Leichte Pneumonie als schwerer Fall

Birgit Maronde

Selten liegt bei Patienten tatsächlich eine Penicillinallergie vor – für eine Abklärung vor der Pneumonietherapie bleibt aber keine Zeit. Selten liegt bei Patienten tatsächlich eine Penicillinallergie vor – für eine Abklärung vor der Pneumonietherapie bleibt aber keine Zeit. © iStock/Dr_Microbe

Die Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie könnte besser laufen. Probleme machen die Heerscharen angeblicher Penicillinallergiker und die Anhänger oraler Cephalosporine.

Orales Amoxicillin gilt als Medikament der Wahl bei ansonsten gesunden Patienten mit nur leichter Lungenentzündung. So steht es auch in der gerade aktualisierten Leitlinie „Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie“.1 Kann es aus welchen Gründen auch immer nicht gegeben werden, bieten sich alternativ Doxycy­clin, die Makrolide Azithromycin und Clarithromycin sowie – eindeutig nachgeordnet – die Fluorchinolone Moxifloxazin und Levofloxacin an. 

Kardiovaskuläre Toxizität beachten

Vor allem bei älteren Patienten und solchen, bei denen Interaktionen mit Komedikamenten zu befürchten sind, sollte man in der Gruppe der Makrolide Azithromycin bevorzugen, sagte Professor Dr. Santiago­ Ewig­ von der Klinik für Pneumologie und Infektiologie der Augusta-Kliniken Bochum. Zudem gehe es mit der niedrigsten kardiovaskulären Toxizität einher.  

Patienten mit leichter ambulant erworbener Pneumonie (community acquired pneumonia, CAP) und definierten stabilen Komorbiditäten (chronische Herzinsuffizienz, ZNS-Erkrankungen, schwere COPD, Bronchiektasen, Bettlägerigkeit, Versorgung mit perkutaner Ernährungssonde) haben eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Infektion mit Staph. aureus, Enterobacteriaceae oder Pseudomonas aeruginosa. Sie sollten daher primär Amoxicillin-Clavulansäure oral bzw. alternativ Moxifloxacin oder Levofloxacin erhalten.

Die Priorisierung von Penicillin bereitet in der Praxis aber Probleme, da sich bis zu 20 % aller Patienten als penicillinallergisch bezeichnen. „Die Patienten wissen gar nicht, was sie sich antun, wenn sie das so dahersagen“,  meinte Professor  Ewig. In der Folge würden sie oft weniger gut wirksame, dafür aber nebenwirkungsträchtigere Antibiotika erhalten. Tatsächlich liegt in maximal 25 % der vermeintlichen Fälle eine Penicillinallergie vor. Meist ist es nach Exposition nur zu einem Arzneimittel­exanthem im Sinne einer leichten Typ-I- oder Typ-IV-Reaktion gekommen. 

Im Zweifel auf alternative Substanzgruppen ausweichen

Überschätzt wird die Häufigkeit von Kreuzallergien: Neueren Daten zufolge kommt es in weniger als 2 % der bestätigten Penicillinallergien auch zu einer Reaktion auf die aktuell bei mittelschwerer und schwerer CAP eingesetzten i.v. Cephalosporine. In weniger als 1 % droht eine Kreuzallergie gegen Carbapeneme. 

Da für die allergologische Abklärung einer vermeintlichen Penicillin­allergie keine Zeit bleibt, wenn eine Pneumonietherapie ansteht, wird man zwar versuchen, die Angabe des Patienten zu hinterfragen, aber im Zweifel doch auf eine alternative Substanzgruppe ausweichen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch die Applikation eines Betalaktam­antibiotikums statthaft: Bei nicht-schweren Typ-IV-Reaktionen in der Vorgeschichte sind unter stationärem Monitoring nicht-kreuzreaktive Cephalosporine oder Carbapeneme, bei nicht-schweren Typ-I-Reaktionen Carbapeneme erlaubt. Bei schweren Reaktionen bleiben alle Betalaktame laut Leitlinie kontraindiziert.

Orale Cephalosporine haben in der Therapie der CAP keinen Platz, auch wenn so mancher Kollege dies immer noch anders zu sehen scheint. Prof. Ewig nannte gleich mehrere Kontra-Argumente:

  1. Orale Cephalosporine werden aufgrund der alten Zulassungsstudien regelhaft unterdosiert.
  2. Sie gelten auch im ambulanten Bereich als Risikofaktor für die Ausbreitung von ESBL.
  3. Orale Cephalosporine sind signifikant mit Therapieversagen und nachfolgender Hospitalisierung assoziiert. Nach CAPNETZ-Daten  ist das Risiko 2,9-fach erhöht.
  4. Sie begünstigen die Selektion von Clostridioides difficile.
  5. Aufgrund potenter Alternativen kann man auf sie verzichten. 

„Es gibt wirklich keinen Grund, sie zu geben“,  betonte Prof. Ewig. Die Realität sehe allerdings anders aus. Orale Cephalosporine würden immer noch „erschreckend häufig“ verordnet.

Vorsicht mit Fluorchinolonen!

Ciprofloxacin hat in der Therapie der CAP aufgrund seiner geringen Pneumokokkenwirksamkeit keinen Platz. Bei den anderen Fluorchinolonen sollte man die Indikation kritisch prüfen. Zu vermeiden ist ihr Einsatz bei Sportlern (Muskel-Sehnen-Problematik), Patienten über 80 Jahre (vor allem bei jenen mit eingeschränkter Hirnleistung), bei gleichzeitiger systemischer Steroidtherapie (erhöhtes Risiko für Sehnenabrisse) und bei Patienten mit Aortenaneurysma. Liegt eine schwere kardiale Komorbidität vor, ist besondere Vorsicht geboten bzw. ein Monitoring erforderlich.

Drei, fünf oder sieben Tage?

Wenn es um die Dauer der antibio­tischen Therapie bei ambulant erworbener Pneumonie geht, spielt die klinische Stabilisierung eine wichtige Rolle, erläuterte der Pneumologe. Bei leichter bis mittelschwerer CAP wird i.d.R. über fünf Tage antibiotisch behandelt. Eine kürzere Therapie bzw. ein Absetzen erscheint jedoch möglich, sofern der Patient seit mindestens zwei Tagen klinisch stabil ist. Eine Antibiotikagabe über sieben Tage sieht die Leitlinie bei schwerer Pneumonie vor. Bevor abgesetzt werden darf, muss der Patient wiederum zwei Tage lang klinisch stabil gewesen sein.

1. S3-Leitlinie Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie, AWMF-Register-Nr. 020-020, awmf.org

Kongressbericht: 52. Bad Reichenhaller Kolloquium (Online-Veranstaltung)

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Selten liegt bei Patienten tatsächlich eine Penicillinallergie vor – für eine Abklärung vor der Pneumonietherapie bleibt aber keine Zeit. Selten liegt bei Patienten tatsächlich eine Penicillinallergie vor – für eine Abklärung vor der Pneumonietherapie bleibt aber keine Zeit. © iStock/Dr_Microbe