Finger weg von den Koronarien

Dr. Melanie Söchtig

Bei Angina pectoris scheint vielen der Stent das Nonplusultra. Bevor man dazu greift, sollten aber erst alle medikamentösen Optionen ausgeschöpft werden.
Bei Angina pectoris scheint vielen der Stent das Nonplusultra. Bevor man dazu greift, sollten aber erst alle medikamentösen Optionen ausgeschöpft werden. © iStock/magicmine; Science Photo Library/Zephyr

Aktuellen Studien zufolge profitieren nur wenige Patienten mit stabiler Angina pectoris von einer (alleinigen) Revaskularisierung. Deshalb sollten zunächst medikamentöse Optionen Vorrang haben. Doch wie sieht die optimale Pharmakotherapie aus und wo hat sie ihre Grenzen?

Kardiovaskuläre Ereignisse reduzieren, Symptome lindern, die Lebensqualität verbessern – das sind die wichtigsten Behandlungsziele bei stabiler Angina pectoris. Randomisierte klinische Studien aus den letzten Jahrzehnten, in denen medikamentöse und invasive Ansätze zur Behandlung des chronischen Koronarsyndroms verglichen wurden, haben keinerlei Unterschiede bezüglich Sterblichkeit und Inzidenz von nicht-fatalen Myokardinfarkten offenbart. Daher scheint bei den meisten Patienten zunächst eine optimierte medikamentöse Therapie über drei bis sechs Monate indiziert, bevor später eventuell eine Revaskularisierung folgt, berichten Prof. Dr. William Boden von der Boston University School of Medicine und Kollegen.

Mit nicht-invasiven Untersuchungen beginnen

Zur sekundären Prävention kardiovaskulärer Ereignisse haben sich – in Kombination mit Lebensstiländerungen – folgende krankheitsmodifizierende Therapien bewährt:

  • Acetylsalicylsäure mit oder ohne P2Y12-Inhibitor nach akutem Koronarsyndrom oder perkutaner Koronarintervention (PCI)
  • hochpotente Statine mit oder ohne Ezetimib, wenn die antianginöse Therapie zur Behandlung der obstruktiven koronaren Herzkrankheit versagt hat
  • ACE-Inhibitoren oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker
  • Betablocker nach Herzinfarkt oder bei einer Ejektionsfraktion < 40 % n SGLT-2-Inhibitoren oder GLP-1-Agonisten bei Patienten mit Diabetes
  • Rivaroxaban (2 x 2,5 mg/d) bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit oder peripherer Gefäßerkrankung n PCSK-9-Inhibitoren bei LDL-Cholesterinwerten > 55 mg/dl
  • Icosapent-Ethyl bei Trigyzeridwerten > 150 mg/dl

Auch hinsichtlich Symptomlinderung und Lebensqualität steht eine medikamentöse Therapie der Revaskularisierung meist in nichts nach – außer bei starken Angina-pectoris-Beschwerden. Klagt ein Patient über Symptome in der Brust, wird daher folgendes Vorgehen empfohlen: Bei Verdacht auf einen ischämischen Ursprung sollte zunächst eine nicht-invasive Untersuchung mittels CT-Koronarangiographie erfolgen, um eine Hauptstammstenose oder eine ausgedehnte Dreigefäßerkrankung auszuschließen. Zusätzlich kann eine Echokardiographie sinnvoll sein, um Patienten mit schwerer linksventrikulärer Beeinträchtigung zu identifizieren, für die eine alleinige medikamentöse Behandlung möglicherweise nicht angemessen wäre.

In allen anderen Fällen wird eine antianginöse Therapie mit Betablockern, Kalziumantagonisten und Nitraten (mindestens zwei dieser drei Medikamentenklassen) empfohlen, die in Abständen von ein bis zwei Monaten bis zur optimalen Dosis auftitriert werden sollten. Für die Auswahl der antianginösen Therapie sind neben Begleiterkrankungen, Wechselwirkungen und Patientenpräferenz auch hämodynamische Parameter (z.B. Herzfrequenz, Blutdruck) sowie die zugrunde liegenden Mechanismen zu berücksichtigen.

Das Therapieansprechen sollte monatlich kontrolliert werden

So sollten z.B. bei Patienten, deren Beschwerden überwiegend unter Belastung auftreten, Betablocker, Kalziumantagonisten oder Nitrate eingesetzt werden, sofern ihr Blutdruck normal oder erhöht ist. Für einen Blutdruck unter 100–110 mmHg oder eine Herzfrequenz von weniger als 60 Schlägen pro Minute können hingegen andere Wirkstoffe (z.B. Ranolazin, Ivabradin) die bessere Wahl sein.

Das Therapieansprechen sollte in regelmäßigen Abständen, idealerweise monatlich, beurteilt werden. Bevor man eine medikamentöse Behandlung als gescheitert betrachtet, raten die Autoren, entweder die Dosierung zu erhöhen oder weitere Thera­peutika hinzuzunehmen.

Keine Erfolgsgarantie durch Revaskularisierung

Bestehen die Symptome unter nur einem oder zwei antianginösen Wirkstoffen fort, so gilt dies (insbesondere bei niedriger Dosierung) in der Regel nicht als angemessener Versuch einer Pharmakotherapie. Es gibt allerdings Gründe, die gegen eine Intensivierung sprechen, z.B. inakzeptable Nebenwirkungen oder Unverträglichkeiten.

Abschließend sei erwähnt, dass selbst eine erfolgreiche Revaskularisierung kein Garant für eine dauer­hafte Symptomkontrolle ist. So kommt es nach PCI bei 20–40 % aller­ Patienten innerhalb von sechs bis zwölf Monaten zum Rezidiv. Aktuelle Studien­ergebnisse zeigen, dass eine optimierte Pharmakotherapie bei revaskularisierten Patienten sowohl die 5-Jahres- als auch die 10-Jahres-Mortalität signifikant senkt. Vor diesem Hintergrund erscheint es inakzeptabel, dass derzeit nicht einmal 33 % der infrage kommenden Patienten tatsächlich eine entsprechende medikamentöse Therapie erhalten.

Quelle: Boden WE et al. Lancet 2022; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)02045-6

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Bei Angina pectoris scheint vielen der Stent das Nonplusultra. Bevor man dazu greift, sollten aber erst alle medikamentösen Optionen ausgeschöpft werden.
Bei Angina pectoris scheint vielen der Stent das Nonplusultra. Bevor man dazu greift, sollten aber erst alle medikamentösen Optionen ausgeschöpft werden. © iStock/magicmine; Science Photo Library/Zephyr