Großes Hirn = großer Verstand? Einmal Versuchskaninchen bei einer Kernspinstudie zur Intelligenz

Dr. Anja Braunwarth

So sieht mein Gehirn in der Diffusions-Tensor-Bildgebung aus. Dabei misst man die Bewegungen von Wassermolekülen im Gewebe. Daraus lässt sich ableiten, wo die Nervenbahnen verlaufen. Die Farben zeigen die jeweilige Richtung an (rechts:Dr. Anja Braunwarth, Ärztin und Medizinjournalistin) 
So sieht mein Gehirn in der Diffusions-Tensor-Bildgebung aus. Dabei misst man die Bewegungen von Wassermolekülen im Gewebe. Daraus lässt sich ableiten, wo die Nervenbahnen verlaufen. Die Farben zeigen die jeweilige Richtung an (rechts:Dr. Anja Braunwarth, Ärztin und Medizinjournalistin) © MT Archiv

Kann man von verschiedenen Parametern im MRT auf Eigenschaften wie Intelligenz oder Allgemeinwissen schließen? Das versuchen Bochumer Wissenschaftler herauszufinden. Ich habe mich als Testkandidatin dazugewagt.

NK WIPEM – so heißt die Studie unter Leitung von Christoph­ Fraenz und Caroline­ Schlüter von der Biopsychologie der Ruhr-Universität Bochum. Das kryptische Kürzel steht für: Neuronale Korrelate von Wissen, Intelligenz, Persönlichkeit, Emotionaler Kompetenz und Motivation.

Vier Versuchstage habe ich vor mir. An Tag 1 geht es ins MRT. 70 Minuten muss ich regungslos mit fixiertem Kopf liegen – nichts für Klaustrophobiker. Die Minipausen zwischen den einzelnen Messungen reichen gerade, um sich an der Nase zu kratzen. Es ist unglaublich, wo es plötzlich juckt oder zwickt, wenn man sich nicht bewegen darf.

308 Fragen quer durch die Allgemeinbildung beantwortet

Als erstes führen die Versuchsleiter eine T1-gewichtete Aufnahme durch. Damit wollen sie eine möglichst hochauflösende Darstellung meines Gehirns erhalten und später morphometrische Parameter wie das Volumen oder die Kortexdicke ermitteln. Dann wird die Gehirnaktivität in Ruhe gemessen, gefolgt von einer GRASE-Sequenz, die der Bestimmung des Myelingehaltes in der weißen Substanz dient.

Es folgt eine Reihe diffusionsgewichteter Aufnahmen, die Daten für eine Fasertraktographie liefern. Abschließend kommt die sogenannte NODDI-Technik zum Einsatz (Neurite Orientation Dispersion and Density Imaging), durch die sich die Mikrostruktur von Dendriten und Axonen darstellen lässt.

Der Röhre entronnen, kann ich erst mal durchschnaufen, bevor es an Tag 2 in den Testraum geht. Auf dem Programm stehen die beiden Konstrukte Allgemeinwissen, erfragt mit dem Bochumer Wissenstest (BOWIT), und emotionale Kompetenz im „Emotionale-Kompetenz-Fragebogen“ (EKF). Wir erfahren, dass es noch keinerlei Erkenntnisse gibt, ob sich das Allgemeinwissen eines Menschen in der Beschaffenheit seines Gehirns widerspiegelt. Diese Tatsache mache das Konstrukt so interessant für die Neurowissenschaft. Zusätzlich zu den Tests geben wir Probanden heute vier Schleimhautproben aus dem Mund für eine Genotypisierung bzw. Methylierungsanalyse ab.

Der Bochumer Wissenstest umfasst zwei Hefte mit jeweils 154 Multiple-Choice-Fragen aus praktisch allen relevanten Gebieten der Allgemeinbildung, von Kunst über Biologie, Gesundheit, Geschichte, Politik, Mathematik, Religion, Literatur hin zu Technik, EDV, Wirtschaft und Recht. Die Bearbeitung der beiden Hefte dauert insgesamt etwa 90 Minuten. Die Fragen erinnern mich als geübten Zuschauer an „Wer wird Millionär“, nur leider gibt es nichts zu gewinnen. Und man weiß ja selbst ziemlich genau, wo die eigenen Stärken und Schwächen im Wissen liegen. Daher halte ich mich nicht allzu lange mit komplexeren physikalischen oder wirtschaftlichen Themen auf, sondern kreuze bei diesen Punkten eher wild drauflos.

Der EKF ist ein Selbstbeurteilungsfragebogen, über den mein gefühlsmäßiger Bezug zu ganz unterschiedlichen Lebenssituationen erfasst werden soll. Ich fülle ihn zügig und spontan aus, hier geht es ja nicht um „richtig“ oder „falsch“.

