Zulassungseinschränkung bei chronischer myelomonozytärer Leukämie infrage gestellt

Josef Gulden

Da es sich bei der CMML um eine sehr seltene Krebserkrankung handelt, ist die Datenlage bisher eher bescheiden. Da es sich bei der CMML um eine sehr seltene Krebserkrankung handelt, ist die Datenlage bisher eher bescheiden. © peterschreiber.media – stock.adobe.com

Da die chronische myelomonozytäre Leukämie nur sehr selten auftritt, basieren die Zulassungen auf kleinen Studien. Eine große retrospektive Kohortenstudie mit fast tausend Patienten lässt nun hypomethylierende Substanzen als die wirksamste Option erscheinen für diejenigen, die sich nicht für eine Stammzelltransplantation eignen.

Die chronische myelomonozytäre Leukämie (CMML) ist eine sehr seltene, aggressive Erkrankung. Es gibt für sie einige verbreitete Behandlungsoptionen, deren Wirksamkeit aber nicht sehr gut belegt ist. Denn bei einer Inzidenzrate von weniger als 0,4 Fällen pro 100 000 Einwohner im Jahr ist es praktisch nicht möglich, randomisierte Studien durchzuführen. Das trifft erst recht für Subgruppen von CMML-Patienten zu, vor allem denen mit myelodysplastischem oder mit myeloproliferativem Typ.

Hintergrund

Schon in der FAB*-Klassifikation aus dem Jahr 1982 wurde die CMML durch eine Monozytenzahl von mindestens 1 x 106/ml vom MDS abgegrenzt. Seit 1994 unterscheidet man myelodysplastische und myelo­proliferative Formen anhand einer Monozytenzahl von weniger bzw. mehr als 13 x 106/ml. Eine allogene Stammzelltransplantation ist der einzige potenziell kurative Therapieansatz bei der CMML, spielt aber angesichts eines medianen Alters von 74 Jahren zum Diagnosezeitpunkt keine große Rolle. Als Medikation sind ausschließlich hypo­methylierende Substanzen zugelassen: in den USA Decitabin und Azacitidin, in Europa nur Azacitidin. Und zwar ausschließlich für myelodysplastische CMML mit mindestens 10 % Blasten im Knochenmark.

* French-American-British

Die Zulassungen von Azacitidin und Decitabin beruhen auf insgesamt drei Phase-3-Studien, in denen überwiegend Patienten mit myelodysplastischem Syndrom (MDS) und daneben lediglich eine Handvoll solcher mit CMML eingeschlossen waren.

Ansprechraten bislang dürftig

Alle anderen Daten stammen aus Anwendungsbeobachtungen mit kleinen bis mittleren Patientenzahlen. Neben hypomethylierenden Substanzen wurden auch bereits Topo­isomerase-Inhibitoren, Cytarabin, Hydroxyurea, Farnesyltransferase-Inhibitoren und Retinsäure-Derivate eingesetzt, die aber nur suboptimale Ansprechraten bei nicht zu vernachlässigender Toxizität zeigten. Um trotz des Mangels an randomisierten Daten wenigstens ein Gespür für die Wirksamkeit der am häufigsten eingesetzten Therapien zu bekommen, werteten Forscher um Dr. Lisa­ Pleyer­, Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Salzburg, retrospektiv Daten aus. Die 949 Patienten waren zwischen Ende 2017 und Anfang 2019 an insgesamt 38 universitären Zentren behandelt worden und hatten entweder Hydroxy­harnstoff (41 %), eine hypomethylierende Substanz (43 %) oder eine intensive Chemotherapie (9 %) erhalten. Nach einem medianen Zeitraum von 23,4 Monaten seit Diagnose bzw. 16,2 Monaten nach Beginn der ersten Therapie betrug die mediane Überlebensdauer unter
  • Hydroxyharnstoff 15,6 Monate,
  • hypomethylierenden Substanzen 20,7 Monate und
  • intensiver Chemo 14,0 Monate.
Die hypomethylierenden Substanzen waren den anderen Strategien signifikant überlegen, sowohl dem Hydroxyharnstoff als auch der Chemotherapie (Hazard Ratio [HR]1,39; p = 0,0002 bzw. HR 1,55; p = 0,0027). Ähnliches galt in der Subgruppe der Patienten mit myeloproliferativer CMML, in der die hypomethylierenden Substanzen ebenfalls überzeugten mit einer medianen Überlebenszeit von 17,6 Monaten versus 12,6 Monaten nach Hydroxyharnstoff und 12,3 Monaten nach intensiver Chemotherapie (HR 1,38; p = 0,0027 bzw. HR 1,44; p = 0,040).

Patienten mit niedrigem Risiko haben keinen Vorteil

Dieser Vorteil der hypomethylierenden Substanzen blieb auch in einer multivariaten Analyse erhalten, in der zusätzlich Faktoren wie Alter, Geschlecht, CPSS*-Score und Thrombozytenzahlen berücksichtigt wurden. Ebenso signifikant überlegen erwiesen sich die hypo­methylierenden Substanzen auch, was die Zeit bis zur nächsten Therapie sowie die Zeit bis zur Progression zu einer akuten myeloischen Leukämie betraf. Keinen Vorteil bezüglich des Überlebens brachten sie CMML-Patienten, deren Risiko als gering eingeschätzt wurde, d.h. bei denjenigen, die an einer myelo­dysplastischen CMML litten und
  • weniger als 10 % Blasten,
  • laut WHO-Klassifikation einen CMML-Subtyp 0 oder
  • einen niedrigen Risiko CPSS-Score aufwiesen.
Diese Daten, obwohl retrospektiv erhoben, bestätigen die bestehende europäische Zulassung für Azacitidin, die für Patienten mit myelodysplastischer CMML und mindestens 10 % Blasten im Knochenmark gilt.

Forscher raten zur Erweiterung für myeloproliferativen Typ

Sie liefern darüber hinaus starke Hinweise auf eine Wirksamkeit auch bei myeloproliferativen Erkrankungen. Die Autoren empfehlen daher, die eingeschränkte Genehmigung zu überdenken. Um für die CMML-Therapie wirklich einen präzisionsmedizinischen Ansatz zu entwickeln, sei sicherlich eine stärkere Differenzierung der Erkrankung anhand von genetischen Markern erforderlich. Die vorliegenden Daten könnten als Basis für weiterführende Studien dienen.

* CMML-specific Prognostic Scoring System

Quelle: Pleyer L et al. Lancet Haematol 2021; 8: e135-e148; DOI: 10.1016/S2352-3026(20)30374-4

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Da es sich bei der CMML um eine sehr seltene Krebserkrankung handelt, ist die Datenlage bisher eher bescheiden. Da es sich bei der CMML um eine sehr seltene Krebserkrankung handelt, ist die Datenlage bisher eher bescheiden. © peterschreiber.media – stock.adobe.com