
Hyperoxie durch Sauerstofftherapie gefährdet Intensivpatienten

Fehlt es dem Körper an Sauerstoff, stellt er die Energiegewinnung auf anaerobe Glykolyse um. Hält die Hypoxie an, entwickelt sich eine Laktatazidose, und hypoxieempfindliche Zellen, wie die des Gehirns, werden nekrotisch. Durch externe Gabe von Sauerstoff lässt sich eine Hypoxie behandeln, doch Privatdozent Dr. Jörn Grensemann von der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und seine Kollegen mahnen zum Augenmaß.
Wie applizieren?
Hyperoxie erhöht die Mortalität kritisch Kranker
Intensivpatienten wurden früher häufig hyperoxisch beatmet nach der Devise „viel hilft viel“. Inzwischen weiß man es besser. Denn eine Hyperoxie erhöht die Mortalität kritisch Kranker, wie vielfach nachgewiesen wurde. Dies erscheint plausibel, wenn man bedenkt, dass das Hämoglobin schon bei einem Sauerstoffpartialdruck (pO2) von 80 mmHg zu 96 % mit Sauerstoff gesättigt ist. Wenn man den pO2 weiter steigert, kann kaum weiterer Sauerstoff gebunden und transportiert werden, sondern der Anteil physikalisch gelösten freien Sauerstoffs steigt. Das führt dazu, dass sich vermehrt freie Radikale bilden, die eine Zellschädigung nach sich ziehen. Leitliniengemäß sollten bei beatmeten Intensivpatienten deshalb ein Sauerstoffpartialdruck zwischen 60 und 80 mmHg und eine Sauerstoffsättigung (SO2) von 90–94 % angestrebt werden. Auch Patienten mit Myokardinfarkt tut eine Hyperoxie nicht gut. Es erscheint zwar auf den ersten Blick erstrebenswert, dem hypoxischen Gewebe im Infarktbereich mehr Sauerstoff zur Verfügung zu stellen. Leider wird damit aber das Infarktareal eher vergrößert, vor allem weil freie Radikale noch mehr Herzmuskelzellen zerstören und weil Sauerstoff Koronararterien verengt. Eine zusätzliche Gabe sollte deshalb unterbleiben, solange die periphere Sättigung ≥ 90 % liegt. Beim ischämischen Schlaganfall wurde ebenfalls eine hyperbare Oxygenierung versucht in der Vorstellung, den physikalisch gelösten Sauerstoffanteil zu erhöhen und die Penumbra perfusionsunabhängig mit O2 zu versorgen. Das neurologische Outcome ließ sich damit jedoch nicht verbessern. Heute empfiehlt man für Patienten mit ischämischem Insult eine SO2 zwischen 94 % und 98 %. COPD-Patienten brauchen zwar O2 gegen ihre Hyperkapnie, die zur Erschöpfung der Atemmuskulatur geführt hat. Aber auch bei ihnen gilt: Nicht zu liberal dosieren! Sauerstoff unterdrückt die hypoxische Vasokonstriktion, die notwendig ist, um ein optimales Verhältnis zwischen Ventilation und Perfusion zu erhalten. Ohne diesen Schutzmechanismus bekommen mehr der suboptimal ventilierten Alveolen Anschluss an die Perfusion, sodass die Hyperkapnie zunimmt. Nach der GOLD-Empfehlung wird Sauerstoff bei der akut exazerbierten COPD so dosiert, dass die Sättigung zwischen 88 % und 92 % bleibt. Im Rahmen der Reanimation steigert eine Beatmung mit reinem Sauerstoff zu Beginn die Chancen, den Spontankreislauf wieder in Gang zu bekommen. Danach sollte die Beatmung jedoch zügig wieder auf Normoxie zurückgehen, unter Hyperoxie scheint retrospektiven Analysen zufolge die Mortalität zu steigen.Brennende Sauerstoffflasche nie mit Wasser löschen!
Kohlenmonoxid vom Hämoglobin vertreiben
Die Kohlenmonoxid-Intoxikation bleibt das einzige Krankheitsbild, bei dem eine Hyperoxie unabdingbar ist. Schließlich muss man den Sauerstoffpartialdruck so erhöhen, dass sich Kohlenmonoxid trotz seiner im Vergleich zu Sauerstoff vielfach höheren Affinität zu Hämoglobin wieder aus der Hämoglobinbindung vertreiben lässt.Quelle: Grensemann J et al. Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 108-120; DOI: 10.1055/a-0948-8363
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).