Arterieller Bypass statt Venenbypass: Gute Langzeitresultate

Dr. Sascha Bock

Zahlreiche Studien sprechen dafür, die komplett
arterielle Versorgung über die linke und rechte Brustwandarterie zu bevorzugen. Zahlreiche Studien sprechen dafür, die komplett arterielle Versorgung über die linke und rechte Brustwandarterie zu bevorzugen. © Andreas Rieß, www.riessmedien.de

Obwohl ein komplett arterieller Bypass dem Venengraft überlegen ist, erhält ihn deutschlandweit nur jeder Vierte mit entsprechender Indikation. Anders am Albertinen-Krankenhaus in Hamburg: Dort gelten Anastomosen zu beiden Aa. mammariae als Goldstandard.

Muss die Durchblutung des Ramus interventricularis anterior mittels Bypass verbessert werden, kommt hierzulande in ca. 95 % der Fälle die linke A. mammaria zum Einsatz. Bestehen Stenosen anderer Koronargefäße, greifen die meisten Chirurgen jedoch zur Beinvene. Dabei sprechen zahlreiche Studien dafür, die komplett arterielle Versorgung über die linke und rechte Brustwandarterie zu bevorzugen.

Eingriff bei jedem Zweiten am schlagenden Herzen

Dieses Vorgehen gewährleistet ein besseres Überleben sowie eine höhere Offenheitsrate, schreibt Professor Dr. Friedrich-Christian Rieß vom Albertinen Herz- und Gefäßzentrum, Hamburg. Zudem erleichtere es die Mobilisation nach der OP. In seiner Klinik stieg die Rate an rein arteriellen Bypässen innerhalb der letzten 20 Jahren rapide und liegt heute weit über 90 %. Ein Grund dafür: Die Einführung der Off-Pump-Chirurgie, also des Eingriffs ohne Herz-Lungen-Maschine. Untersuchungen zufolge erzielen Off- und On-Pump-Variante ähnliche klinische Ergebnisse. Da wundert es nicht, dass die Hamburger Kollegen auch hier Vorreiter sind. Während in der Bundesrepublik knapp jeder Fünfte am schlagenden Herzen revaskularisiert wird, sind es am Albertinen-Krankenhaus inzwischen mehr als 50 % der Patienten.

Bei der Off-Pump-Operation gilt es, die Aorta ascendens in Ruhe zu lassen – daher der Verzicht auf Venenbypässe. „Aortic-no-touch-Technique“ nennt sich die Methode, bei dem die Hauptschlagader über Hilfsmittel stabilisiert wird. Manipulationen an dem Gefäß könnten sonst dazu führen, dass sich etwaige Verkalkungen lösen und es konsekutiv zu einem Schlaganfall kommt.

So verläuft die rein arterielle Revaskularisierung

1. Nach Eröffnen des Thorax mittels medianer Sternotomie erfolgt die skelettierte Entnahme der Aa. mammariae beidseits. Skelettiert bedeutet, dass ausschließlich die Arterien präpariert werden, um das umliegende Gewebe – insbesondere die Begleitvenen – zu schonen (Abb. 1). 2. Die rechte Brustwandarterie (RIMA) wird sowohl distal als auch proximal gekappt, die linke (LIMA) hingegen bleibt an der A. subclavia. Über eine T-förmige Anastomose verbinden die Chirurgen das entfernte Gefäß nun auf halber Strecke mit der A. mammaria sinistra, sodass die komplette Perfusion der Koronarien letztlich über die linke A. subclavia läuft. 3. Die Bypässe stehen i.d.R. im 90°-Winkel zu den versorgenden Ästen. Die linke A. mammaria durchblutet fortan den Ramus interventricularis anterior (LAD) mit seinen Diagonalästen (D1, D2). Die Rechte fixieren die Experten so, dass die Einstromgebiete von A. circumflexa und der Endäste der rechten Koronararterie sowie sequenzielle Marginaläste (M1) wieder perfundiert werden (Abb. 2).

90 % aller Anastomosen blieben von Stenosen befreit

Grundsätzlich gelingt die komplett arterielle Bypassversorgung mit und ohne Herz-Lungen-Maschine. Die gute Erfahrung mit der OP untermauerte Prof. Rieß zusammen mit Kollegen jüngst in einer retrospektiven Studie, für die die Daten von 3445 Patienten ausgewertet worden waren. Demnach kompensierten die Chirurgen das Perfusionsdefizit bei 93 % der Herzkranken ausschließlich über beide Aa. mammariae. Die Off-Pump-Variante kam bei 1229 Personen zum Einsatz, die übrigen wurden an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Über den Untersuchungszeitraum von bis zu 13 Jahren lag die Rate aller weit offenen Anastomosen ohne Stenosen bei 91,4 % bzw. 89,8 % für Off- bzw. On-Pump-Eingriffe. Ein erneute maximalinvasive Operation war bei keinem Patienten nötig, eine Therapie mit interventionellen Techniken in 1,1 % respektive 1,8 % der Fälle – laut Prof. Rieß ein hervorragendes Langzeitresultat.

Aa. mammariae für Diabetiker die Gefäße der Wahl

Frühe Komplikationen wie Herzinfarkt, Apoplex oder Nierenersatztherapie hielten sich die Waage. Andere Parameter fielen signifikant zuguns­ten der Off-Pump-Gruppe aus, darunter die perioperative Mortaliät (0,2 % vs. 1 %), Nachblutung (1,1 % vs. 2,1 %) sowie sternale Wundinfektionen (0,6 % vs. 1,7 %). Vor allem aufgrund der Sicherheit und Effektivität hat sich die alleinige Revaskularisierung über arterielle Grafts in der Hamburger Klinik als Goldstandard bei KHK-Patienten mit Bypass-Indikation etabliert. Insbesondere für Diabetiker gelten die beiden Arteriae mammariae als Gefäße der Wahl. Für dieses Konzept gebe es nahezu keine Kontraindikationen mehr, so Prof. Rieß.

Quelle Text und Abb.: Rieß FC. Hamburger Ärztebl. 2017: 71: 12-16,  © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg

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Zahlreiche Studien sprechen dafür, die komplett
arterielle Versorgung über die linke und rechte Brustwandarterie zu bevorzugen. Zahlreiche Studien sprechen dafür, die komplett arterielle Versorgung über die linke und rechte Brustwandarterie zu bevorzugen. © Andreas Rieß, www.riessmedien.de
Nach Eröffnen des Thorax mittels medianer Sternotomie erfolgt die skelettierte Entnahme der Aa. mammariae beidseits. Nach Eröffnen des Thorax mittels medianer Sternotomie erfolgt die skelettierte Entnahme der Aa. mammariae beidseits. © Andreas Rieß, www.riessmedien.de
Abb. 2: Die Bypässe stehen i.d.R. im 90°-Winkel zu den versorgenden Ästen. Abb. 2: Die Bypässe stehen i.d.R. im 90°-Winkel zu den versorgenden Ästen. © Andreas Rieß, www.riessmedien.de