Gut gerüstet gegen die Pneumonie

Manuela Arand

Wenn hinter einer entzündeten Lunge multiresistente Keime stecken, sind neue Strategien gefragt. Wenn hinter einer entzündeten Lunge multiresistente Keime stecken, sind neue Strategien gefragt. © Science Photo Library/ Marazzi, Dr. P.

Ambulant erworbene Pneumonien radieren binnen zwölf Monaten quasi eine ganze Kleinstadt von der Landkarte. Bei hierzulande mehr als 30.000 Todesopfern pro Jahr ist es Zeit für neue Strategien, ein paar sind in Sicht.

Sorgen bereiten Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie (CAP), die in der Klinik landen. „Die stationäre Letalität beträgt 10–14 % und damit deutlich mehr als beim Myokardinfarkt, und sie ist seit Jahrzehnten unverändert“, sagte Prof. Dr. ­Martin ­Witzenrath, Charité – Universitätsmedizin Berlin. Fortschritte im Kampf gegen diesen Missstand sind aktuell auf mehreren Gebieten zu verzeichnen.

RSV-Impfstoffe

Noch in diesem Jahr dürfte ein erster Vertreter von RSV-Vakzinen auf den deutschen Markt kommen. RSVPreF3 OA (Older Adults) basiert auf dem RSV-Präfusionsprotein F und wurde an fast 25.000 Probanden gegen Placebo geprüft. Eine Impfung reduzierte die Rate schwerer PCR-bestätigter RSV-Infektionen in der aktuell veröffentlichten Phase-3-Studie1 um knapp 95 % und die unterer Atemwegsinfektionen um fast 83 %. Weitere RSV-Impfstoffe sind in der Entwicklung.

Antibiotika

Neues gibt es endlich auch von der Antibiotikafront zu berichten – höchste Zeit angesichts der Ausbreitung multiresistenter Keime, welche Liegezeiten und Behandlungskos­ten erhöhen und jährlich mindes­tens 6.000 Todesfälle verursachen. 27 Anti­biotika befinden sich aktuell in den Pipelines oder wurden kürzlich eingeführt. Das klingt viel, relativiert sich aber angesichts der Tatsache, dass nur sechs von ihnen neuartig genug sind, um Resistenz zu überwinden, und nur zwei zu neuen Wirkstoffklassen gehören, so Prof. Witzenrath. 

Zwei neuartige Antibiotika sind bereits zugelassen

Das ist zum einen der Betalak­tamase-Inhibitor Vaborbactam, der speziell Carbapenemasen hemmt, zusammen mit Meropenem („Vaborem“) verabreicht wird und dessen Wirksamkeit gegen Problemkeime steigert. Zum anderen geht es um Lefamulin, den ersten Vertreter der Pleuromutilin-Antibiotika. Die Substanz blockiert die Protein­synthese und damit die Vermehrung der Bakterien. Vaborem ist seit 2022 zugelassen, Lefamulin bereits seit 2020. Dass sich im Anti­biotikabereich etwas tut, ist Prof. Witzenrath zufolge zwar ein Grund zur Freude. Trotzdem müsse man über­legen, welche Alternativen es gibt.

Bakteriophagen

Eifrig diskutiert wird die Bakterio­phagentherapie, die gut wirksam zu sein scheint. Noch sind allerdings jede Menge Herausforderungen zu meistern, bevor ein Routine­einsatz denkbar wird. Zum einen braucht man eine möglichst schnelle Erreger­diagnostik und entsprechende Bakteriophagenbiobanken. Zum anderen müssen bei der Entwicklung der Therapie Barrieren wie Biofilm und Mukus überwunden und mögliche Inter­aktionen mit dem Immunsystem berücksichtigt werden. Darüber hinaus sind technische und logistische Probleme (Herstellung, Stabilität, Transport) zu bewältigen. Schließlich geht es um rechtliche Aspekte: Phagen werden vermutlich kaum patentierbar sein, für das Zulassungsprozedere derartiger Präparate existiert bislang keine Blaupause. Immerhin geht das Charité-Projekt Phage4Cure im Herbst in die „First-in-Man“-Phase, startet also Sicherheitsprüfungen an Gesunden.

Lysine

Eine andere derzeit erprobte Option sind Lysine, die ihre Wirkung schnell und direkt entfalten. „Gibt man ein solches Lysin auf Bakterien, sehen Sie innerhalb von fünf Minuten nur noch bakterielle Geis­ter“, erzählte der Pneumologe. Im Tiermodell überlebten 100 % der mit Pneumokokken infizierten Mäuse, die Lysin systemisch erhalten hatten, und 80 % bei inhalativer Applikation, aber kein einziges Tier ohne Therapie. Eine Phase-2-Studie an Patienten mit S.-aureus-Bakteri­ämie verlief nicht ganz so beeindruckend, die Res­ponserate bei MRSA betrug jedoch zumindest 74 % (vs. 31 % bei Placebo). Die Phase-3-Studie musste allerdings vorzeitig beendet werden, weil die Interimsanalyse bei reinen MRSA-Patienten keine Effekte gezeigt hatte. Man wird sehen, ob sich das Konzept weiterentwickeln lässt.

Antivirale Therapie

In der antiviralen Therapie erscheint der MEK-Inhibitor Zapnometinib vielversprechend. Dieser Ansatz hat den Charme, dass er nicht nur die virale Replikation unterdrückt. Zusätzlich fördert er die interferon­gestützte antivirale Response und reduziert pro­inflammatorische Zyto­kinsignale, die bekanntermaßen schwere Verläufe induzieren. 

MEK-Inhibitor wirkt bei schwerem COVID-19 

Erste klinische Daten zu hospitalisierten COVID-19-Patienten zeigen eine gute Wirksamkeit vor allem bei schweren, nicht durch Omikron verursachten Infektionen, eine weitere Phase-2-Studie zu Influenza könnte demnächst starten.

Biologika und CFTR-Modulatoren

Schließlich berichtete Prof. Witzenrath über neue Ansätze für die adjunktive Therapie, von denen vor allem die Komplementinhibition und die CFTR-Verstärkung Potenzial zu haben scheinen. Der C5a-Antikörper Vilobelimab hat in einer kleinen klinischen Studie zu ­COVID-19 die 28-Tage-Mortalität um rund ein Viertel gesenkt (absolut fast 10 %). Es steht zu hoffen, dass das auch bei Nicht-COVID-19-Pneumonien funktio­niert. Die aus der Mukoviszidose­therapie bekannten CFTR-Modulatoren werden ebenfalls erprobt. Im Labor hat sich gezeigt, dass sie bakterieninduzierte Endothellecks und daraus resultierende interstitielle Ödeme verhindern können. Bei Mäusen funktioniert das sehr gut, Humandaten gibt es noch nicht.

Quelle: Kongressbericht 63. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin

1. Papi A et al. N Engl J Med 2023; 388: 595-608; doi: 10.1056/NEJMoa2209604

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