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Gegen den Strom

Ob ein elektrophysiologisches interventionelles Verfahren noch geboten ist, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Das Patientenalter spielt eine Rolle, ebenso Progredienz und Dauer der Rhythmusstörung, Begleiterkrankungen sowie Machbarkeit und Erfolgschance des Eingriffs im Einzelfall. Und nicht zu vergessen: die Wünsche und Prioritäten des Patienten. Technische Limitationen verlieren bei den meisten Verfahren dagegen dank besserer apparativer Ausstattung und größerer Erfahrung der Interventionalisten zunehmend an Bedeutung.
Ablation von Kammertachykardien
„Es ist wichtig, dass wir uns selbstkritisch auseinandersetzen mit unserem Tun“, sagte Prof. Dr. Gerhard Hindricks, Herzzentrum Leipzig, einleitend. Es könne helfen, sich als Arzt zu fragen, wie man entscheiden würde, wenn jemand aus der eigenen Familie vor einem stünde.
Diskutabel ist die Ablation von Kammertachykardien (VT) bei struktureller Herzerkrankung. In der Regel betrifft das Patienten im höheren Lebensalter mit ischämischer oder nicht-ischämischer Kardiomyopathie infolge einer fortgeschrittenen kardiovaskulären Erkrankung. Diese Patienten bringen meist multiple Begleiterkrankungen mit, häufig eine Herzinsuffizienz (HF) mit stark reduzierter EF. Oft nehmen sie weiter Antiarrhythmika, obwohl sie ihnen nicht helfen. Viele sind bereits in der palliativen Situation angekommen, wo die Therapieziele ganz anders aussehen als bei einem jüngeren, ansonsten gesunden Menschen.
„Die Frage ist: Können wir durch die Ablation die Lebensdauer oder Lebensqualität verbessern oder sogar beides?“, so Prof. Hindricks. Erscheint das unrealistisch, ist der Eingriff vermutlich keine gute Idee. Entscheidend ist dabei die Diskussion mit dem Patienten und seinem Umfeld, welche Therapieziele ihm wichtig sind. Wichtig ist zudem:
- Lässt sich das Ablationsergebnis im Einzelfall vorhersagen?
- Gibt es erwartbare Komplikationen?
- Nonresponder und Patienten mit hohem Komplikationsrisiko möglichst vorab identifizieren.
- Prüfen, welche Alternativen zur Ablation infrage kommen.
Es existieren natürlich Alternativen, sie reichen von „keine spezifische Therapie“ über die Eskalation der medikamentösen Behandlung von Herzinsuffizienz und Arrhythmie bis hin zur Sympathektomie als Ultima Ratio. Künftig kommt wohl noch die transkutane Ablation als Option hinzu, auch wenn deren Ergebnisse vor allem langfristig nicht so überzeugend sind wie anfangs geglaubt.
Vor etwaiger Ablation die Medikation optimieren
Die Möglichkeiten der medikamentösen Eskalation sollten nicht unterschätzt werden. Der ARNI Sacubitril/Valsartan beispielsweise senkt nicht nur das Risiko für Herzinsuffizienzkomplikationen, sondern auch von Rhythmusstörungen und plötzlichem Herztod. Der Leipziger Kollege riet dringend dazu, bei HF-Patienten mit VT die Medikation zu optimieren, bevor man über die Ablation nachdenkt.
Gleichzeitig hielt er eine hohe NYHA-Klasse ebenso wenig für ein Ausschlusskriterium der Intervention wie ein hohes Lebensalter. Schließlich profitieren betagte Patienten und solche mit fortgeschrittener Herzschwäche in hohem Maße von einem erfolgreichen Eingriff. Aber: Bei schwerer Herzinsuffizenz fallen die Ablationsergebnisse schlechter aus. Es kommt häufiger zu periinterventionellen Todesfällen und es treten häufiger Rezidive auf. Frühe Rezidive sind insbesondere bei NYHA IV mit einer signifikant erhöhten Mortalität verbunden. Das muss der Patient wissen, bevor er sich für oder gegen die Ablation entscheidet.
