Warten, bis die Atempumpe schlapp macht

Dr. Elke Ruchalla

Die Patientin stimmte einer weiteren Behandlung mit Beatmungsmaske erst zu, als die Ärzte ihr das Sterberisiko klar vor Augen stellten. (Agenturfoto) Die Patientin stimmte einer weiteren Behandlung mit Beatmungsmaske erst zu, als die Ärzte ihr das Sterberisiko klar vor Augen stellten. (Agenturfoto) © iStock/digicomphoto

Als Notfall kommt eine bis dahin unbehandelte COPD-Patientin in die Klinik. Entlassen wird sie nicht nur mit einer adäquaten antiobstruktiven Therapie, sondern auch mit einer nicht-invasiven Beatmung. Dazwischen liegt für die Frau ein steiniger Weg.

Eine 54-Jährige klagt darüber, dass sie tagsüber immer müder wird und schwerer Luft bekommt. Sie ist seit acht Monaten Exraucherin und hat 70 Packungsjahre auf dem Buckel. Ganz akut macht ihr ein Husten mit gelblichem Auswurf zu schaffen. Die Frau ist sehr adipös und leidet an einer COPD, die sie bei Bedarf mit Salbutamol behandelt. 

CO2-Retention nicht mehr metabolisch kompensierbar

Als sie sich in der Notaufnahme vorstellt, ist sie leicht somnolent. Die Auskultation ergibt eine verlängerte Ausatemzeit mit exspiratorischem Giemen beidseits basal, die arterielle Blutgasanalyse eine Sauerstoffsättigung von 57 %, einen PaO2 von 29 mmHg und einen PaCo2 von  64 mmHg. Der pH-Wert liegt bei  7,27. Die Befunde entsprechen einer respiratorischen Insuffizienz Typ II mit nicht-kompensierter respiratorischer Azidose. Die Hyperkapnie resultiert aus der chronisch überlas­teten bzw. erschöpften Atemmuskulatur infolge der unbehandelten COPD. Eine Exazerbation hat zur metabolisch nicht mehr kompensierbaren CO2-Retention geführt, erklären Dr. Anna Krandick vom Lungenzentrum München und ihre Kollegen.

Die Patientin erhält sofort Sauerstoff per Nasenbrille. Daraufhin steigt zwar die Sättigung auf 75 %, aber die Hyperkapnie nimmt zu und die Frau trübt immer mehr ein. Die Münchner Kollegen entscheiden sich noch in der Notaufnahme für eine nicht-invasive Beatmung (nicht-invasive Ventilation, NIV) über eine Mund-Nasen-Maske und verlegen die schwer Kranke auf die Intensivstation. Dort erhält sie wegen der vermuteten infektbedingten Exazerbation Antibiotika und 40 mg/d Prednisolon über fünf Tage sowie eine inhalative antiob­s­truktive Behandlung. 

Doch das geht nicht lange gut: Als die Frau wacher wird, weigert sie sich, die Beatmungsmaske weiter zu tragen und erhält erneut Sauerstoff. Das Spiel mit Hyperkapnie und Somnolenz beginnt von vorne, passager stellt sich zudem ein Delir ein. 

Erst als die Ärzte ihrer Patientin  mit deutlichen Worten erklären, dass sie in nicht allzu ferner Zeit sterben werde, wenn sie so weiter mache, akzeptiert sie die NIV via Maske. Schließlich können die Kollegen sie auf die Spezialstation für die Vorbereitung zur außerklinischen Beatmung verlegen. Dort stellen Experten inspiratorische Druckunterstützung (ca. 20–30 mbar), exspiratorischen Druck (mindestens 6 mbar) und  Backup-Atemfrequenz ein und passen den für die Patientin optimalen Maskentyp (Nasen-, Mund-Nasen- oder Vollgesichts­maske) an.

Im Verlauf klagt die Frau immer seltener über Atemnot, sie wirkt deutlich wacher. Die Spezialisten schulen sie in der korrekten Inhalation der COPD-Sprays und der Anwendung der Maskenbeatmung, wenn sie später wieder zu Hause ist. Außerdem rät man ihr, Gewicht abzunehmen, um die Atemmuskulatur zu entlasten.

Langzeit-NIV bei COPD

Mindestens eines der folgenden Kriterien sollte erfüllt sein, damit eine außerklinische NIV bei COPD gerechtfertigt erscheint:
  • chronische Hyperkapnie tagsüber mit PaCO2 ≥ 50 mmHg
  • nächtliche Hyperkapnie mit PaCO2 ≥ 55 mmHg
  • Hyperkapnie tagsüber mit PaCO2 46–50 mmHg plus Anstieg des transkutanen PaCO2 um ≥ 10 mmHg während des Schlafs
  • frühestens zwei Wochen nach Beendigung der Akutbeatmung wegen akuter respiratorischer Azidose, sofern der PaCO2 noch über 53 mmHg liegt
  • nach prolongiertem Weaning, wenn die Dekanülierung nur unter NIV möglich ist und die NIV langfristig notwendig ist

Kontrollen ein- bis zweimal pro Jahr notwendig

Anschließend folgt eine Lungen-Reha, und nach insgesamt acht Wochen ergibt die Kontrolluntersuchung eine adäquate, ausreichend lange Verwendung der Atemmaske (täglich im Mittel gut sechs Stunden). Eine außerklinische NIV sollte immer durch Experten in einem entsprechend ausgestatteten Zentrum eingeleitet werden und mindestens ein- bis zweimal pro Jahr ist der Effekt der Maßnahme zu kontrollieren, schreiben Dr. Krandick und Kollegen. Nutzen die Patienten die NIV konsequent, haben sie gute Chancen, die folgenden Ziele zu erreichen:
  • Normokapnie bzw. Verminderung des anfänglichen PaCO2 um mehr als 20 %
  • geringere Atemnot 
  • größere Leistungsfähigkeit 
  • mehr Lebensqualität
  • weniger Tagesmüdigkeit
  • weniger Exazerbationen
  • Vermeiden einer Sauerstoff-Langzeittherapie

Quelle: Krandick A et al. Bayerisches Ärzteblatt 2021; 76: 128-134

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Die Patientin stimmte einer weiteren Behandlung mit Beatmungsmaske erst zu, als die Ärzte ihr das Sterberisiko klar vor Augen stellten. (Agenturfoto) Die Patientin stimmte einer weiteren Behandlung mit Beatmungsmaske erst zu, als die Ärzte ihr das Sterberisiko klar vor Augen stellten. (Agenturfoto) © iStock/digicomphoto