Probanden willkommen

Wer Interesse daran hat, bei der Studie mitzumachen, kann eine E-Mail an nkwipem@gmail.com schicken und sich als Proband bewerben. Für die Teilnahme gibt es eine Aufwandsentschädigung von 100 Euro.

Irgendwann nur noch planlos drauflosgekreuzt

Tag 3 beginnt mit dem Bochumer Matrizentest (BOMAT), einem Intelligenztest, der die Fähigkeiten im logischen Schlussfolgern misst. Er besteht aus Symbolmatrizen, von denen jede nach einer bestimmten Regel aufgebaut ist. Wir müssen diese Regel erkennen und ein leeres Feld richtig ergänzen. Nach zehn Probeübungen folgen 40 „echte“, dafür haben wir 80 Minuten Zeit. Anfangs sieht das Ganze recht leicht aus, aber mit jeder Seite werden die Aufgaben schwieriger und ich immer verzweifelter. Ein Blick zu meinen Leidensgenossen verrät mir: Denen geht es nicht viel anders. Die Zeit rast und schließlich markiere ich bis zum Schlussgong nur noch relativ planlos irgendein Kästchen. Nach einer kurzen Pause folgt das sogenannte Multi-Motiv-Gitter. Mit diesem ca. 15 Minuten dauernden Test lässt sich das Ausmaß von Anschluss-, Leistungs- und Machtmotivation eines Probanden abschätzen. Im Testheft finden wir 14 Alltagssituationen bildlich dargestellt und verschiedene Aussagen zu jeder dieser Situationen. Wir müssen angeben, welche davon jeweils zutreffen und welche nicht. Wieder eher ein Abschnitt zum Luftholen. Im Anschluss füllen wir einen weiteren Selbstbeurteilungsfragebogen zur Persönlichkeit aus. Die 240 Items durchzugehen, dauert etwa 40 Minuten. Letzter Punkt für heute: Ein Zahlenverbindungstest, bei dem es wieder um Geschwindigkeit geht. So etwas habe ich schon als Kind mit Begeisterung gemacht und siehe da, ich schaffe ihn immer noch in der Rekordzeit von 39 Sekunden – endlich ein echtes Erfolgserlebnis.

Wissen braucht Platz

500 Teilnehmer im Alter zwischen 18 und 80 Jahren ohne neurologisch/psychiatrische Erkrankung soll die Studie insgesamt umfassen, rund 300 Probanden haben die Versuche bisher absolviert. Und erste Erkenntnisse konnten die Psychologen bereits gewinnen, wie Christoph­ Fraenz­ im Gespräch mit Medical Tribune berichtet. So korreliert die Größe des Gehirns nicht nur mit der Intelligenz, was man schon länger weiß, sondern auch mit dem Allgemeinwissen. Interessanterweise erreichen diese Zusammenhänge nur in der Stichprobe männlicher Probanden ein statistisch signifikantes Niveau. Die genauen Wirkmechanismen, aus denen sich diese Assoziation ergeben, bleiben vorläufig unklar.

Ein paar Wochen später kamen die Ergebnisse per E-Mail

Der letzte Tag gehört vollständig dem „Intelligenz-Struktur-Test 2000R“. Er enthält ein Repertoire verbaler, numerischer und figuraler Aufgabengruppen: Ich ergänze z.B. Sätze, bilde Analogien und vervollständige Zahlenreihen. Der Test endet mit einer erneuten Abfrage meines Allgemeinwissens. Nach knapp drei Stunden fahre ich ausgepowert, aber zufrieden nach Hause. Auf Anfrage erhalte ich meine Ergebnisse ein paar Wochen später per Mail. Mir wird mein Abschneiden nicht nur als einfacher Summenwert korrekt beantworteter Aufgaben berichtet, sondern anhand einer repräsentativen Vergleichsstichprobe bewertet. Im Wissenstest und überraschenderweise auch im Matrizentest liege ich im Mittelfeld, beim Zahlen verbinden bin ich an die Spitze geklettert und im Intelligenz-Struktur-Test ergibt sich ein IQ-Wert von 127.

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So sieht mein Gehirn in der Diffusions-Tensor-Bildgebung aus. Dabei misst man die Bewegungen von Wassermolekülen im Gewebe. Daraus lässt sich ableiten, wo die Nervenbahnen verlaufen. Die Farben zeigen die jeweilige Richtung an (rechts:Dr. Anja Braunwarth, Ärztin und Medizinjournalistin) 
So sieht mein Gehirn in der Diffusions-Tensor-Bildgebung aus. Dabei misst man die Bewegungen von Wassermolekülen im Gewebe. Daraus lässt sich ableiten, wo die Nervenbahnen verlaufen. Die Farben zeigen die jeweilige Richtung an (rechts:Dr. Anja Braunwarth, Ärztin und Medizinjournalistin) © MT Archiv