Pulmonalvenenisolation
„Wir stellen die Indikation zur Intervention natürlich nicht großzügiger ohne Grund, sondern weil die Datenlage das hergibt“, betonte Prof. Dr. Daniel Steven, Universitätsklinikum Köln. „Studien wie EAST-AFNET 4 haben die Motivation gesteigert, mehr Patienten einer Rhythmuskontrolle zuzuführen.“ In dieser Studie, an der mehr als 2.500 Patienten mit maximal ein Jahr zurückliegender Vorhofflimmerdiagnose teilnahmen, reduzierte die frühe Rhythmuskontrolle das kardiovaskuläre Komplikations- und Sterberisiko unabhängig von der individuellen Symptomatik um rund 20 %. Ein Viertel der Patienten mit früher Rhythmuskontrolle und 8 % der Kontrollgruppe waren per Ablation therapiert worden.
Eine zweite Studie zur Kryoablation (STOP AF First) bestätigte das gute Abschneiden der Intervention im Vergleich zur medikamentösen Therapie (Rezidivfreiheit nach zwölf Monaten 75 % vs. 45 %). „Wenn man das sieht, möchte man sagen: Die Patienten müssen doch alle abladiert werden, keine Frage“, so Prof. Steven. Tatsächlich hat sich die Zahl der Ablationen in Deutschland im Schnitt alle fünf Jahre verdoppelt auf zuletzt etwa 40.000 in 2020. Der Haken: In den Studien handelte es sich um selektierte Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern (VHF) und ohne relevante Komorbidität. Die meisten VHF-Patienten sehen anders aus.
P-Wellendauer als Maß für arrhythmogenes Substrat
In einer Metaanalyse erwies sich – wenig überraschend – die Erkrankungsdauer als Prädiktor, ob ein Patient erfolgreich abladierbar ist. Je länger die Rhythmusstörung bestand und je stärker der Vorhof fibrosiert war, desto unwahrscheinlicher der Interventionserfolg. Als Maß für das arrhythmogene Substrat kann die P-Wellendauer im Sinusrhythmus herangezogen werden, die laut einer weiteren Studie mit dem Outcome korreliert: Ab 150 msec steigt das Rezidivrisiko nach Pulmonalvenenisolation erheblich.
An Grenzen stößt die Ablation auch bei Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz, erinnerte Prof. Steven. Zwar kann die Intervention harte Endpunkte bei Betroffenen verhindern, wie die CASTLE-HF-Studie eindrucksvoll gezeigt hat. Patienten mit einer Ejektionsfraktion unter 25 % oder NYHA-Klasse III und IV haben aber nicht profitiert.
Dann gibt es noch das Thema Übergewicht. Bekanntlich steigt das VHF-Risiko mit dem BMI. Patienten, denen es dauerhaft gelingt abzunehmen, sind nach Ablation besser dran als diejenigen mit schwankendem, stabilem oder steigendem Gewicht. „In vielen Zentren ist es wahrscheinlich gang und gäbe, keine Grenzen einzuziehen, aber bei einem BMI um 30 oder 40 sind die Rezidivraten enttäuschend hoch, wenn die Patienten es nicht schaffen abzunehmen“, meinte Prof. Steven.
Als „relativ übersichtlich“ bezeichnete der Kollege die Datenlage zur Ablation bei über 80-Jährigen. Zwar scheint die Intervention in dieser Altersgruppe in etwa so effektiv wie bei unter 80-Jährigen, aber das Komplikationsrisiko ist natürlich viel höher als bei jüngeren Patienten.
Für Prof. Steven ergibt sich daraus, dass man die Intervention sehr sorgfältig abwägen sollte, wenn:
- das VHF länger als zwei Jahre besteht.
- der linke Vorhof stark dilatiert ist oder substanzielle Risikofaktoren für ein VHF-Rezidiv vorliegen.
- der Patient schwer herzinsuffizient ist (EF < 25 %, NYHA ≥ 3).
- der Patient nicht willens oder fähig erscheint, bei der Kontrolle von Risikofaktoren mitzuwirken, vor allem der Adipositas.
Kongressbericht: 88. Jahrestagung der DGK
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