alloHSCT kann anscheinend manchen Ph+ ALL-Erkrankten erspart werden

EBMT 2023 Dr. Miriam Sonnet

Für eine Stammzelltransplantation bei Ph+ ALL gibt es Für und Wider. Zwei Experten gehen in die Diskussion. Für eine Stammzelltransplantation bei Ph+ ALL gibt es Für und Wider. Zwei Experten gehen in die Diskussion. © Giovanni Cancemi – stock.adobe.com

Das Für und Wider einer Stammzelltransplantation bei Ph+ ALL diskutierten zwei Experten auf dem EBMT Annual Meeting. Beide argumentierten u.a. mit Daten der D-ALBA-Studie. Klar wurde: Neben der HSCT gibt‘s noch mehr.

Prof. Dr. ­Sebastian ­Giebel, Maria Sklodowska-Curie National Institute of Oncology in Gliwice, plädierte in seinem Vortrag dafür, alle ALL-Erkrankten mit Philadelphia-Chromosom (Ph+ ALL) einer Transplantation zuzuführen. Er hob zunächst hervor, dass sich mit der Einführung von Imatinib die Prognose von Personen mit Ph+ ALL „dramatisch“ verbesserte: Während die Substanz zweifellos in der Erstlinie zum Einsatz kommen sollte, sei die Rolle der Chemotherapie und ihrer Intensität weniger klar. 

Um dies zu evaluieren, prüften Kolleg:innen in der GRAAPH-Studie eine Behandlung mit HyperCVAD* plus Imatinib gegenüber einer Chemotherapie mit niedrigerer Intensität plus Imatinib, jeweils gefolgt von einer Konsolidierung und entweder einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (alloHSCT) oder, wenn es keinen Donor gab, einer Erhaltung bzw. autologen Transplantation. „Die Chemotherapie mit reduzierter Intensität war derjenigen mit hoher Intensität nicht unterlegen“, sagte Prof. Giebel. Gleichzeitig sei aber die Prognose der Patient:innen mit alloHSCT wesentlich besser gewesen als die von Personen, die diese nicht bekommen hatten. „Sogar in der Ära der TKI spielt die alloHSCT eine große Rolle“, betonte der Referent. 

Ohne Chemotherapie, sichere alloHSCT

Um ein Rezidiv nach der Transplantation zu vermeiden, sei der Einsatz von TKI – entweder als Erhaltungstherapie oder präemptiv – obligatorisch. Entsprechend einem Positionsstatement der EBMT soll dies entsprechend dem MRD-Status erfolgen.

Die Ergebnisse können durch eine Verringerung der transplantationsbedingten Mortalität verbessert werden. In der D-ALBA-Studie prüften die Autor:innen ein chemotherapiefreies Konditionierungskonzept mit Dasatinib und Steroiden, gefolgt von Blinatumomab. Mehr als ein Drittel der Teilnehmenden erhielt eine alloHSCT in erster kompletter Remission; die nicht-rezidivbedingte Mortalitätsrate betrug lediglich 4 %, so Prof. Giebel. „Wenn wir die Chemotherapie vermeiden, wird die alloHSCT viel sicherer.“

Das Fazit des Referenten: Man solle alle Ph+ ALL-Patient:innen transplantieren, aber unter anderem eine ­autoHSCT in Betracht ziehen (s. Kas­ten). Nicht vergessen werden dürfe die TKI-Erhaltung nach der Transplantation. Und: Man sollte versuchen, eine Chemotherapie während Induktion und Konsolidierung zu vermeiden.

AutoHSCT als Option

In Betracht ziehen müsse man eine autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation (autoHSCT), betonte Prof. Giebel. So wiesen in der GRAAPH-Studie alloHSCT und autoHSCT eine ähnliche Wirksamkeit auf, während Patient:innen ohne HSCT wesentlich schlechter abschnitten. Prof. Giebel und sein Team führten eine Studie durch, in der sie autoHSCT mit alloHSCT (entweder Matched-Sibling-Donor oder nicht gematcht) bei Personen in molekularer kompletter Remission verglichen. Rezidive traten unter Ersterer häufiger auf – allerdings wurde dies durch eine verringerte nicht-rezidivbedingte Mortalität kompensiert. Leukämiefreies- und Gesamtüberleben ähnelten sich in den verschiedenen Gruppen. „Für Patient:innen, die eine komplette molekulare Remission erreichen, könnte die autoHSCT eine Alternative zur alloHSCT darstellen“, so Prof. Giebel.

