Besonderheiten bei der Demenzbehandlung

Dr. Dorothea Ranft

Ein geriatrisches Assessment sollte bei älteren Demenzkranken regelmäßig erfolgen. Ein geriatrisches Assessment sollte bei älteren Demenzkranken regelmäßig erfolgen. © PETR BABKIN – stock.adobe.com

Bei Patienten mit Demenz stellt auch das Alter an sich eine Herausforderung dar. Oft stellt sich die Frage, welche Maßnahmen sinnvoll sind und welche eher schädlich. Eine aktuell überarbeitete Leitlinie von DGN* und DGPPN** fasst das Wichtigste zusammen.

Außer Frage steht, dass man bei älteren Demenzkranken regelmäßig ein geriatrisches Assessment durchführen sollte, das die verbliebenen Fähigkeiten erfasst. Es gibt Hinweise, dass schon allein diese Maßnahme die Zeitspanne bis zum Einzug in eine Pflegeeinrichtung erheblich verlängert. Auch bei den Begleiterkrankungen gilt es, stets auf dem Laufenden zu bleiben. Schließlich sind bereits im Alter zwischen 65 und 84 Jahren 65 % der Patienten multimorbide (≥ 2 Diagnosen) und danach sogar 85 %. 

Ein weiteres Erfordernis: Die aktuelle Medikation sollte stets erfragt werden, um eine unnötige Polypharmazie, brisante Interaktionen und Nebenwirkungen zu verhindern. Außerdem gilt es, für Senioren ungeeignete Wirkstoffe zu ermitteln, die Gesundheitsstörungen auslösen und die Demenz (Symptome, Verlauf) ungünstig beeinflussen können. Die online zugänglichen Listen mit ungeeigneten Wirkstoffen PRISCUS und FORTA können bei der Einschätzung helfen. 

Wichtig ist ein regelmäßiges Schmerzscreening bei Demenzkranken, die im Heim leben. Bis zu 80 % von ihnen leiden an diesem Sym­­p­tom. Es ist jedoch vor allem im fortgeschrittenen Stadium oft schwer zu erkennen und bleibt deswegen leicht unbemerkt. Bei der häuslichen Pflege können entsprechend geschulte Angehörige wertvolle Hinweise geben. 

Bei schwer dementen Patienten, die sich nicht mehr mitteilen können, stellt sich häufig die Frage, ob eine analgetische Behandlung auch ohne erkennbaren Schmerz erfolgen sollte. Die Autoren der Leitlinie raten davon ausdrücklich ab. In einer placebokontrollierten Studie hatte Paracetamol keinen Einfluss auf die Endpunkte Lebensqualität, Unwohlsein, psychische und Verhaltenssymp­tome und Schmerzen.    

Zur Sturzprophylaxe präferieren die Verfasser körperliches Training. Die Ergebnisse einer Metaanalyse sprechen dafür, dass diese Maßnahme das Unfallrisiko signifikant senkt. Selbstverständlich sollten potenziell ungünstige Medikamente, wenn möglich, vermieden werden. Auch die Polypharmazie spielt hier eine Rolle. In einer Studie erhöhte die Anzahl der eingenommenen Wirkstoffe das Sturzrisiko unabhängig von der Zahl der Erkrankungen. 

Ein besonderes Problem ist die im Alter häufige Dranginkontinenz. Die Betroffenen werden vielfach mit anticholinergen Wirkstoffen behandelt, die die kognitiven Symptome der Demenz verstärken können. Wenn eine solche Therapie erforderlich ist, bevorzugt die Leitlinie Trospium, Darifenacin und Fesoterodin. Denn diese Substanzen zeigten in einer Studienübersicht anders als Oxybutynin und Tolterodin keinen negativen Einfluss auf die mentale Leistungsfähigkeit.

Eine gefährliche Folge vor allem der fortgeschrittenen Demenz sind die Schluckstörungen (Aspiration). Im Verdachtsfall ist eine Dysphagiediagnostik indiziert. Zur Therapie werden Übungen für Kopf, Lippen, Zunge, Wange und Artikulation empfohlen. Eine randomisierte kontrollierte Studie ergab einen positiven Effekt auf Speichelschlucken, orale Diadochokinese und das Sprechen von Silben.   

Umstritten ist die Ernährung über eine Magensonde: Bei Demenzkranken konnte bisher kein güns­tiger Einfluss auf Überlebenszeit, Ernährungsstatus, Lebensqualität, Schmerzen und Verhaltenssymptome belegt werden. Auch die psychische Gesundheit der pflegenden Angehörigen wird nicht verbessert. Deshalb formuliert die Leitlinie klipp und klar, dass Menschen mit fortgeschrittener Demenz nicht über eine PEG ernährt werden sollten. Bei einem leichten bis mittelschweren Befund kann eine Magensonde für einen begrenzten Zeitraum eingesetzt werden, wenn eine Krisensituation mit unzureichender oraler Aufnahme überbrückt werden soll.

* Deutsche Gesellschaft für Geriatrie 
** Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde

Quelle: S3-Leitlinie „Demenzen“, AWMF-Register-Nr. 038-013, www.awmf.org

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