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Gynäkologische Krebstherapie: Offen über Sexualität sprechen

Sexualität stellt für onkologische Patienten ein besonders heikles Thema dar. Nach einer Unterleibs- oder Brustoperation fühlen sich Frauen z.B. oft ihrer weiblichen Identität beraubt, trauen sich aber nicht, darüber zu sprechen, und bleiben mit ihrem Problem alleine.
Die sexualmedizinische und psychoonkologische Betreuung gehört zur patientengerechten Nachsorge, forderte Professor Dr. Annette Hasenburg, Universitätsfrauenklinik Freiburg. Speziell nach gynäkoonkologischen Erkrankungen ist die Sexualität ein wichtiges Thema im Rahmen der Nachsorge, wie es auch in der aktuellen S3-Leitlinie zur Behandlung maligner Ovarialkarzinome betont wird.
Patientinnen voll Scham und unsicher
Die Expertin empfiehlt, das Thema mit einer offenen Frage einzuleiten, zum Beispiel: „Hat sich durch Ihre Erkrankung etwas in der Partnerschaft und Sexualität verändert?“ Die Patientin hat so die Möglichkeit, aus ihrer Perspektive zu antworten – oder auch mit einem „Nein“ zu signalisieren, dass sie nicht darüber sprechen möchte. Die Rahmenbedingungen für ein solches Gespräch sollten so gestaltet sein, dass die Intimsphäre der Patientin gewahrt bleibt. Wichtig ist laut Prof. Hasenburg darüber hinaus eine angemessene Sprache, die der Sprache der Patientin angepasst sein sollte.
Die Bedeutung des Themas Sexualität unterstreichen die Resultate einer Befragung bei Patientinnen mit Ovarial-, Zervix- und Mammakarzinom mit einer seit mindestens einem Jahr abgeschlossenen Behandlung. Im Vergleich zur Kontrollgruppe war die sexuelle Aktivität dieser Frauen deutlich geringer: Die Patientinnen hatten weniger Interesse, waren häufiger müde und gaben vermehrt an, beim Geschlechtsverkehr unter körperlichen Problemen zu leiden.
Speziell Diskomfort und Dyspareunie wurden signifikant häufiger genannt. Mehrere Faktoren sind hierbei laut Prof. Hasenburg von Bedeutung. Wie eine Studie bei Mammakarzinom-Patientinnen ergab, fallen im Verlauf der Chemotherapie die Hormonwerte, speziell der Testosteron-Wert, ab. Letzterer erholt sich nach Abschluss der Chemo auch bei den postmenopausalen Patientinnen wieder.
Ovarial-Patientinnen besonders betroffen
„Wir konnten den Testosteron-Wert eindeutig mit der Qualität und Quantität des Orgasmus korrelieren“, betonte die Expertin. Da aber bei den meisten Patientinnen mit gynäkologischen Tumoren im Unterleib die Ovarien entfernt werden, kann sich der Testosteron-Wert nicht mehr erholen. „Wir haben den Hormonentzug und damit eine verminderte Libido und Lubrikation.“
In einer großen Studie am US-amerikanischen MD-Anderson-Tumorzentrum gab fast die Hälfte der befragten 250 Patientinnen mit Ovarialkarzinom an, dass ihre Libido deutlich eingeschränkt sei – bei 28 % dieser Frauen war dies auch ohne Therapie der Fall. Die sexuell aktiven Patientinnen der Studie klagten zu 80 % über eine trockene Vagina, 62 % über zum Teil starke Schmerzen und 75 % der Frauen hatten Schwierigkeiten beim Orgasmus.
Schmerzen führen oft zu Dyspareunie
Eine weitere Studie bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom, die über zwei Jahre ohne Therapie und Rezidiv überlebt hatten, ergab Ähnliches. Von den im Mittel 55-jährigen Frauen hatten 84 % eine Chemotherapie erhalten. Gut die Hälfte (53 %) gab aktuell noch Schmerzen und Beschwerden an, die ihre Sexualität beeinträchtigten.
Auch wenn die S3-Leitlinie eine Hormontherapie nicht generell empfiehlt, sollte diese bei deutlichen Beschwerden in Erwägung gezogen werden. Dies sei durch die S3-Leitlinie gedeckt. Speziell für junge Frauen könne die Hormontherapie eine sinnvolle Option darstellen.
Hormontherapie durch Leitlinie gedeckt
Für Patientinnen mit einem Endometriumkarzinom im Stadium I/II wird in der AWMF-Leitlinie die Gabe von mittelhoch dosierten Gestagenen bei relevanten Beschwerden empfohlen, um eine Symptomkontrolle zu erreichen. Ein erhöhtes Rezidivrisiko sei dadurch nicht zu erwarten.
Patientinnen mit Zervixkarzinom haben häufig Probleme mit einer verkürzten oder verklebten Vagina, mit Fibrosen, verminderter Lubrikation sowie mit Harnentleerungsstörungen und Schmerzen. Um die Vagina offen zu halten, empfiehlt Prof. Hasenburg, die Frauen zum Geschlechtsverkehr bzw. zur Anwendung von Vaginaldilatatoren zu ermutigen. Das gelte insbesondere nach einer Strahlentherapie.
Bei jungen Frauen mit Zervixkarzinom empfiehlt sie zudem, die Eierstöcke vor der Bestrahlung außerhalb des kleinen Beckens zu verlagern. Sexuelle Probleme nach einer (gynäko)onkologischen Erkrankung sollten nicht stillschweigend als Komplikation hingenommen, sondern aktiv besprochen und behandelt werden, resümierte Prof. Hasenburg. „Die Behandlung krebskranker Frauen ist mit der Operation sowie der Chemo- und/oder Strahlentherapie längst nicht abgeschlossen.“
Quelle: 31. Deutscher Krebskongress Berlin, 2014
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