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Zeitpunkt und Stellenwert der alloHSCT mit intermediärer Prognose

AML-Erkrankte mit intermediärem Risiko sollten frühestmöglich eine Stammzelltransplantation erhalten – diesen Standpunkt vertrat Dr. Jordi Esteve, Hospital Clínic de Barcelona.1 Als Forschende 109 solcher Patient:innen behandelten, erreichten 79,8 % der Betroffenen initial eine CR, insgesamt 73,4 % konnten die geplante HSCT erhalten. Von denjenigen, deren AML sich als refraktär erwies oder nach der ersten CR zurückkehrte, erzielte weniger als die Hälfte eine (erneute) Remission. In einer anderen Erhebung betrug das Fünf-Jahres-OS für Personen mit einer AML intermediären Risikos (ELN 2022) 34 %. Von den Patient:innen bis 60 Jahre lebten noch 44 %, nur 41,3 % waren nach fünf Jahren rezidivfrei. „Ich hoffe, ich habe Sie überzeugt, dass ‚intermediäres Risiko‘ alles andere als eine günstige Kategorie ist“, appellierte der Referent.
Eine frühe Transplantation berge Vorteile für die Behandelten. So erwies sich in der QUANTUM-First-Studie eine alloHSCT in CR1 als stärkster positiver Einflussfaktor auf das OS. Außerdem ließen sich synergistische Effekte mit bestimmten Therapien beobachten. Nach einer alloHSCT verbessere eine Erhaltungstherapie mit FLT3-Inhibitoren wie Sorafenib die Prognose. „Wir können die Hypothese aufstellen, dass Sorafenib die Graft-versus-Leukemia-Reaktion nach allogener Stammzelltransplantation stimulieren kann“, erläuterte Dr. Esteve.
Trete ein Rückfall auf, gestalte es sich bei der FLT3-mutierten AML meist schwierig, eine erneute Remission zu erreichen. In einer Studie zu Gilteritinib erreichte mit dem Wirkstoff nur etwa ein Drittel der Teilnehmer:innen eine erneute CR, 26 % erhielten eine HSCT. Allgemein haben Patient:innen mit intermediärer Prognose (ELN 2022), die nach der ersten Therapie ein Rezidiv entwickeln, eine mediane Lebenserwartung von weniger als zwölf Monaten und ein Langzeit-OS von unter 25 %.
Der Referent bezeichnete Ansätze wie im GEMEMA-Protokoll, die MRD für Therapieentscheidungen heranzuziehen, als „interessant“, sieht aber Probleme. Für viele Subformen gebe es noch keine validierte, standardisierte Strategie, um dieses zu ermitteln. Außerdem warnte er vor falsch-negativen Befunden: „Die Fähigkeit eines MRD-Assessments, alle Rückfälle zu erkennen, ist nicht 100 %.“
Zusammenfassungen der Referenten | |
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Dr. Esteve | Prof. Récher |
Bei der AML mit intermediärer Prognose handelt es sich um eine ungünstige Entität mit hohem Rückfallrisiko. Eine alloHSCT in CR1 könne die Rezidivwahrscheinlichkeit senken und eine Post-Transplantat-Erhaltung mit FLT3-Inhibitoren wirke sich prognostisch günstig aus. Im Falle einer rezidivierten oder refraktären Erkrankung seien die Rescue-Optionen sehr beschränkt und viele Betroffene erreichten dann keine allogene Transplantation mehr. | Onkolog:innen können eine allogene Transplantation bei Personen mit einer AML intermediären Risikos sicher herauszögern, die über einen HLA-kompatiblen Spender verfügen. Dies gelte insbesondere im Falle einer MRD-Negativität. Das Rückfallrisiko bleibe jedoch hoch, und es erfordere eine engmaschige Überwachung, um rechtzeitig eine alloHSCT anzusetzen. Seit den Ergebnissen der ASAP-Studie sei es bei r/r AML nicht mehr obligatorisch, vor der Transplantation durch Salvage-Chemotherapie eine erneute Remission zu erreichen. „Wir haben demzufolge genug Belege, um eine randomisierte klinische Studie mit MRD-negativen Patient:innen vorzuschlagen, die einen passenden Spender haben“, verwies Prof. Récher auf mögliche nächste Schritte. |
