Hilft Revaskularisierung auf die Beine?

Dr. Sascha Bock

Die Kombination aus Revaskularisierung und Bewegungstherapie verspricht die größten Behandlungserfolge bei Claudicatio intermittens. Die Kombination aus Revaskularisierung und Bewegungstherapie verspricht die größten Behandlungserfolge bei Claudicatio intermittens. © iStock/uchar

Für PAVK-Patienten, die unter Claudicatio leiden, gelten zwei Therapieziele: Prognose verbessern und Gehstrecke verlängern. Welche Rolle die Revaskularisierung dabei spielt, diskutierten zwei Experten anhand eines Fallbeispiels.

„Das kardiovaskuläre Risiko dieses Patienten könnte kaum größer sein“, bewertete ein italienischer Kollege die Kasuistik, die Professor Dr. Christine­ Espinola-Klein, Universitätsmedizin Mainz, vorstellte. Sie berichtete über einen 61-jährigen Winzer mit langstreckigem Verschluss der rechten A. femoralis superficialis. Die seit einem Jahr zunehmende Claudicatio hinderte ihn daran, seinen Beruf auszuüben. Die schmerzfreie Gehstrecke lag nur noch bei 50 Metern. Der Mann hatte bereits Interventionen an Carotis und Koronarien hinter sich. Zudem rauchte er und brachte diverse schlecht kontrollierte Grundleiden mit: Hyperlipidämie, Bluthochdruck und Diabetes.

Jeder Vierte braucht erneuten Eingriff binnen 1,5 Jahren

Für Dr. Marco de Carlo von der Universitätsklinik Pisa stünde in diesem Fall die aggressive Behandlung aller modifizierbaren Risikofaktoren an erster Stelle. Dieses Vorgehen entspricht auch dem Claudicatio-Algorithmus der PAVK-Leitlinie. Konkret heißt das: Rauchstopp, Körperfett reduzieren (Diät) und angeleitete (!) Bewegungstherapie. „Natürlich ist die Revaskularisierung eine Option, aber ohne die Lebensstiländerung führt sie höchstwahrscheinlich nur zu einer vorübergehenden Besserung“, sagte der Kollege.

Ein weiterer Punkt: Langstreckig verschlossene Gefäßabschnitte bleiben nach einem Eingriff nicht so lange durchgängig wie kurzstreckige. Speziell für die Revaskularisierung der A. femoralis superficialis gibt es aktuelle Real-World-Daten von über 10.000 Claudicatiopatienten. Demnach nimmt die Offenheitsrate mit der Zeit linear ab. Unabhängig von der gewählten Technik benötigten ca. 25 % binnen 1,5 Jahren eine erneute (minimal-)invasive Behandlung. „Wir müssen im Aufklärungsgespräch ehrlich sein“, betonte Dr. De Carlo. Früher oder später laufe es auf eine weitere Intervention hinaus.

Training verbessert Endothelfunktion und Durchblutung

Was den Stellenwert nicht-pharmakologischer Maßnahmen angeht, gab Prof. Espinola-Klein ihrem Kollegen recht: „Das Beste, das man machen kann, ist Training.“ Dadurch verbessern sich u.a. Endothelfunktion, Durchblutung und Muskelmetabolismus. Laut einer Metaanalyse verlängert ein Bewegungsprogramm gegenüber Placebo oder Standardtherapie die schmerzfreie Gehstrecke um 82 Meter. Und im direkten Vergleich zur Revaskularisierung schneiden Übungen besser ab.

Allerdings zeigte die ERASE-Studie, dass sich mit der Kombination aus Eingriff und Training noch mehr herausholen lässt. Dieser Ansatz findet sich auch in der PAVK-Leitlinie mit einer IIa-Empfehlung wieder: Schränkt die Claudicatio den Alltag sehr stark ein, sollte zunächst eine Revaskularisierung erwogen werden. Um ihrem 61-jährigen Patienten die anschließende Bewegungstherapie zu erleichtern, entschied sich die Expertin für eine primäre endovaskuläre Intervention.

Bewegungstherapie muss zugänglicher werden!

Vermutlich hätte Dr. De Carlo in seiner Klinik genauso gehandelt, gab er zu. Denn im Alltag haben viel zu wenig Betroffene Zugang zu einem angeleiteten Training. In Italien seien es knapp 2 %, schätzte er. Dieser Zustand sollte aber nichts an der Leitlinie ändern, sondern vielmehr den Druck auf die gesundheitspolitischen Entscheider erhöhen. Bewegungstherapie bleibt die wichtigste Maßnahme.

Um die Prognose zu verbessern, muss natürlich auch die Medikation angepasst werden. Initial nahm der Winzer ASS, Ramipril, Simvastatin und Metformin. Die Mainzer Kollegin erhöhte die tägliche Dosis des ACE-Hemmers, wechselte auf Rosuvastatin und verordnete einen SGLT2-Inhibitor. Darüber hinaus ergänzte sie die antithrombotische Therapie um Rivaroxaban. Eine kürzlich publizierte Konsensusempfehlung befürwortet den Einsatz des NOAK u.a. bei polyvaskulär erkrankten Patienten.

Kongressbericht: ESC Congress 2021 – The Digital Experience

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