Prof. Dr. ­Robin ­Foa, Sapienza University, Rom, argumentierte gegen den Einsatz einer Transplantation bei allen Ph+ ALL-Erkrankten. Er bezog sich wie schon sein Vorredner auf die D-ALBA-Studie. Primärer Endpunkt war die Rate des molekularen Ansprechens nach zwei Zyklen Blinatumomab. Anschließend konnten die Zentren entscheiden, welche Post-Konsolidierungsstrategie sie verfolgten. Schon nach der Behandlung mit Dasatinib und Steroiden erreichten 29 % der Teilnehmenden ein molekulares Ansprechen, das sich nach zwei Zyklen Blinatumo­mab auf 60 % verbesserte. Nach dem vierten Zyklus stieg die Rate auf 81 %. Das Update der Daten ergab ein OS und DFS nach vier Jahren von 80 % bzw. 75,5 %. Die Hälfte der Erkrankten hatte dabei nur den TKI plus Blinatumomab (ohne Transplantation) erhalten, betonte der Referent. „Es ist also möglich, die Patient:innen ohne Chemotherapie und ohne Transplantation zu behandeln“, so Prof. ­Foa. 

Von den 29 Personen, die nur einen TKI, aber keine Transplantation oder Chemotherapie erhalten hatten, zeigten 27 (93,1 %) weiterhin ein tiefes molekulares Ansprechen nach der Behandlung mit Dasatinib und Blinatumomab. 28 der 29 Patient:innen blieben in anhaltender kompletter hämatologischer Remission nach einem medianen Follow-up von 48 Monaten. Ein weiteres Ergebnis: Teilnehmende mit kompletter molekularer Remission am Ende der Induktion (vor Blinatumomab) hatten bisher kein Rezidiv erlitten. Zudem erwies sich der Status des IKFZ-Gens als prognostisch. 

Niedrige Toxizität und hohes molekulares Ansprechen

Insgesamt deuten die Vier-Jahres-Daten von D-ALBA darauf hin, dass eine chemotherapiefreie Induktion und Konsolidierung in allen Altersgruppen machbar ist, resümierte Prof. Foa; in der Studie gab es keine Altersbegrenzung. Darüber hinaus gehe die Strategie mit einer sehr niedrigen Toxizität und mit hohen Raten des molekularen Ansprechens und OS einher. Eine alloHSCT sei daher nicht zwingend für alle dafür geeigneten Patient:innen erforderlich. Sie spiele aber für MRD+ Erkrankte eine Rolle.

Als Ausblick berichtete der Referent von der GIMEMA-LAL-2820-Studie, die dieses Vorgehen untermauern soll. Darin erhalten die Ph+ Teilnehmenden entweder Ponatinib plus Blinatumomab oder Imatinib plus Chemotherapie. Ein Crossover in den experimentellen Arm ist vorgesehen für Personen, die MRD+ bleiben. Eine Transplantation wird demnach je nach MRD-Status sowie weiteren genetischen Informationen durchgeführt.

*    Cyclophosphamid, Vincristin, Doxorubicin, Dexamethason

Quellen:
1.    Giebel S. 49th Annual Meeting of the EBMT; W01-2 „Should we transplant all patients with Philadelphia positive ALL? -YES-“
2.    Foa R. 49th Annual Meeting of the EBMT; W01-3 „Should we transplant all patients with Philadelphia positive ALL? -NO-“

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Für eine Stammzelltransplantation bei Ph+ ALL gibt es Für und Wider. Zwei Experten gehen in die Diskussion. Für eine Stammzelltransplantation bei Ph+ ALL gibt es Für und Wider. Zwei Experten gehen in die Diskussion. © Giovanni Cancemi – stock.adobe.com