Herzinfarkt oder eine COPD-Exazerbation?

Manuela Arand

Chronische Herzinsuffizienz (CHF) und COPD teilen sich viele Risikofaktoren und haben auch klinisch viel gemeinsam. Im Einzelfall kann die Differenzierung schwierig sein!

An einer Kasuistik illustrierte Professor Dr. Stefan Andreas, Ärztlicher Leiter der Lungenfachklinik Immenhausen, mögliche Fallstricke bei der Differenzierung zwischen COPD und Herzinsuffzienz: Die 59-jährige Patientin, seit Jahren an einer schweren COPD erkrankt und schon lange mit BiPAP* nicht invasiv beatmet, wurde mit Auswurf, Fieber (38 °C) sowie seit Tagen bestehendem thorakalem Druck und Palpitationen in schlechtem Allgemeinzustand stationär eingewiesen. Der Hausarzt hatte bereits Antibiotika und orales Kortison angesetzt. Kardiovaskulär war die Patientin bisher immer unauffällig.

Schlechte Lungenfunktion, Blut-pH niedrig, TnT und BNP hoch

Bei Betrachtung der Aufnahmebefunde fallen neben der katastrophal schlechten Lungenfunktion drei Werte ins Auge: Blut-pH niedrig, TnT und BNP hoch. Den erniedrigten pH „müssen wir im Auge haben, die Mortalität dieser Patienten ist sehr hoch“, warnte der Pneumologe. Auch der EKG-Befund mit ausgeprägter Tachykardie und negativer T-Welle erscheint alarmierend, zumal bei erhöhtem TnT und BNP.

Was nun – die schwer kranke Patientin zum Herzkatheter zu schicken, wo sie ziemlich sicher intubiert werden müsste und das Risiko enorm hoch wäre, dass sie das Katheterlabor nicht lebend verlässt? Das vom Referenten befragte Auditorium war hier gespaltener Meinung – selbst einige gestandene Kardiologen schlugen sich auf die Seite des konservativen Vorgehens.

Das BNP führt bei COPD-Patienten in die Irre

Auch die Pneumologen in Immenhausen entschieden sich für eine medikamentöse Therapie. Sie gaben zunächst Betablocker i. v., ASS und Clopidogrel, setzten die Patientin auf Statin und ACE-Hemmer. Binnen sechs Stunden schwanden Luftnot und Druck auf dem Brustkorb, die Herzfrequenz normalisierte sich und auch der pH war leicht gestiegen. Der Katheter wurde übrigens nach vier Tagen auch gemacht: Es gab keinerlei Anzeichen einer KHK, der linke Ventrikel funktionierte einwandfrei.

„Es ist bekannt, dass Troponin T bei diesen schwer erkrankten Patienten ansteigt“, kommentierte Prof. Andreas. Auch das BNP führt bei COPD-Patienten in die Irre, denn der Wert ist bei COPD regelmäßig erhöht, vor allem in der Exazerbation. „Eine Differenzialdiagnose können Sie damit nicht betreiben.“

Akute COPD-Exazerbation kann Herzinfarkt triggern

Zu bedenken ist außerdem, dass akute COPD-Exazerbationen einen Herzinfarkt triggern können. Auf die kardiologische Diagnostik darf daher nicht verzichtet werden, auch wenn eine akute Exazerbation eindeutig feststeht. Das Renin-Angiotensin-System ist bei der COPD ebenso wie bei der CHF oft überaktiviert und auch der Sympathikus, was sich wechselseitig verstärkt.

Die neurohumerale Hyperaktivität mündet in renale Vasokonstriktion und Minderdurchblutung, Natrium- und Wasserretention. Ödeme können entstehen und eine Hyponatriämie aufgrund der Wasserretention – dann sollte kein NaCl gegeben werden, sondern Diuretika. Die alte Faustregel „Alter plus Harnstoff gleich Furosemid-Dosis“ gilt immer noch, so Prof. Andreas. Wenn der Patient auf das Schleifendiuretikum nicht mehr anspricht, sollte er zusätzlich Spironolacton bekommen, um die Diurese wieder anzukurbeln. In der Folge sinkt bei der COPD übrigens auch das erhöhte BNP.

Der rechte Ventrikel steht bei der COPD fast immer unter erhöhtem Druck, aber jeder dritte Patient hat auch eine Linksherzinsuffizienz, und die Lungenerkrankung erschwert die Diagnostik. Das Herz kann bei ausgeprägtem Lungenemphysem so zusammengedrückt werden, dass es normal groß erscheint. Die Gleichung „kleines Herz – keine Linksherzinsuffizienz“ geht bei diesen Patienten nicht auf und auch die pulmonale Stauung ist oft schwer zu erkennen.

Frequenzkontrolle bei Vorhofflimmern

Eine häufige Begleiterkrankung bei COPD wie CHF ist das Vorhofflimmern. Gemäß Leitlinie sollte keine Rhythmus-, sondern die Frequenzkontrolle angestrebt werden, beginnend mit einem Betablocker. Dass Betablocker bei COPD kontraindiziert sind, hat sich erledigt, seit Metaanalysen sogar einen 30%igen Überlebensvorteil für stabile COPD-Patienten ergeben hat, wenn sie – aus welcher Indikation auch immer – Betablocker genommen hatten. Auch das Sterberisiko bei Exazerbationen ist bei mit Betablocker behandelten COPD-Patienten dras­tisch reduziert.

Die Leitlinien von Kardiologen und Pneumologen sind sich hier absolut einig: Wenn ein COPD-Patient aus kardialer Indikation einen Betablocker braucht – nur zu! Natürlich sollten trotzdem bevorzugt kardioselektive Wirkstoffe (Bisoprolol, Metoprolol, Nebivolol) eingesetzt werden.

*Biphasic Positive Airway Pressure

Quelle:
56. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin

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