
Expertenrat zum Management der schweren CAP

Etwa 40 % aller Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie kommen ins Krankenhaus, 5 % von ihnen müssen auf Intensivstation behandelt werden. In diesen Fällen spricht man von einer schweren ambulant erworbenen Pneumonie (sCAP). Eine eigenständige international gültige Leitlinie für diese Entität gab es bisher nicht. Eine Task Force – bestehend aus 18 europäischen und vier nicht-europäischen Experten – formulierte deshalb zunächst acht Fragen zur Diagnostik und Therapie der sCAP und führte anschließend eine umfangreiche Literaturrecherche zu diesen Fragestellungen durch. Zur Bewertung der Evidenzqualität verwendeten die Experten den GRADE*-Ansatz.
Die neue Leitlinie bezieht sich auf erwachsene sCAP-Patienten und schließt immunsupprimierte Personen (z.B. aufgrund von Kortikosteroiden, Chemotherapie oder HIV) ausdrücklich aus. Das Autorenteam unter Federführung von Dr. Ignacio Martin-Loeches vom St. James’s Hospital in Dublin gibt folgende Empfehlungen:
Multiplex-PCR
Neben Blutuntersuchungen und den Analysen von Proben aus dem Atemtrakt kommen im Rahmen der sCAP-Diagnose zusätzliche mikrobiologische Verfahren wie die Multiplex-PCR infrage. Die Autoren empfehlen, diesen Aufwand zu treiben, wenn Nicht-Standardantibiotika zur Behandlung der sCAP verschrieben oder erwogen werden. Stehen entsprechende Tests zur Verfügung, schlagen die Experten vor, eine Probe aus dem unteren Atemtrakt (Sputum oder endotracheale Aspirate) für Multiplex-PCR-Tests einzureichen und auf Viren und/oder Bakterien untersuchen zu lassen (bedingte Empfehlung, sehr geringe Evidenzqualität).
Procalcitonin als Biomarker
Das Serum-Procalcitonin sollte bei sCAP als Biomarker herangezogen werden. Eine wiederholte Bestimmung kann den Autoren zufolge dabei helfen, die Dauer der antibiotischen Therapie zu verkürzen und andere Outcomes zu verbessern (bedingte Empfehlung, niedrige Evidenzqualität).
Prädiktive Multiresistenz-Scores
Bei der Klärung, ob es sich in einem Fall um multiresistente Erreger handeln könnte und eine entsprechende empirische Antibiotikatherapie angezeigt ist, empfehlen die Autoren eine individuelle Vorgehensweise. Statt allgemeingültiger präventiver Scores sollten spezifische Risikofaktoren auf Basis lokaler epidemiologischer Daten berücksichtigt werden. In die Abwägung einfließen sollte zudem die individuell vorbestehende Kolonisation – sofern es sich nicht um Patienten mit Immunschwäche handelt (bedingte Empfehlung, moderate Evidenzqualität).
Makrolide und Fluorchinolone
Erhält ein sCAP-Patient als empirische Therapie initial ein Betalaktamantibiotikum, kann die zusätzliche Gabe eines weiteren Antibiotikums die Sterblichkeit und ungünstige klinische Folgen reduzieren. Die Autoren schlagen die Kombination mit einem Makrolid vor – nicht aber mit einem Fluorochinolon (bedingte Empfehlung, sehr geringe Evidenzqualität). Das Makrolid sollte über 3–5 Tage gegeben werden.
Oseltamivir bei Influenza
Die Autoren empfehlen, die Standardtherapie von sCAP-Patienten, die eine mittels PCR bestätigte Influenza haben, um Oseltamivir zu erweitern (bedingte Empfehlung, sehr geringe Evidenzqualität). Für den Fall, dass eine PCR zur Bestätigung der Influenza nicht verfügbar ist, schlagen sie während der Influenzasaison den empirischen Einsatz von Oseltamivir vor (bedingte Empfehlung, sehr geringe Evidenzqualität).
Antibiotika bei Aspirationsgefahr
Patienten mit erhöhtem Aspirationsrisiko benötigen keine risikobasierte Therapie, die sich speziell gegen anaerobe Bakterien richtet, denn auch die Standardregimes sind in Teilen gegen Anaerobier wirksam, so die Leitlinienautoren. Deshalb empfehlen sie für diesen Patientenkreis eine traditionelle CAP-Therapie (good-practice-Statement).
Steroideinsatz bei Schock
Bei sCAP-Patienten im Schock plädieren die Leitlinienautoren für den Einsatz von Kortikosteroiden (bedingte Empfehlung, geringe Evidenzqualität). Sie raten zu Methylprednisolon 0,5 mg/kgKG alle zwölf Stunden über fünf Tage. Ausgenommen von der Empfehlung sind Patienten mit viral bedingter sCAP, unkontrolliertem Diabetes und bereits bestehender Kortikosteroidtherapie aus anderen Gründen.
Nicht-invasive Beatmung
Bei hypoxämischen sCAP-Patienten ist zu entscheiden, ob und wie sie zusätzlichen Sauerstoff bekommen. Alternativ zum Tubus bieten sich die nicht-invasive mechanische Beatmung (NIV) und die nasale Gabe von High-Flow-Sauerstoff (high-flow nasal oxygen, HFNO) an. Auf diese Weise lässt sich eine Intubation vermeiden und die Mortalität wird reduziert. Für beide Varianten geben die Experten eine Empfehlung: Bei Patienten mit sCAP und akutem hypoxämischem Atemversagen, die keiner sofortigen Intubation bedürfen, schlagen sie die HFNO-Therapie vor (bedingte Empfehlung, sehr geringe Evidenzqualität). Für bestimmte Patienten mit persistierendem hypoxämischem Atemversagen, die keiner sofortigen Intubation bedürfen, kann unabhängig von einer HFNO-Therapie die nicht-invasive Beatmung eine Option sein (bedingte Empfehlung, niedrige Evidenzqualität).
* Grading of Recommendations, Assessment, Development and Evaluation
Quelle: Martin-Loeches I et al. Eur Respir J 2023; 61: 2200735; DOI: 10.1183/13993003.00735-2022
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).