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Genau hinschauen

Seit 2000 geht die Mortalität durch Melanome zurück – und das liegt nicht nur an den neuen Behandlungsoptionen, sondern auch an der früheren Detektion von Läsionen durch Dermatolog:innen, wie Prof. Dr. Iris Zalaudek von der Universität Triest ausführte.1 Daran hat die Dermatoskopie einen wesentlichen Anteil. Durch sie „entdecken wir sehr kleine Melanome von wenigen Millimetern Durchmesser und die Mehrheit im Stadium in situ“, erklärte die Expertin. Doch auch nach der Diagnose spiele das Verfahren eine wichtige Rolle. „Jede:r Patient:in mit einer verdächtigen Veränderung sollte vor komplexen Operationen eine Ganzkörperinspektion der Haut erhalten“, empfahl Prof. Zalaudek.
Die Haut vor Operationen unter die Lupe nehmen
Prof. Zalaudek veranschaulichte die Bedeutung einer Ganzkörperinspektion der Haut vor einer Operation bei Patient:innen mit verdächtigen Veränderungen an einem Beispiel aus der eigenen Praxis: Ein Mann war wegen eines Melanoms unter dem Fingernagel operiert worden. Den Defekt hatte der plastische Chirurg mit einem Stück Haut aus dem Bereich des linken Schlüsselbeins abgedeckt. Purer Zufall und Glück für den Patienten, dass es nicht von der rechten Seite stammte. Denn dort entdeckte die Ärztin im Follow-up ein kleines Basalzellkarzinom, das ansonsten verpflanzt worden wäre.
Läsion dermatoskopisch und histopathologisch prüfen
Standardmäßig gilt es zudem, ein Foto der Läsion anzufertigen. Hier hat Prof. Zalaudek schon deutliche Abweichungen zur histopathologischen Einschätzung erlebt. Zum Beispiel, dass Satellitenmetastasen nicht erfasst worden waren und der Betroffene von Stadium IIA auf IIIB hochgestuft werden musste. Das habe natürlich Einfluss auf die weitere Behandlung, so die Dermatologin – ebenso wie das Risikoassessment. Ein wesentliches Kriterium hierfür ist die Ulzeration. Und auch die werde Studien zufolge häufiger dokumentiert, wenn der Tumor dermatoskopisch und nicht nur histopathologisch begutachtet wurde.
Da Melanomerkrankte nach dem Entfernen der Läsion sowie unter Checkpoint-Blockade weiterhin ein höheres Risiko für sekundäre Tumoren und Rezidive haben, bleibe die regelmäßige Ganzkörperinspektion durch eine:n Dermatolog:in zudem auch später noch von großer Relevanz, betonte die Referentin.
Im Gegensatz dazu gestaltet sich das Erkennen von nicht pigmentiertem Hautkrebs schwieriger. Zwar steigere die Dermatoskopie auch hier die Zahl der korrekten Diagnosen, sagte Prof. Dr. Aimilios Lallas, Aristoteles Universität in Thessaloniki, aber insgesamt werde mit ihr auch nur jeder dritte Tumor richtig identifiziert.2 „Das ist ein Stück weit deprimierend“, gab der Dermatologe zu.
Um schwere Fehldiagnosen zu vermeiden, verwendet er spezielle Algorithmen – einen für nicht pigmentierte noduläre und einen für flache Läsionen. Diese Trennung erfolge, weil sich die Differenzialdiagnosen dieser Krebsformen unterschieden, erklärte der Experte. Bei nodulären Veränderungen gilt es, vier benigne Alternativen klar abzugrenzen: Angiome, unpigmentierte Nävi, die Talgdrüsenhyperplasie und die seborrhoische Keratose. Gelinge dies nicht, sollte man das Ganze entfernen – auch wenn die exakte Diagnose noch ausstehe, so Prof. Lallas. „Manchmal operiert man zwar benigne Läsionen heraus“, so seine Erfahrung. Wie der Arzt betonte, sei es aber nie ein Fehler, einen Knoten zu entfernen, wenn man nicht sicher sei.
Wegweisend im Algorithmus sind die Blutgefäße. Während man bei Angiomen nur Lakunen sehe, beherbergten Nävi dicke, gekrümmte Gefäße. Auch der weiche Eindruck im Zuge der Palpation helfe, den Nävus als solchen einzuordnen. Helle Bereiche im Zentrum und lineare Äderchen an der Peripherie der Läsion seien typisch für eine Talgdrüsenhyperplasie. Erschienen die Gefäße gebogen wie Haarnadeln und gleichmäßig über die betreffende Stelle verteilt, spreche alles für eine seborrhoische Keratose.
Merken könne man sich auch: Verzweigte Gefäße sind ein Zeichen für Basalzellkarzinome, lineare unregelmäßige Gefäße ein Hinweis auf ein malignes Geschehen und amelanotische Melanome weisen häufig eine pinke Farbe auf. Auch rote Knoten mit vielen Gefäßen oder Einblutungen seien hochprädiktiv für Malignität. Doch diese Merkmale seien teilweise unzuverlässig. „Man sollte lieber dem Algorithmus folgen.“
Fehlen Erosionen und Schuppen? Biopsieren!
Bei den flachen Veränderungen entscheide die Präsenz von Ulzerationen und Keratin bzw. Schuppen sowie das Gefäßmuster. Sehe man Erosionen, schaue man als Nächstes auf die Gefäße. Sind sie linear, handele es sich um ein superfizielles Basalzellkarzinom – die häufigste flache nicht pigmentierte Läsion in der Praxis. Ebenfalls häufig: Bowen’s Disease. Sie wird charakterisiert durch fehlende Ulzeration sowie durch Gefäßknäuel und Keratin bzw. Schuppen.
Vorsicht sei geboten, wenn man weder Erosionen noch Schuppen bemerke. Dann handele es sich oft um eine lichenoide Keratose oder ein Melanom. Zwar überlappten die Merkmale der beiden selten, und auf das Melanom könnten auch weiß schimmernde Linien unter Bestrahlung mit polarisierendem Licht hinweisen. Trotzdem empfehle der Algorithmus hier immer eine Biopsie.
Quellen:
1. Zalaudek I. 18th EADO Congress; Dermoscopy of pigmented lesions
2. Lallas A. 18th EADO Congress; Dermoscopy of non-pigmented tumors: a new approach
Kongressbericht: 18th EADO Congress
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