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AML: Intrazelluläre Azidose blockiert Graft-versus-Leukämie-Effekt
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Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML), die nach allogener Stammzelltransplantation ein Rezidiv erleiden, haben eine sehr schlechte Prognose. Auch die Infusion von Spender-Lymphozyten, die bei anderen Erkrankungen Erfolg versprechend ist, kann sie nicht wesentlich verbessern.
Franziska Uhl von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg berichtete über eine neue Option. In Tierexperimenten und klinischen Untersuchungen konnte eine „metabolische Reprogrammierung“ nachgewiesen werden. Dafür wurde Uhl in der Plenarsitzung bei der EBMT-Jahrestagung mit dem Jon J. van Rood Award ausgezeichnet.
Phänomen trat nur bei rezidivierten Patienten auf
Wie die Doktorandin erklärte, ist eine Reduktion der glykolytischen Aktivität und der Sekretion von γ-Interferon in T-Lymphozyten, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft leukämischer Zellen befinden, ein auffälliger Befund von AML-Patienten. In funktionellen Untersuchungen verschiedener Mausmodelle von menschlichen Leukämien zeigte die Arbeitsgruppe, dass von den Leukämiezellen ausgeschüttete Milchsäure mit der Glykolyse und der oxidativen Phosphorylierung in den T-Zellen der Tiere sowie mit deren Proliferation interferiert. Dadurch wird insbesondere der Graft-versus-Leukämie-Effekt beeinträchtigt, der auch davon abhängt, dass die T-Zellen zahlenmäßig mit den rasch expandierenden Leukämiezellen Schritt halten können.
Diese Effekte wurden bei Patienten im Rezidiv nach allogener Transplantation, nicht jedoch bei solchen mit neu diagnostizierter AML gefunden. Mechanistisch erklärte Uhl es damit, dass die Milchsäure den intrazellulären pH-Wert in den Lymphozyten erniedrigt. Dies führt dazu, dass Enzyme der Glykolyse weniger transkribiert werden und die Aktivität wichtiger metabolischer Kreisläufe nachlässt. Dass dabei metabolische Effekte aktiv sind, belegten Experimente, in denen durch extrazelluläre Zugabe von Salzsäure kein solcher Effekt provoziert werden konnte.
Daraufhin testeten die Wissenschaftler den Effekt einer „metabolischen Reprogrammierung“: Das bedeutet in diesem Kontext die Zugabe von Natriumbikarbonat, um den durch die Milchsäure bedingten Abfall des intrazellulären pH-Werts zu neutralisieren.
Erhöhte Proliferation und Aktivität von T-Zellen
Dadurch normalisierte sich der Energiestoffwechsel der Zellen. Zusätzlich wurde die Milchsäure in den Zitratzyklus eingespeist, was die aerobe Energiegewinnung der Lymphozyten verbesserte. Insgesamt resultierte das in murinen wie in menschlichen T-Lymphozyten in erhöhter Proliferation und anti-leukämischer Aktivität.
Bei AML-Patienten im Rezidiv nach allogener Transplantation erhöhte Natriumbikarbonat ebenfalls die metabolische Fitness sowie die Produktion von γ-Interferon in den T-Zellen. Die Behandlung ist laut der Referentin wenig toxisch und wird häufig z.B. bei einem Tumorlyse-Syndrom angewendet.
Auch bei metastasierten soliden Tumoren konnte bereits die Azidose im Microenvironment der Tumoren umgekehrt werden. Ob dies in der Klinik eine pharmakologische Strategie bieten könnte, die den Graft-versus-Leukämie-Effekt verstärkt und sich günstig auf die Prognose auswirkt, muss in prospektiven klinischen Studien geprüft werden.
Quellen:
Uhl F et al. EBMT Annual Meeting 2021 (virtuell); Jon J. van Rood Award
EBMT Annual Meeting 2021 (virtuell)
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