Wie eine Frau auf ihren Darm zielte und dabei die Lunge traf

Dr. Dorothea Ranft

Das Abführmittel auf Mineralölbasis war ungewollt in die Lunge gelangt. Das Abführmittel auf Mineralölbasis war ungewollt in die Lunge gelangt. © studiocasper/ gettyimages

Wiederkehrende Atemnot und Husten, dazu in der CT das Crazy-Paving-Zeichen: Eine 63-Jährige gab ihren Ärzten eine harte Nuss zu knacken.  

Eine ältere Frau begab sich wegen schwerer Dyspnoe und Husten ins Krankenhaus. Begonnen hatten die Beschwerden zwei Tage zuvor mit Myalgien und Kurzatmigkeit beim Gehen. Es war nicht das erste Mal, dass diese Symptome der 63-Jährigen zu schaffen machten: Bereits drei Monate zuvor hatte sie wegen ähnlicher Krankheitszeichen eine Notaufnahme aufgesucht. Und vor sieben Monaten war bei ihr eine Pneumonie diagnostiziert und erfolgreich antibiotisch behandelt worden.

Das Röntgenbild zeigte Infiltrate im rechten mittleren und oberen Lungenlappen, berichten Dr. ­Hannah ­Chen vom ­Brigham and ­Women’s Hospital in ­Boston und Kollegen. Die Computertomografie ergab Milchglastrübungen mit verdickten interlobulären Septen, das sogenannte Crazy-Paving-Muster. Dieses war vor allem auf der rechten Seite erkennbar, ebenso wie die begleitende mediastinale und hiläre Lymphadenopathie. Eine Beteiligung von ­SARS-CoV-2 ließ sich via PCR ausschließen. Die Therapie mit einem Glukokortikoid und Azathioprin brachte keine Besserung. Man entschied sich, die Frau stationär aufzunehmen. Aufgrund der fortbestehenden Infiltrate und der persistierenden Atemwegssymptome erfolgte eine endoskopische Untersuchung mittels bronchoalveolärer Lavage (­BAL) und ultraschallgesteuerter Feinnadelpunktion der mediastinalen und hilären Lymphknoten. Die BAL förderte eine purulente Flüssigkeit zutage, und in der Kultur wuchs methicillinempfindlicher Staphylococcus aureus. Eine Antibiotikatherapie brachte die Symptome zum Verschwinden – bis sie zwei Tage später erneut auftraten.

Daraufhin entschlossen sich die Ärzte zu einer erneuten Bronchoskopie. Die Untersuchung des zutage geförderten milchigen Sekrets ergab das Bild einer Lipidpneumonie, ausgelöst durch die chronische Aspiration von fetthaltigem Material.

Nach intensivem Nachfragen konnten die Kollegen ein Abführmittel auf Mineralölbasis als Ursache ausmachen, das ungewollt in die Lunge gelangt war. Ein solches Präparat nahm die Frau seit etwa zehn Jahren ein, zwei- bis dreimal pro Woche etwa drei Esslöffel voll unmittelbar vor dem Zubettgehen. Begünstigt wurde das unbeabsichtigte Einatmen durch eine ösophageale Motilitätsstörung, die sich mittels Breischluckuntersuchung nachweisen ließ.

Die Patientin verzichtete daraufhin auf das Laxans und konnte nach wenigen Tagen aus dem Krankenhaus entlassen werden. Zur Prophylaxe empfahlen ihr die Ärzte, künftig weitere Aspirationsrisiken wie die spätabendliche Nahrungsaufnahme zu vermeiden und mit erhöhtem Kopfteil zu schlafen. In der Kontroll-CT einen Monat später waren die pulmonalen Trübungen zwar noch weitgehend unverändert erkennbar. Aber die Dyspnoe hatte sich deutlich zurückgebildet und die Dame konnte eine Gehstrecke von mehr als 3 km Länge ohne Atemwegsbeschwerden bewältigen.

Aspiriert und inhaliert lösen mineralölhaltige Laxanzien eine chronische Fremdkörperreaktion aus, erläutern Dr. Chen und Kollegen. Der Grund dafür: Sie können phagozytiert, aber nicht metabolisiert werden. Dadurch kommt es beim Absterben der lipidbeladenen Makrophagen zu einer erneuten Freisetzung inklusive granulomatöser Reaktion und Inflammation bis hin zur Fibrose. Die unspezifische Symptomatik erschwert den Nachweis­.

Quelle: Chen HX et al. N Engl J Med 2022; 387: 452-458;  DOI: 10.1056/NEJMcps2203306

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Das Abführmittel auf Mineralölbasis war ungewollt in die Lunge gelangt. Das Abführmittel auf Mineralölbasis war ungewollt in die Lunge gelangt. © studiocasper/ gettyimages