Eine andere Sichtweise
Man kann riskieren, eine allogene Transplantation bei einer AML intermediären Risikos aufzuschieben; insbesondere gelte das für MRD-negative Patient:innen, argumentierte hingegen Prof. Dr. Christian Récher, Institut Universitaire du Cancer de Toulouse.2 In der ETAL-1-Studie verglichen Forschende zum Zeitpunkt der ersten vollständigen Remission eine alloHSCT mit einer chemotherapeutischen Konsolidierung. Sie beobachteten keinen signifikanten Unterschied im Zwei-Jahres-Überleben. „Wie erwartet war die nicht-rückfallbedingte Sterblichkeit im Allo-Arm signifikant größer, während die Rückfallrate im Chemotherapie-Arm signifikant höher lag“, fasste der Referent zusammen. Alle Personen, deren Erkrankung trotz Konsolidierung zurückkehrte, wurden transplantiert, entweder direkt oder nach Salvage-Therapie.
Ärzt:innen können Patient:innen transplantieren, sobald ein Rückfall auftritt, ohne notwendigerweise eine intensive Salvage-Chemotherapie durchzuführen, belegten die Ergebnisse der ASAP-Studie. 76 % der Teilnehmenden im Krankheitskontroll-Arm (Watchful Waiting oder niedrig dosierte Chemotherapie) benötigten bis zu einer sequenziellen Konditionierung keine zytoreduktive Behandlung. Median konnte die HSCT nach vier Wochen erfolgen, nach 16 Wochen waren 97 % transplantiert. In der Gruppe, die zuerst eine konventionelle Chemotherapie zur Remissionsinduktion erhielt, dauerte es median doppelt so lange bis zur Transplantation, aber nach 17 Wochen hatten ebenfalls mehr als 90 % der Betroffenen eine HSCT erhalten. Das leukämiefreie Überleben ab Tag 56 und das OS unterschieden sich nicht zwischen den beiden Gruppen. „Die Studie zeigt auch, dass das Risiko, bei einem Rückfall nicht transplantieren zu können, wenn ein Donor in CR1 zur Verfügung steht, sehr begrenzt ist“, ordnete Prof. Récher die Ergebnisse ein. Dies setze voraus, dass man die Erkrankten sorgfältig überwacht und eine Transplantation rasch organisieren kann.
Es stünden heute auch bessere Möglichkeiten der Überwachung zur Verfügung. Indem die GRAALL-Studiengruppe die MRD als Entscheidungskriterium nutzte, ließ sich die Zahl der Transplantationen bei ALL ohne Überlebensnachteil reduzieren. „Ich denke, wir sollten diesem Weg auch für AML-Patient:innen folgen, besonders bei einer Prognose intermediären Risikos“, meinte der Referent. Die GIMEMA-Verantwortlichen schlagen vor, dass Betroffene mit einer solchen AML, die nach der ersten Konsolidierung MRD-negativ werden, kein Allograft erhalten, sondern stattdessen ein Eigenzelltransplantat oder Chemotherapie. Diese Patient:innen hatten ohne alloHSCT ähnliche Aussichten wie MRD-positive Erkrankte nach allogener Transplantation. In Ergebnissen des HOVON-Studienteams unterschieden sich die beiden Formen von HSCT sowie Chemotherapie nicht signifikant bezüglich der Prognose MRD-negativer Teilnehmer:innen.
Quellen:
1. Esteve J. EHA 2023; Session „Timing of transplantation in intermediate risk AML? – Earlier/pro transplant“
2. Récher C. EHA 2023; Session „Timing of transplantation in intermediate risk AML? – Later/No transplant“
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