Gegen kognitiven Verfall und Verhaltensstörungen

Dr. Dorothea Ranft

Die Therapiemöglichkeiten bei Demenzkranken richten sich nach dem Typ, dem Schweregrad sowie den auftretenden Symptomen. Die Therapiemöglichkeiten bei Demenzkranken richten sich nach dem Typ, dem Schweregrad sowie den auftretenden Symptomen. © 1STunningART – stock.adobe.com

Viele Demenzpatienten und ihre Angehörigen setzen große Hoffnungen in eine medikamentöse Therapie. Doch deren Wirkung ist begrenzt. Die aktualisierte S3-Leit­linie „Demenzen“ beschreibt, was sich mit Antidementiva und Psychopharmaka erreichen lässt. 

Was die Einschätzung des Therapienutzens einzelner Wirkstoffe angeht, sind sich die an der Leitlinie beteiligten Fachgesellschaften nicht immer einig. So empfehlen die Leit­linienautoren von DGN* und ­DGPPN** für Patienten mit leichter bis mittelschwerer Alzheimerdemenz eine Behandlung mit Cholineste­­r­asehemmern. Ihre Begründung ist, dass diese ­Studien zufolge Kogni­tion und Alltagskompetenz verbessern kann. Die ­DEGAM gibt in ihrem Sonder­votum zu bedenken, dass der Nutzen dieser Medikation nur marginal sei und relevante Nebenwirkungen aufträten. Die Haus­ärzte plädieren deshalb für einen abgeschwächten Empfehlungsgrad, also eine Kann-Indikation. Außerdem sollten Betroffene und/oder Angehörige vorab darüber informiert werden, dass eine Therapiekontrolle und eventuell auch ein Absetzen erforderlich ist. 

Für die Indikation leichte bis mittelschwere Alzheimerdemenz zuge­lassen sind drei Cholinesterasehemmer: Donepezil, Galantamin und Rivastigmin. Zur Optimierung des Effekts sollte möglichst die höchste Dosis eingesetzt werden. Mangels relevanter Unterschiede in der Wirkung richtet sich die Auswahl primär nach der Verträglichkeit. An unerwünschten Effekten ist mit Übelkeit, Diarrhö, Harninkontinenz, Schlafstörungen und erhöhter Reizbarkeit zu rechnen. Diese dosisabhängigen Erscheinungen treten in der Regel nur vorübergehend auf, können aber im Einzelfall zum Abbruch der Therapie zwingen, eventuell hilft auch schon ein Wechsel der Substanz. 

Memantin, ein NMDA(N-Methyl-D-Aspartat)-Antagonist, sollte wegen des fehlenden Einflusses auf Kognition und Alltagsfähigkeiten bei leichter Demenz nicht verordnet werden. Die Leitlinienautoren befürworten aber den Einsatz zur Therapie bei der moderaten bis schweren Alzheimererkrankung, was auch der Zulassung entspricht. In dieser Indikation kann Memantin Kognition und Alltagsfähigkeiten verbessern. Auch spricht sich die DEGAM für eine Abschwächung des Empfehlungsgrades im Sinne eines Kann-Einsatzes aus. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis erlaube kein positiveres Votum. 

In schweren Fällen Donepezil oder Rivastigmin off label

Zur symptomatischen Therapie der schweren Alzheimerdemenz können off label auch Donepezil oder Rivastigmin angewendet werden, allerdings ist der erzielbare Effekt eher gering bis moderat. Keinen Platz im therapeutischen Repertoire sehen die Leitlinienautoren für die Kombination von Cholinesterasehemmern mit Memantin. Diese wirke nicht stärker als eine Monotherapie, habe aber mehr Nebenwirkungen. 

Noch unklar ist die optimale Dauer der Pharmakotherapie bei der Alzheimerdemenz. In der Leitlinie wird für eine langfristige Anwendung der Cholinesteraseinhibitoren plädiert, auch wenn sich das Beschwerdebild verschlimmert. Die DEGAM gibt in ihrem Sondervotum zu bedenken, dass diese Wirkstoffe nur für die leichte bis mittelschwere Demenz zugelassen sind, die Weiterverordnung im schweren Stadium also off label erfolgt. 

