HbA1c-Test ist kein Zuckerschlecken: Patientenalter, Hämoglobinopathien und Vitaminosen beachten

Dr. Dorothea Ranft

Mit der zweiten Messung sollte man sich vier bis sechs Wochen Zeit lassen. Mit der zweiten Messung sollte man sich vier bis sechs Wochen Zeit lassen. © fotolia/Maya Kruchancova

Nur einmal Blut abnehmen, keine Glukosebelastung: Beim Nachweis des Diabetes mellitus stützen sich immer mehr Kollegen auf das HbA1c. Liegt der Wert über 6,5 %, steht die Diagnose. Doch Vorsicht, auch bei der Bestimmung und Interpretation des glykosylierten Hämoglobins lauern Fallstricke.

Schlechte Blutzuckerwerte, aber ein guter HbA1c – kann das sein? Ja, denn die Veränderungen der Plasmaglukose machen sich im HbA1c erst mit Verzögerung bemerkbar. Eine wesentliche Rolle spielt die Lebenszeit der Erythrozyten (normalerweise 120 Tage). Hyperglykämische Ereignisse an den Tagen 1–30 machen etwa 50 % des endgültigen HbA1c-Resultats aus, solche an den Tagen 90–120 nur 10 %. Deshalb kann sich eine schlechte Einstellung in der zweiten Phase hinter guten Werten in der ersten verbergen, so der Endokrinologe Dr. Johannes Roth vom Universitätsklinikum Jena. Er empfiehlt deshalb, zwischen zwei HbA1c-Messungen einen Abstand von mindestens zwei Wochen einzuhalten, besser noch vier bis sechs.

Krankheiten, die die Überlebenszeit der roten Blutkörperchen verkürzen, z.B. durch Hämolyse, sorgen für falsch niedrige HbA1c-Werte, solche, die sie verlängern, für falsch hohe Spiegel. Dr. Roth erläuterte dies am Beispiel einer 62-jährigen Patientin. Die thailändische Frau (BMI 30 kg/m2) stellte sich mit Polyurie, Polydipsie, Visusminderung in der Ambulanz vor. Der Blutzucker lag bei 332 mg/dl, aber das HbA1c war mit 5,2 % dafür viel zu niedrig.

Daraufhin veranlassten die Dia­betologen einen Immunoassay, der auch strukturelle Hämoglobin-Veränderungen erfasst. Dieser Test ergab einen HbA1c-Spiegel von 10,9 %, der gut zu Symptomen und Blutzucker passte. Laut Hb-Analyse war die Patientin homozygot für HbE, das in Südostasien vermehrt auftritt und keine klinischen Symptome verursacht. Auf die übliche chromatographische HbA1c-Bestimmung war hier kein Verlass, denn die HPLC* missdeutete den HbE-Peak als HbA1c.

Immunologische Verfahren stolpern über andere Struktur

Andere Hämoglobinopathien verkürzen ebenfalls die Erythrozytenlebenszeit und sorgen so für falsch niedrige HbA1c-Werte, vor allem in der chromatographischen Bestimmung. Sie können aber auch immunologische Verfahren stören.

  • Eine dieser Strukturvarianten ist Hämoglobin S. Es führt bei homozygoten Trägern zur Sichelzellkrankheit und kommt vor allem in Afrika, Arabien und dem Mittelmeerraum vor.
  • Für eine latente Hämolyse sorgt das in Westafrika heimische Hämoglobin C.
  • Leichte Hämolysen verursacht das in Westindien auftretende Hämoglobin D.

Der im Mittelmeerraum verbreitete Favismus, ein genetisch bedingter Mangel an der Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase, verkürzt ebenfalls die Lebenserwartung der Erys und macht damit die HbA1c-Messung unbrauchbar. Infolge des Enzymmangels kommt es insbesondere beim Verzehr von Saubohnen (Vicia faba) zu hämolytischen Krisen.

Einen der wichtigsten Gründe für kurzlebige Erythrozyten liefert der Diabetes selbst: Bei schwerer Mikroangiopathie und Niereninsuffizienz kann es zu einer Hämolyse durch Fragmentierung der Erythrozyten kommen. Die Bestimmung von Retikulozyten und Fragmentozyten ermöglicht die Diagnose.

Bereits einmalige Blutspende drückt den Wert um 0,5 %

Eine gesteigerte Neubildung kann ebenfalls das Erythrozytenalter vermindern. So senkt bereits eine einmalige Blutspende (450 ml) nach sechs bis acht Wochen das HbA1c um 0,5 %. Eine wesentlich stärkere Reduktion des glykierten Hämoglobins ist bei häufigen Aderlässen zu erwarten. Für die Praxis durchaus relevant, denn 50–60 % der Patienten mit Hämochromatose entwickeln einen Diabetes, der dann anhand von Glukoseparametern diagnostiziert werden muss. Auch verletzungsbedingte Blutverluste, Transfusionen und eine Behandlung mit Erythropoetin z.B. bei renaler Anämie führen zu einem falsch niedrigen HbA1c.

Eine verlängerte Überlebenszeit der Erys und damit einen falsch hohen HbA1c beobachtet man z.B. bei Anämien, die durch einen Mangel an Eisen, Folsäure und Vitamin B12 ausgelöst wurden. Auch eine hoch dosierte Einnahme von Vitamin C und E täuscht eventuell pathologische HbA1c-Werte vor (s. Kasten).

Störgrößen beim HbA

  • Falsch hohe Werte: Alter > 70 Jahre, Eisen-, Folsäure-, Vitamin-B12-Mangel, Urämie, Acetylierung (ASS), Alkoholmissbrauch, Hypertriglyzeridämie, Vitamin C und D (hoch dosierte Einnahme), Hämoglobino­pathien
  • Falsch niedrige Werte: akute Blutung, Hb-Anomalien, Hämolyse, Blutspende, Aderlass, behandelter Eisen-, Folsäure oder Vitamin-B12-Mangel, schwere Mikroangio­pathien

Neueren Daten zufolge steigt das HbA1c mit zunehmendem Alter auch ohne Diabetes leicht an. In einer Studie zeigten stoffwechselgesunde 70-Jährige um knapp 0,5 % höhere mittlere Spiegel als unter 30-Jährige. Um eine Übertherapie im Alter zu verhindern, plädiert Dr. Roth sicherheitshalber dafür, bei der Diabetesdiagnostik gerade im Grenzbereich zusätzlich ein Glukosekriterium zu erfassen. Für Verwirrung sorgen immer wieder Patienten, die gute Blutzuckerspiegel haben (ausgelesen aus dem Messgerät), aber hohe HbA1c-Werte. Unklar ist derzeit noch, ob es sog. „high glycators“ wirklich gibt. Dr. Roth hat die Erfahrung gemacht, dass Betroffene unter der Therapie oft zu schweren Hypoglykämien neigen. Er bestimmt deshalb bei unplausiblem HbA1c zusätzlich das Fructosamin. *high performance liquid chromatography

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Mit der zweiten Messung sollte man sich vier bis sechs Wochen Zeit lassen. Mit der zweiten Messung sollte man sich vier bis sechs Wochen Zeit lassen. © fotolia/Maya Kruchancova