Entscheidung für oder gegen eine alloHSCT hängt von vielen Faktoren ab

Josef Gulden

Ob AML-Patient:innen sich für oder gegen eine alloHSCT entscheiden sollten, hängt von vielen Faktoren ab. Ob AML-Patient:innen sich für oder gegen eine alloHSCT entscheiden sollten, hängt von vielen Faktoren ab. © Елена Дигилевич – stock.adobe.com

Die Abwägung zwischen zu erwartender Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens und behandlungsbedingter Mortalität beeinflusst auch heute noch wesentlich die Entscheidungsfindung, wann AML-Erkrankte einer allogenen Stammzelltransplantation zugeführt werden. Aber auch weitere Überlegungen wie die MRD sowie Molekular- und Zytogenetik spielen eine Rolle. Ein Überblick.

Die allogene Stammzelltransplantation war bei der akuten myeloischen Leukämie ganz ursprünglich als letzte verzweifelte Maßnahme in ansonsten aussichtslosen Fällen eingeführt worden. Mit Entdeckung des Graft-versus-Leukemia-Effekts rückte die alloHSCT in der ersten Komplettremission (CR1) als die potenteste antileukämische Therapie vor – mit Ausnahme der akuten Promyelozyten-Leukämie. Wichtigste Kontraindikation ist weiterhin die Toxizität des Verfahrens, die zu erheblicher Morbidität und Mortalität führen kann. In ihrem aktuellen Review beschreiben Kolleg:innen um Dr. ­Susan ­DeWolf, Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, welche Faktoren die Entscheidung für oder gegen eine alloHSCT beeinflussen. 

Minimale Resterkrankung

Das AML-Rezidivrisiko hängt stark davon ab, ob vor der Transplantation noch eine MRD nachweisbar ist. Diese lässt sich dank Molekulargenetik und Immunphänotypisierung inzwischen hochempfindlich messen. In den vergangenen zehn Jahren fanden Forschende heraus, dass ein positiver MRD-Nachweis vor der Transplantation das anschließende Rezidivrisiko erhöht und die Überlebenswahrscheinlichkeit reduziert.

Allerdings werden diese Auswirkungen durch andere Faktoren, vor allem durch Zyto- bzw. Molekulargenetik der Erkrankung moduliert: Zum einen haben Personen mit NPM1-, IDH- oder KRAS-Mutationen bessere Aussichten auf eine MRD-negative CR1 als etwa solche mit RUNX1-, SF3B1- oder TP53-Mutationen. Zum anderen ist etwa ein Viertel aller Patient:innen mit detektierbarer MRD vor Transplantation trotzdem nach drei Jahren noch am Leben. Darüber hinaus könnten Faktoren wie die Art des Konditionierungsprotokolls und des Spenders sowie Erhaltungsstrategien nach Transplantation das Rückfall­risiko beeinflussen.

Zyto- und Molekulargenetik

Das Rezidivrisiko nach allo-SCT hängt darüber hinaus von der genetischen Risikokategorie ab, in die sich die jeweilige Erkrankung einordnen lässt. Betroffene mit intermediärem oder hohem genetischem Risiko profitieren von der Transplantation in CR1; aber auch hier gibt es Details, die von den allgemeinen Empfehlungen abweichen. 

NPM1-Mutationen

NPM1-Mutationen gelten zwar als Niedrigrisikomerkmal, bei dem man auf eine Transplantation verzichten kann. Treten sie aber zusammen mit anderen Veränderungen, etwa FLT3-ITD-Mutationen oder zytogenetischen Hochrisiko-Anomalien, auf, ist eine Transplantation zu empfehlen. Das gilt nicht für das gleichzeitige Vorkommen von NPM1- und ­DNMT3A-Mutationen.

CBF- und CEBPA-Alterationen

Etwa 15 % aller AML-Erkrankungen sind durch Aberrationen im Core-Binding-Factor (CBF) charakterisiert, die generell eine gute Prognose haben und gegen eine alloSCT sprechen. Ausnahmen werden auch hier durch Ko-Mutationen definiert: So würden die Autor:innen Betroffene transplantieren, die neben CBF-Mutationen einen ungünstigen Karyotyp, eine FLT-ITD- oder eine ungünstige KIT-Mutation aufweisen. Ausgenommen ist die CBF-Alteration inv(16) in Kombination mit einer Trisomie 22. Auch Patient:innen mit biallelischen CEBPA-Mutationen sollten nach derzeitigem Stand nicht transplantiert werden.

Weitere Alterationen

Bei ungünstiger genetischer Prognose ist ein Nutzen der alloHSCT zwar nach bisherigem Wissen fraglich, angesichts des Fehlens von Alternativen werden sie aber in aller Regel dennoch transplantiert. 

Es gibt Ausnahmen: TP53-Mutationen etwa gelten als besonders ungünstig. Eine retrospektive Übersicht kommt aber zu dem Schluss, dass eine Subgruppe ohne komplexen Karyotyp oder Deletion 17p nach Transplantation so gut abschneidet wie Patient:innen ohne TP53-Mutation. Möglicherweise ist die TP53-Mutation selbst prognostisch gar nicht so ungünstig, sondern nur ein Surrogatmarker etwa für einen komplexen Karyotyp, einen biallelischen Verlust der TP53-Aktivität oder einen monosomalen Karyotyp.

Nach dem derzeitigen Stand des Wissens, so die Autor:innen, würden sie jede Person mit ungünstiger Zytogenetik, die eine CR1 erreicht hat, zur Transplantation vorschlagen, da das Rezidivrisiko hoch ist und einige ein beachtliches krankheitsfreies Überleben erreichen können.

Fazit

Generell gilt, so die Autor:innen, dass man transplantieren sollte, wenn dadurch eine Hoffnung auf Heilung besteht, und dass man darauf verzichten sollte, wenn eine Heilung ohne Transplantation möglich erscheint.

Neue Therapien

Die Einführung neuer, zielgerichteter Medikamente in den vergangenen Jahren hat bislang die Indikation zur allogenen Transplantation nicht sehr stark beeinflusst. Das gilt für FLT3-Inhibitoren wie Midostaurin ebenso wie für das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Gemtuzumab-Ozogamicin. Die bislang vielversprechendste Option ist der Einsatz des BCL2-Inhibitors Venetoclax in Kombination mit hypomethylierenden Substanzen oder niedrig dosiertem Cytarabin. Die Fähigkeit dieser Therapie, auch bei Patient:innen mit hohem Risiko MRD-negative Komplettremissionen zu induzieren, dürfte die Aussichten einer alloHCT verbessern, auch wenn es dazu bislang keine Langzeitdaten gibt. Die Entscheidung zur Transplantation dürfte bis auf Weiteres auch hier von der Zyto- bzw. Molekulargenetik abhängig gemacht werden.

Quelle:
DeWolf S et al. J Clin Oncol 2023; DOI: 10.1200/JCO.22.02868

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Ob AML-Patient:innen sich für oder gegen eine alloHSCT entscheiden sollten, hängt von vielen Faktoren ab. Ob AML-Patient:innen sich für oder gegen eine alloHSCT entscheiden sollten, hängt von vielen Faktoren ab. © Елена Дигилевич – stock.adobe.com