ein invasives Mammakarzinom um gut 50 % (HR 0,48; p = 0,024) und für einen kontralateralen Tumor um 76 % (HR 0,24; p = 0,018) zu beobachten. Die Verträglichkeit von Baby-TAM war gut. Die Adhärenz der Patient:innen lag auf Placeboniveau. Das Zehn-Jahres-Update von TAM-01 bestätigte einen „überzeugenden Carry-over-Effekt“, so Prof. De Censi, sehr konsistent auch in den Subgruppen, unter anderem für die DCIS-Patient:innen.
Mittlerweile empfehlen Autor:innen US-amerikanischer Leitlinien sowie die aktuelle St. Gallen-Konsensuskonferenz Baby-TAM als präventive Strategie für Hochrisikopersonen mit DCIS/HRL. Für Prof. De Censi sind die niedrigeren Dosierungen hier der neue Standard in der endokrinen Chemoprävention. Solche Studien laufen auch zu Aromatasehemmern.
Andere Risikofaktoren im Blick
Eine indirekte Evidenz besteht laut Prof. De Censi für Personen mit anderen Risikofaktoren, zum Beispiel positiver Familienanamnese, dichtem Brustgewebe oder deutlichem Übergewicht. Die in der Mammografie sichtbare Abnahme der Dichte des Brustgewebes um ≥ 10 % unter endokriner Chemoprävention sei ein Prädiktor für die Effektivität. Aktuelle Befunde deuten dies auch für niedrige Tamoxifendosierungen an, speziell bei prämenopausalen Patient:innen. Prof. De Censi sprach von vielversprechenden Daten, die der Validierung durch randomisierte kontrollierte Studien bedürfen.
CONTRA: Es gibt zu wenig Evidenz
Nach Ansicht von Prof. Dr. Gareth Evans, The University of Manchester, reicht die Evidenz derzeit nicht aus, um die niedrig dosierte endokrine Chemoprävention für alle Betroffenen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko als Standard zu empfehlen.2 Die Mehrzahl derjenigen im klinischen Alltag, bei denen eine Chemoprävention diskutiert wird, weisen weder ein DCIS noch HRL auf, sondern andere Risikofaktoren. Für Personen mit DCIS/HRL seien die Fallzahlen deutlich kleiner als für die Standarddosierung.
Prof. Evans empfahl 20 mg/Tag Tamoxifen über fünf Jahre weiterhin als Standarddosis für die endokrine Prävention. Treten belastende Nebenwirkungen auf, könne die Dosierung auf 5 mg/Tag reduziert werden. UAE wiesen darauf hin, dass die Therapie wirkt, die Konzentration aber individuell zu hoch ist. Man könne davon ausgehen, dass die Wirksamkeit trotz Dosisreduktion erhalten bleibt und ein Therapieabbruch vermieden wird.
„Mit diesem Vorgehen verhindern wir, dass Patient:innen mit schlechter Verstoffwechslung keine adäquate Chemoprävention erhalten“, betonte Prof. Evans. Derzeit fehle die Evidenz, dass diese „poor metabolizer“ durch 5 mg/Tag Tamoxifen adäquat behandelt sind. Ergänzend wies er darauf hin, dass viele Betroffene die volle Dosis (20 mg/Tag) ausreichend vertragen und keine Reduktion benötigten.
Einig waren sich beide Diskutanten, dass die endokrine Chemoprävention effektiv ist und das Risiko in etwa halbiert. Die Umsetzung im klinischen Alltag müsse deutlich erhöht werden und das Vorgehen bei Ärzt:innen und Patient:innen auf mehr Akzeptanz stoßen.
Quellen:
1. De Censi A. ESMO Breast Cancer Congress 2024; Vortrag: „Is low dose endocrine therapy the new standard for breast cancer chemo prevention? Yes“
2. Evans G. ESMO Breast Cancer Congress 2024; Vortrag: „Is low dose endocrine therapy the new standard for breast cancer chemo prevention? No“
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