Die Autoren der Leitlinie sehen in dem Spezialextrakt Ginkgo biloba EGb 761 in einer Tagesdosis von 240 mg/d eine Option für Patienten mit leichter bis mittelgradiger Alzheimer- oder vaskulärer ­Demenz. Voraussetzung ist, dass keine psychotischen Symptome vorliegen. Ein Nutzen hinsichtlich Alltagsfunktionen und Kognition sei in Studien gezeigt worden. Relevante Nebenwirkungen hätten sich dabei nicht ergeben, auch keine Hinweise auf ein eventuell erhöhtes Blutungsrisiko. 

Bei der leichten kognitiven Störung empfehlen die Autoren keine Behandlung mit Cholinesterasehemmern oder anderen Pharmaka. Bisher sei kein Nutzen belegt, wohl aber ein Risiko für Nebenwirkungen. Diese Einschätzung gelte auch für Patienten mit Biomarkern für die Alzheimerkrankheit. 

Die meisten Demenzpatienten entwickeln im Verlauf psychische Symptome und Verhaltensstörungen. Diese können die Betroffenen und ihr Umfeld erheblich belasten, sollten aber primär möglichst nicht-medikamentös mit körperlichem Training, Bewegungs-, Tanz- oder Musiktherapie angegangen werden. 

Psychopharmaka kommen in Betracht, wenn andere Interventionen nicht (mehr) wirken oder nicht einsetzbar sind. Die Wirkstoffe sollten keine anticholinergen Nebenwirkungen aufweisen. Zur medikamentösen Behandlung bei Depression empfiehlt die Leitlinie Mirtazapin oder Sertralin. Wenn Patienten mit psychotischen Symptomen einer medikamentösen Behandlung bedürfen, ist Risperidon das Mittel der ersten Wahl, in der Zweitlinie kann Haloperidol gegeben werden – jeweils zeitlich begrenzt und in möglichst niedriger Dosis. 

Vorsicht mit Neuroleptika bei Parkinsonpatienten 

Gegen psychotische Symptome bei Lewy-Körper-Demenz oder M. Parkinson eignet sich Clozapin. ­Allerdings ist vorab zu prüfen, ob bereits eine Reduktion der spezifischen Parkinsonmedikation die Symptome bessert. Außerdem entwickeln Patienten mit ­Lewy-Körper- oder Parkinsondemenz unter Neuroleptika besonders häufig motorische Nebenwirkungen bis hin zur akinetischen Krise. Aus diesem Grund sind die ­typischen und die meisten atypischen Antipsychotika in dieser Gruppe kontraindiziert. 

Bei einem medikamentös behandlungspflichtigen agitierten oder ­aggressiven Verhalten dementer Patienten wird in der Leitlinie primär auf Risperidon gesetzt, Halo­peridol ist zweite Wahl. Ersatzweise ist Citalopram (off label) eine Option, wobei das kardiale Risiko zu beachten ist. 

Bei allen Neuroleptika empfehlen die Autoren Absetzversuche im Abstand von wenigen Wochen, um die Patienten vor Nebenwirkungen zu schützen. Darunter können die Verhaltensstörungen zwar erneut auftreten, oft ist dies jedoch nicht der Fall. Gegen das häufigste Verhaltenssymptom bei Demenz, die Apathie, wird in der Leitlinie zu einem Versuch mit Methylphenidat (off label) geraten. Bei Schlafstörungen können Melperon und Pipamperon helfen.

* Deutsche Gesellschaft für Neurologie 
** Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde 

Quelle: S3-Leitlinie „Demenzen“, AWMF-Register-Nr. 038-013, www.awmf.org

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Die Therapiemöglichkeiten bei Demenzkranken richten sich nach dem Typ, dem Schweregrad sowie den auftretenden Symptomen. Die Therapiemöglichkeiten bei Demenzkranken richten sich nach dem Typ, dem Schweregrad sowie den auftretenden Symptomen. © 1STunningART – stock.adobe.com