Claudicatio, kritische Ischämie und Stauungssyndrom durch Aneurysma der Poplitealarterie

Dr. Alexandra Bischoff

Arterielle Angiographie vor und nach der Implantation der Gefäßprothese (links). Im Sono misst das gedeckt rupturierte Poplitealarterienaneurysma 4,5 cm. Ein Gefäßverschluss ist nicht zu erkennen (rechts). Arterielle Angiographie vor und nach der Implantation der Gefäßprothese (links). Im Sono misst das gedeckt rupturierte Poplitealarterienaneurysma 4,5 cm. Ein Gefäßverschluss ist nicht zu erkennen (rechts). © Grosser S et al. Hamburger Ärzteblatt 2018; 72: 36-37 © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg

Ein Aneurysma in der Kniekehle bleibt trotz anhaltender Beschwerden manchmal wochenlang unerkannt. Insbesondere wenn ältere Männer mit einer Schwellung oder Schmerzen im Unterschenkel in Ihre Praxis kommen, sollten Sie genau hinschauen.

Mit unerträglichen Ruheschmerzen im rechten Unterschenkel sucht ein 55-jähriger Mann notfallmäßig das ambulante Gefäßzentrum Hamburg auf. Bereits vor fünf Wochen sei ihm im Bereich beider Unterschenkel eine Schwellung aufgefallen, die damals als Lymphödem diagnostiziert und behandelt wurde. Nach anfänglicher Besserung trat ein massives, progredientes Schmerzsyndrom auf, was ihn zur erneuten Vorstellung veranlasste.

Bei der Untersuchung zeigt sich der rechte Unterschenkel einschließlich der Knieregion livide geschwollen, die Pulse inguinal, popliteal sowie im Fußbereich sind palpabel. In der Duplexsonographie entdecken die Kollegen im Bereich der Kniekehle eine 4,5 cm große, pulsierende Raumforderung, die abschnittsweise Wandeinrisse mit Hämatomen aufweist (s. Abb. 1, rechts).

Der 55-Jährige befindet sich zu dem Zeitpunkt schon in einem instabilen klinischen Zustand und wird als Notfall mit Verdacht auf ein gedeckt rupturiertes Poplitealarterienaneurysma in die Asklepios Klinik St. Georg verlegt. Dort erfolgt die Implantation einer Gefäßprothese (s. Abb. 2, rechts). Nach drei Tagen kann der Patient wieder entlassen und ambulant weiterbehandelt werden.

Allgemein spricht man von einem Poplitealaneurysma, wenn der Gefäßdurchmesser ≥ 150 % des normalen (0,7–1,1 cm) beträgt. Warum es zu einer solchen krankhaften Erweiterung kommt, ist unklar. Vermutlich handelt es sich um eine Kombination aus genetischen Defekten und inflam­matorischen Prozessen, schreiben Dr. Sebastian­ Grosser, Ambulantes Gefäßzentrum Hamburg, und seine Kollegen.

Vor allem Männer sind betroffen

Über 85 % der peripheren arteriellen Aneurysmen betreffen die Poplitealregion. Die Inzidenz insgesamt ist gering, das Krankheitsbild dafür umso tückischer. Denn die klinische Symptomatik ist facettenreich, sehr variabel und kann so in die Irre führen. 35 % der Patienten sind zum Zeitpunkt der Diagnosestellung asymptomatisch, andere kommen vielleicht nur mit dem Eindruck eines andauernden Muskelkrampfes (s. Kasten). Ob asymptomatisch oder symptomatisch – die Komplikationsrate ist mitunter hoch. Schwere Folgeschäden bis hin zur Amputation sind gefürchtet.

Nur ein Wadenkrampf?

Die Hamburger Kollegen berichten von einem zweiten Patienten. Einen akuten Schmerz in der linken Wade hatte der 56-jährige Betroffene als schweren Muskelkrampf eingeordnet. In den folgenden Tagen entwickelten sich jedoch erhebliche Schwellung und Spannungsschmerz. Der daraufhin gestellte Verdacht einer Beinvenenthrombose entpuppte sich letztlich als vollständig thrombosiertes Aneurysma der A. poplitea.

Das Poplitealarterienaneurysma betrifft in 95 % der Fälle Männer, jeder Zweite ist über 65 Jahre alt. Bei knapp der Hälfte der Betroffenen tritt die Erkrankung beidseitig auf. Auch im Fall eines abdominellen Aortenaneurysmas lohnt sich der dia­gnostische Blick auf die Kniekehle: Bei einem von zehn Patienten besteht in dieser Hinsicht ein Zusammenhang. Die häufigste Komplikation ist eine akute Thrombose des Poplitealarterienaneurysmas (30–40 %). Diese kann ebenso wie das Auftreten rezidivierender peripherer Embolien zu einer Wadenclaudicatio und kritischen arteriellen Ischämie führen. Das Risiko einer Unterschenkelamputation liegt hier bei über 20 %! In anderen Fällen kommt es zu einem Stauungssyndrom mit isolierter Kompression der V. poplitea oder gar einer Thrombose mit Lungenembolie. Starke periphere Schmerzen sowie eine Fußheberschwäche können auf eine druckbedingte Nervenschädigung (N. tibialis, N. peroneus) hinweisen, die teilweise auch irreversibel ist. Im Fallbeispiel dominierte dagegen ein schwergradiges Lymphödem.

Blutung führt zu weiteren Komplikationen

Ein arterielles Poplitealaneurysma rupturiert etwa in 2–4 % der Fälle. Die dadurch entstandene Blutung im Bereich kann weitere Komplikationen wie beispielsweise ein Kompartementsyndrom des Unterschenkels oder eine AV-Fistel zur Folge haben. Aufgrund der hohen Komplikationsrate raten die Gefäßexperten auch bei fehlenden Symptomen eines mehr als 2,0 cm messenden Aneurysmas zu einer Intervention oder Operation.

Quelle Text und Abb.: Grosser S et al. Hamburger Ärzteblatt 2018; 72: 36-37 © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg

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Arterielle Angiographie vor und nach der Implantation der Gefäßprothese (links). Im Sono misst das gedeckt rupturierte Poplitealarterienaneurysma 4,5 cm. Ein Gefäßverschluss ist nicht zu erkennen (rechts). Arterielle Angiographie vor und nach der Implantation der Gefäßprothese (links). Im Sono misst das gedeckt rupturierte Poplitealarterienaneurysma 4,5 cm. Ein Gefäßverschluss ist nicht zu erkennen (rechts). © Grosser S et al. Hamburger Ärzteblatt 2018; 72: 36-37 © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg
Abbildung 1 Abbildung 1 © Grosser S et al. Hamburger Ärzteblatt 2018; 72: 36-37 © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg
Abbildung 2 Abbildung 2 © Grosser S et al. Hamburger Ärzteblatt 2018; 72: 36-37 © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg