Enuresis: So bleibt das Bett künftig trocken!

Dr. Andrea Wülker, Foto: thinkstock

Wäscheberge, gestörter Schlaf und Schamgefühle: Wenn Kinder nachts einnässen, leidet oft die ganze Familie. Wie kann man die Enuresis behandeln?

Woran liegt es, wenn ältere Kinder nachts ihr Bett „fluten“? Die Enuresis hat ganz unterschiedliche Ursachen, schreiben der in Stuttgart niedergelassene Urologe Dr. Jörg Seibold und seine Kollegen. Neben einem Mangel an antidiuretischem Hormon kann beispielsweise eine verminderte nächtliche Blasenkapazität, eventuell kombiniert mit einem überaktiven Detrusor, vorliegen.

Enuresis kann auch psychische Ursachen haben

Genetische Faktoren, Schlafstörungen mit erschwerter Weckbarkeit, psychische Ursachen und Verhaltensstörungen scheinen bei der Enuresis nocturna ebenfalls eine Rolle zu spielen. Je nach Alter des Kindes und Schweregrad der Enuresis gehören zur leitliniengerechten Basisdiagnostik vier Komponenten:


1. Die Anamnese:

Seit wann besteht die Enuresis? Gab es eine „trockene Zeit“ oder nässt das Kind schon immer nachts ein? Ist es tagsüber trocken? Hat das Kind weitere Symptome, leidet es immer wieder an Harnwegsinfekten? Und gab es das Enuresis-Problem auch schon bei den Eltern oder anderen Verwandten? Hilfreich ist hier ein vorformulierter Fragebogen, den die Eltern bereits im Wartezimmer ausfüllen können.


2. Das Miktionstagebuch:

Das Miktionstagebuch dokumentiert über mindestens zwei Tage das Trink- und Miktionsverhalten des Kindes. Dr. Seibold gibt seinen kleinen Patienten beziehungsweise den Eltern zu diesem Zweck einen Messbecher und geeignete Protokollbögen mit nach Hause. Ein einfacher Einnässkalender, in den lediglich die nassen und die trockenen Nächte eingetragen werden, reicht in der Diagnostikphase seiner Auffassung nach nicht aus.


3. Die klinische Untersuchung:

Bei der körperlichen Untersuchung muss auch das Genitale untersucht werden. Bei Jungen ist auf Entzündungen im Bereich der Vorhaut zu achten, bei Mädchen auf eine mögliche Labiensynechie. Weisen Flecken in der Unterwäsche darauf hin, dass das Kind auch tagsüber einnässt? Auf Zeichen, die für eine Meningomyelozele hinweisen können – vermehrte Behaarung, Hautveränderungen – ist ebenfalls zu achten.


4. Die Urinanalyse:

Um eine Harnwegsinfektion auszuschließen, empfiehlt sich die Untersuchung des Urinsediments. Falls es Auffälligkeiten zeigt, sollte sich eine Urinkultur anschließen, um eine mögliche asymptomatische Bakteriurie nicht zu übersehen.


Eine erweiterte Diagnostik ist nötig, wenn das Kind keine monosymptomatische Enuresis hat, sondern noch weitere Symptome aufweist, zum Beispiel eine Inkontinenz tagsüber oder eine Drangsymptomatik. In diesen Fällen wird man gezielt weitere Untersuchungen wie Sonographie, Uroflow-Beckenboden-EMG, Miktionszystourethrographie, Zystoskopie und Videourographie etc. veranlassen.

Desmopressin verringert Urinproduktion in der Nacht

Zur medikamentösen Behandlung der primären monosymptomatischen Enuresis stehen neben dem ADH-Analogon Desmopressin auch Anticholinergika und Antimuskarinika zur Verfügung. Am Abend eingenommenes Desmopressin verringert die Urinproduktion in der Nacht, wobei es wichtig ist, den geeigneten Dosierungsbereich zu beachten: 0,2–0,4 mg per os oder 120–240 µg sublingual. Die Eltern müssen sorgfältig darüber informiert werden, wie das Medikament anzuwenden ist.

Mit Klingelgeräten gegen das nächtliche Einnässen

Klingelgeräte, die schon bei einer kleinen ausgeschiedenen Urinmenge Alarm schlagen und das Kind (und die Eltern) wecken, sind eine weitere Option im Kampf gegen das nächtliche Einnässen. Je nach Alter, Größe und Gewicht des Kindes kann das passende Gerät ausgesucht werden: Für kleinere Kinder kommen Klingelhosen mit Schulterriemen infrage, für größere Kinder eignen sich zum Beispiel Klingelmatten, „Pieselpiepser“ oder Klingelgeräte mit Funkübertragung.

Dr. Seibold und seine Kollegen setzen je nach Subtyp der Enuresis Desmopressin oder die Alarmtherapie ein (s. Kasten). Man kann auch eine medikamentöse Behandlung mit einer Alarmtherapie kombinieren, dies bietet sich beispielsweise bei Kindern mit nächtlicher Polyurie und verkleinerter Blasenkapazität an. Die Kombinationstherapie aus Desmopressin plus Alarmgerät bringt bessere Kurzzeitergebnisse und eine geringere Rückfallrate, schreiben die Kollegen. Die Medikation sollte man allmählich ausschleichen – das zeigt bessere Langzeitergebnisse und eine niedrigere Rezidivrate.

Wann welche Enuresis-Therapie?

  1. Normale nächtliche Urinmenge, normale Blasenkapazität: Alarm oder Desmopressin
  2. Kleinere Blasenkapazität: Alarm
  3. Polyurie nachts, normale Blasenkapazität: Desmopressin
  4. Polyurie nachts, verminderte Blasenkapazität: Alarm und Desmopressin

nach Seibol et al.


Quelle: Jörg Seibold et al., Urologe 2013; 52: 9-14

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