Erste wiederholte Donorzell-Leukämie

Josef Gulden

Bei Störungen der Nische genügt es u.U. nicht, nur die Stammzellen auszutauschen. Bei Störungen der Nische genügt es u.U. nicht, nur die Stammzellen auszutauschen. © wikipedia/Gille Uwe

Etwa 0,1 % aller Empfänger einer allogenen hämatopoietischen Stammzelltransplantation entwickeln eine Leukämie der Spenderzellen. Die Mechanismen sind im Einzelfall schwer dingfest zu machen. Der erste Bericht einer zweimaligen leukämischen Erkrankung derselben Patientin jeweils nach Transplantation rückt nun die Störung der Empfänger-Mikroumgebung als Ursache in den Vordergrund.

Denkbare Szenarien für die Entstehung einer Leukämie der Spenderzellen nach einer allogenen Stammzelltransplantation (allo-HCT) gibt es viele: Von der Übertragung bis dato unerkannter voll maligner Zellen des Spenders bis hin zum Vorliegen eines leukämogenen Milieus beim Empfänger, das Spenderzellen mit prä­existierenden Mutationen erst in die volle Mali­gnität treibt. Letzterer Mechanismus dürfte hinter dem ersten publizierten Fall einer Patientin stehen, die nach zwei Transplantationen, jeweils von verschiedenen Spendern, beide Male eine myeloide leuk­ämische Erkrankung entwickelte.

Bei einer Patientin im Alter von 60 Jahren wurde zunächst ein myelodysplastisches Syndrom (MDS) mit 3 % Blasten und multi­lineären dysplastischen Veränderungen diagnostiziert, berichtet ein Team um Professor Dr. Ibrahim­ Aldoss­ von der Abteilung für Hämatologie und hämatologische Stammzelltransplantationen an der City of Hope in Duarte. Dieses sprach auf Azacitidin an, eineinhalb Jahre später erhielt die Frau eine Stammzelltransplantation von ihrem HLA-gematchten 54-jährigen Bruder. Ein kompletter Spender-Chimerismus fand sich nach 30 Tagen und bestand auch noch nach einem Jahr. Eine limitierte Graft-versus-Host-Reaktion (GvHD) der Haut war medikamentös gut beherrschbar.

Die „7+3“-Induktion erbrachte stets eine Komplettremission

Wiederum anderthalb Jahre nach dieser ersten Transplantation wurde ein erneutes MDS mit 12 % Blasten und dysplastischen Veränderungen diagnostiziert, das ausweislich der Zytogenetik eindeutig auf Zellen des Bruders zurückging.

Da die Erkrankung unter anderem den Core-Binding Factor aufwies, wurde sie wie eine akute myeloische Leuk­ämie (AML) behandelt. Nach einer „7+3“-Induktion, die eine Komplett­remission bewirkte, erhielt die Patientin eine Konsolidierung mit hoch dosiertem Cytarabin. Im Anschluss erfolgte eine zweite Stammzelltransplantation von einem nicht verwandten, aber voll HLA-gematchten 32-jährigen männlichen Spender. Sie hatte eine milde chronische GvHD mit Beteiligung von Mund und Augen zur Folge.

Fünf Jahre darauf lautete die Diagnose der Frau: AML mit 50 % Blasten. Laut Zytogenetik waren diese männlichen Ursprungs und zeigten in der FISH*-Analyse keinen Core-Binding Factor. 99 % der Knochenmarkszellen stammten von dem zweiten Spender. Eine erneute „7+3“-Induktion erbrachte wieder eine Komplettremission. Nach Konsolidierung mit Decitabin erhielt die Patientin zum dritten Mal eine Transplantation – erneut von einem nicht verwandten, komplett HLA-gematchten Spender – und entwickelte erneut eine transiente kutane GvHD. Zwei Jahre nach der letzten Transplantation ist die Seniorin bislang ohne Rezidiv.

Diese Beobachtung spricht stark dafür, dass eine leukämogene Knochenmark-Mikroumgebung des Stammzellempfängers eine donor-abgeleitete Leukämie hervorrufen kann, schreiben Prof. Aldoss und Kollegen. Den ersten Spender hatten sie hinsichtlich seines Leukämierisikos untersucht, doch sie fanden keine Auffälligkeiten. Auch der zweite, 32-jährige Donor sei gesund gewesen und sein Risiko einer Leukämie-Prädisposition gering. Daher vermuten die Autoren ein leuk­ämogenes Knochenmarkmilieu der Empfängerin als wahrscheinlichstes Szenario in diesem Fall. Dafür spreche zudem die Erstdiagnose MDS.

Konditionierungsregime könnte eine Rolle spielen

Auch aus präklinischen Studien sei bereits bekannt, dass Störungen in der hämatopoietischen Stammzellnische die Entstehung oder Progression einer Leukämie sowie die Entwicklung einer Chemo­therapieresistenz fördern können, erklären Prof. Aldoss und Koautoren in ihrer Publikation. Treffe das auf Patienten ebenfalls zu, so könne es möglicherweise nicht ausreichen, die hämatopoietischen Stammzellen auszutauschen: Denn enthalten die Spenderzellen etwa eine einzelne präleukämische Mutation, könnte das im Empfängerknochenmark zu einer kompletten malignen Transformation führen.

Zudem könnten Alkylanzien bei der Konditionierung (hier in allen drei Fällen Melphalan) oder eine reduzierte Immunüberwachung, etwa aufgrund einer T-Zell-Depletion oder schweren GvHD, das Risiko einer Donor-Leukämie erhöhen, geben die Autoren zu bedenken. 

* Fluoreszenz in-situ-Hybridisierung

Quelle: Aldoss I et al. Blood Adv 2020; DOI: 10.1182/bloodadvances.2020002803

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Bei Störungen der Nische genügt es u.U. nicht, nur die Stammzellen auszutauschen. Bei Störungen der Nische genügt es u.U. nicht, nur die Stammzellen auszutauschen. © wikipedia/Gille Uwe