Fallstrick für Senioren: Bei der Betablocker-Wahl erhöhtes Sturzrisiko berücksichtigen

Rein theoretisch könnte die Einnahme von Betablockern durch Bradykardien, vermindertes Herzzeitvolumen, Induktion von Hypotension oder Schwindel das Risiko für Stürze erhöhen. Die Antagonisten wurden auch bereits mit einem erhöhten Sturzrisiko in Zusammenhang gebracht – bisher konnte man anhand der Studienergebnisse jedoch keine eindeutigen Aussagen treffen.
Da die Substanzgruppe alles andere als einheitlich ist, wollten Wissenschaftler um Annelies C. Ham, Department of Internal Medicine, Erasmus MC, Rotterdam, untersuchen, ob es hier möglicherweise Unterschiede gibt. Dazu nutzten sie die Daten aus zwei großen prospektiven Untersuchungen: der laufenden Rotterdam-Studie mit 7662 Personen über 55 Jahre und der B-PROOF-Studie mit 2407 Teilnehmern über 65 Jahre. Beide Untersuchungen umfassten u.a. Sturzereignisse und Medikamentenverschreibungen einschließlich der von Betablockern.
Nicht-selektive Antagonisten erhöhten das Risiko um 22 %
Die niederländischen Autoren unterschieden in ihrer Analyse zwischen selektiven und nicht-selektiven Betablockern, lipophilen und nicht-lipophilen Substanzen, Betablockern mit und ohne intrinsische sympathische Aktivität (ISA) sowie zwischen Patienten mit und ohne CYP2D6*4-Genotyp, der einen schlechten Lebermetabolismus verursacht. Insgesamt berichteten 2917 Teilnehmer über Stürze während der Nachbeobachtungszeit von knapp 90 000 Patientenjahren.
Betrachtete man alle Betablocker zusammen, zeigte sich kein Zusammenhang zwischen der jetzigen oder früheren Einnahme und einem erhöhten Sturzrisiko. Auch für die Gruppe der selektiven Betablocker war dies der Fall. Anders sieht es nach der Gabe von nicht-selektiven Betablockern aus: Die Einnahme erhöhte das Sturzrisiko deutlich (Hazard Ratio 1,22) – der Zusammenhang war allerdings nicht dosisabhängig.
β-Rezeptoren auch in den Gefäßen der Skelettmuskulatur
Für Lipophilie und CYP2D6*4-Genotyp stellten die Wissenschaftler keinen Zusammenhang mit einem erhöhten Sturzrisiko fest. Über Betablocker mit ISA konnten sie außerdem keine Aussage treffen, da zu wenige Patienten Medikamente dieser Substanzklasse einnahmen. Nicht-selektive Betablocker binden nicht nur an β1-, sondern auch an β2- und zum Teil auch α-Rezeptoren. Während β1-Rezeptoren sich vor allem im Herzen befinden, kommen β2-Rezeptoren auch in der Lunge, in den glatten Muskelzellen der Peripherie, in der Leber und in der Skelettmuskulatur vor.
Muskelschwäche durch den Wirkstoff möglich
Damit könnten die unselektiven Antagonisten nicht nur Herzrate und Kontraktilität reduzieren, sondern auch eine periphere Vasokonstriktion, insbesondere von Blutgefäßen, die die Skelettmuskulatur versorgen, auslösen. Gleichzeitig erzielen α- und β-Hemmer potenziell eine Vasodilatation. Theoretisch ist es möglich, dass die Antagonisten sich somit negativ auf die Funktion der Skelettmuskulatur auswirken und dadurch die Sturzneigung erhöhen, schreiben die niederländischen Kollegen. Sie empfehlen, für ältere Patienten bei der Wahl der β-Blocker ein potenziell erhöhtes Sturzrisiko zu berücksichtigen.
Quelle: Aus der Fachliteratur
Quelle: Ham AC et al. Brit J Clin Pharmacol 2017; 83: 2292-2302
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