Für alte Diabetiker gelten spezielle Schwerpunkte und Therapiekriterien

Dr. Angelika Bischoff

Für alte Diabetiker gelten spezielle Schwerpunkte und Therapiekriterien - das sagt auch die neue S2k-Leitlinie. Für alte Diabetiker gelten spezielle Schwerpunkte und Therapiekriterien - das sagt auch die neue S2k-Leitlinie. © iStock/skynesher

In der Diabetestherapie muss bei Älteren vieles anders laufen. Das sind die neuesten Empfehlungen der fast fertigen S2k-Leitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft.

Für das Update war es höchste Zeit, da die Vorversion zu „Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Alter“ immerhin aus dem Jahr 2004 stammte. Insgesamt hat der Umfang der Leitlinie, die kurz vor der Verabschiedung steht, ohne Literaturverzeichnis von 27 auf 85 Seiten zugenommen, berichtete Alexander­ Friedl­, Geriatrisches Zentrum Stuttgart.

1. Therapieziele neu gewichtet

Für die Patienten steht ganz klar die Lebensqualität vorne, als Zweites Hypoglykämien vermeiden und erst am Ende die Prävention von Folgeschäden. Genau in der umgekehrten Reihenfolge setzen Kollegen häufig die Relevanz dieser Ziele. Deshalb hat die neue Leitlinie die Punkte Lebensqualität und Hypoglykämien an die ersten Stellen gesetzt. Außerdem sollen Wünsche und Bedürfnisse der Patienten aktiv erfragt werden. Dem HbA1c-Wert von Senioren kann man nun weniger Bedeutung beimessen.

2. Funktionellen Status berücksichtigen

Zur individuellen Therapieplanung gehört auch der funktionelle Status. Ist der Patient funktionell unabhängig, leicht oder schwer eingeschränkt oder befindet er sich bereits in der terminalen Lebensphase? Am Lebensende geht es darum, diabetes­assoziierte Krankenhauseinweisungen zu vermeiden. Die Behandung soll auf ein Minimum reduziert werden, um akute Komplikationen zu verhindern und Symptome zu kontrollieren. Optimalerweise misst man den Blutzucker möglichst selten oder verzichtet ganz darauf.

3. Hypoglykämien vermeiden

Das Thema Hypoglykämien nimmt deutlich mehr Raum ein als in der Vorgänger-Leitlinie. Dafür gibt es gute Gründe:

  • (schwere) Hypoglykämien treten im höherem Lebensalter häufiger auf als bei Jüngeren
  • Hypoglykämien sind nun gefährlicher
  • die hormonelle Gegenregulation setzt erst bei niedrigerer Blutglukose ein als in jüngeren Jahren
  • die subjektive Wahrnehmungsschwelle sinkt
  • die zerebrale Funktion kann schon bei einem Glukosewert von 60–70 mg/dl stärker gestört sein als bei einem jüngeren Menschen

Typische Symptome der Hypoglyk­ämie fehlen oft oder sind vermindert. Dafür kommt es zu Gangunsicherheit, Schwindel, Gedächtnis- oder Koordinationsstörungen und verwaschener Sprache, die Beschwerden werden jedoch häufig in einen anderen Kontext gesetzt. Ein besonderes Problem ist, dass mehr als 50 % der schweren Unterzuckerungen während des Nachtschlafs auftreten und somit häufig unbemerkt bleiben.

Unterzucker geht ans Herz

Welche Faktoren erhöhen außer dem Alter das Hypoglyk­ämierisiko? Anders als häufig angenommen, gehört eine gute Glukoseeinstellung nicht dazu. Denn Ältere mit einem HbA1c unter 7 % erleiden seltener Unterzuckerungen als schlechter Eingestellte. Betablocker verdoppeln die Wahrscheinlichkeit. Als besonders stark gefährdet gelten multimorbide Patienten, Personen mit eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion, mit endokrinologischen Erkrankungen, Herzleiden oder kognitiven Einschränkungen.

Durch die Ausschüttung von Katecholaminen steigen während einer Unterzuckerung Blutdruck und Sauerstoffbedarf des Herzens. Auch die Thrombophilie nimmt zu. Entsprechend erhöht sich das Risiko für kardiale Ischämien und Arrhythmien.

4. Sturzrisiko minimieren

Kollegen sollten Medikamente vermeiden, die die bereits erhöhte Sturzgefahr weiter steigern. Auch schwankende Blutzuckerwerte können sich negativ auswirken, indem sie z.B. phasenweise den Visus verschlechtern. Patienten, die sich ausreichend bewegen, fördern ihre körperliche Stabilität.

5. Metformin statt Sulfonylharnstoffe

Für die Medikation gilt als wichtigste Anforderung: Hypoglyk­ämien vermeiden! Als orales Antidiabetikum der ersten Wahl für Ältere empfiehlt die vorläufige Leitlinie Metformin. Es kann bei einer Kreatinin-Clearance über 30 ml/min zum Einsatz kommen – als reduzierte Dosis von maximal 1000 mg. In Situationen, die sich potenziell ungünstig auf die Nierenfunktion auswirken, z.B. Untersuchungen mit Röntgenkontrastmitteln oder fieberhafte Erkrankungen, sollte die Therapie pausiert werden.

Auch DPP4-Inhibitoren bieten für ältere Patienten eine Option. Der Referent erwartet Vorteile im Hinblick auf Therapieadhärenz, Gewichtsneutralität und Hypoglyk­ämierisiko. GLP-1-Analoga kommen ebenfalls in Betracht. Sie sind durch die großen Applikationsintervalle besonders einfach zu handhaben, es besteht keine Unterzuckerungsgefahr.

GLP-1-Analoga bergen Kachexie-Risiko

Sie unterstützen Übergewichtige außerdem beim Abnehmen. Jedoch besteht für manche das Risiko einer Kachexie. Auch SGLT2-Hemmer eignen sich und verursachen keine Hypoglykämien. Darüber hinaus haben sie kardio- und nephroprotektive Effekte. Für alle diese Substanzen gilt: Man muss sich den Patienten genau anschauen und eine individuelle Entscheidung fällen. Von Glibenclamid, anderen Sulfonylharnstoffen oder Gliniden sollte man generell bei älteren Diabetikern absehen. 

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